Gelsenkirchen. Eine Milliarde Euro vom Bund für bessere Startchancen: Das Programm könnte für Gelsenkirchens Schulen einen echten Schub nach vorn bringen.
Eine Milliarde Euro vom Bund zur Förderung von Chancengerechtigkeit in der Bildung, und zwar verteilt streng nach Bedarfskriterien: Es klingt wie ein für Gelsenkirchen maßgeschneidertes Konzept, was Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in der vergangenen Woche ankündigte. Das „Startchancen-Programm“ soll gezielt Brennpunktschulen fördern, Mittel sollen nicht wie sonst üblich nach Länderschlüsseln, sondern nach Bedarf aufgrund der Sozialstruktur in den Schulen verteilt werden. Jede zehnte Schule der Republik – insgesamt 4000 – soll davon ab 2024 profitieren können. Der Schwerpunkt ist dabei auf Grundschulen (60 Prozent) und berufsbildenden (20 Prozent) Schulen gelegt.
Armutsgefährdung und Deutsch als Muttersprache als Hauptkriterien
Die Verteilung der Bundesmittel sollte laut den von der Ministerin angekündigten Kriterien, die mit Bildungsexperten verschiedenster Institutionen entworfen wurden, zu 40 Prozent vom Anteil der Schülerinnen und Schüler unter 18-Jahren abhängen, die nicht deutsch als Muttersprache sprechen und die als armutsgefährdet gelten. Migration und Armut sind – wissenschaftlich längst hinreichend belegt – zentrale Benachteiligungsfaktoren. Eingesetzt werden sollen die Mittel aus dem Programm zur Hälfte für Investitionen in Schulbau, verstärkte Schulsozialarbeit und ein „Chancenbudget“ für Schulen, das sie nach ihrem jeweiligen Bedarf einsetzen können.
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Der Königsteiner Schlüssel, nach dem Bundesgelder normalerweise verteilt werden mit Einwohnerzahl und Steueraufkommen als Kriterien, wäre bei diesem Ansatz weitgehend ausgehebelt. Länder wie Bayern und Sachsen bekämen erheblich weniger Zuschüsse als Nordrhein-Westfalen.
Käme es wirklich so wie von der Bundesministerin angekündigt, müsste in Gelsenkirchen wohl mindestens jede fünfte der über 50 Schulen profitieren können. Aber natürlich gibt es auch einschränkende Bedingungen für die Förderung: die Beteiligung der Bundesländer zum Beispiel. Die Länder müssten zusammen die gleiche Summe beisteuern, um profitieren zu können, also eine Milliarde.
NRW-Ministerium kündigt gemeinsame Vereinbarung für Mitte 2023 an
Eine Nachfrage der WAZ Gelsenkirchen im Düsseldorfer Bildungsministerium, unter welchen Bedingungen NRW bei dem Programm einsteigen würde, brachte indes nur eine vage Antwort hervor. Man „begrüße das angekündigte Startchancen-Programm“ und gestalte „den länderseitigen Prozess von Beginn an aktiv mit“. Auch die Länder hätten bereits einen „Vorschlag zur solidarischen Mittelverteilung auf die Länder vorgelegt. Der derzeitige Vorschlag des Bundes wirft im Rahmen der bestehenden finanzverfassungsrechtlichen Regelungen jedoch erhebliche Fragen hinsichtlich der Umsetzbarkeit auf,“ so das Ministerium. Aktuell arbeite man in Arbeitsgruppen von Bund und Ländern an der Konkretisierung für das Startchancen-Programm. Bis Mitte des Jahres wolle man eine gemeinsame Vereinbarung zum Startchancen-Programm vorlegen, heißt es aus dem Landes-Schulministerium.
Dringend notwendige Sanierungen dürften damit nicht finanziert werden
Fragwürdiger Sozialindex
NRW hat bereits unter Schulministerin Yvonne Gebauer einen schulscharfen Sozialindex eingeführt, um das Thema Bildungsgerechtigkeit anzugehen. Doch in Gelsenkirchen erreichte demnach nur eine einzige Schule – die Hauptschule Grillostraße – die drängendste und damit besonders unterstützungswürdige Kategorie 9, drei Grundschulen gelangten in die Stufe 8.
Die Gesamtschule Ückendorf mit ihrem Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund bei über 90 Prozentlandete in Stufe 6, die Gesamtschulen Horst und Berger Feld in drei, Erle und Buer-Mitte in vier. Immerhin greift in Ückendorf noch die Förderung als Talentschule.
Anne Heselhaus, Bildungsdezernentin, kommentiert auf Nachfrage die Ankündigung aus Berlin so: „Grundsätzlich ist jedes Programm zu begrüßen, das dazu beitragen kann, die Situation im Bildungsbereich nachhaltig zu verbessern! Kritisch zu sehen ist jedoch bereits jetzt die Festlegung, dass zwar Investitionen in bauliche Maßnahmen zur Schaffung einer ansprechenden Lernumgebung möglich sein sollen, aber ohnehin nötige, dringende Sanierungen mit den Mitteln nicht finanziert werden dürfen. Tatsächlich muss aber nun abgewartet werden, wie die endgültigen Rahmenbedingungen aussehen und ob die Länder sich beteiligen werden.“