Gelsenkirchen. Weniger Platz für Autos, mehr für Fahrräder und Fußgänger: Wie die Stadt mit dem „Masterplan Mobilität“ die Verkehrswende schaffen will.

Nachdem die Stadt Gelsenkirchen mit dem „Klimakonzept 2030/2050“ Mitte Dezember 2022 ihren Weg zur Klimaneutralität vorgestellt hat, legt sie nun so etwas wie das große Ergänzungskapitel zu ihrem Klima-Fahrplan nach: Der „Masterplan Mobilität“ soll aufzeigen, „wie wir die Verkehrswende in Gelsenkirchen gestalten und damit gleichzeitig die Lebensqualität in Gelsenkirchen verbessern wollen“, sagte Stadtbaurat Christoph Heidenreich bei der Vorstellung des Plans. Denn: „Rund 36 Prozent des klimaschädlichen Kohlendioxid-Ausstoßes in der Stadt kommen aus dem Verkehrsbereich.“ Grund genug für die Verwaltung, das Thema in einem gesonderten Konzept zu bearbeiten.

Stadt Gelsenkirchen will die Verkehrswende schaffen – mit diesen Maßnahmen soll es gelingen

252 Seiten dick ist das Papier – und voller Maßnahmen für die nächsten zehn bis 15 Jahre, die dafür sorgen sollen, dass die umweltfreundlichen Verkehrsmittel nicht länger vernachlässigt werden „und man nur aufs Auto fixiert ist“, wie Heidenreich es formuliert. Als besonders „ambitionierte Maßnahme“ sieht er etwa den angepeilten Ringschluss der Linie 301, die zukünftig von Horst über Heßler zum Hauptbahnhof führen soll. Bis es hier zur Umsetzung kommt, muss allerdings erst noch ein Verfahren durchlaufen werden, das selbst Fachmann Heidenreich „sehr kompliziert“ nennt. „Wenn es perfekt läuft, würden wir in zehn Jahren den Ringschluss haben“, sagt er.

Viel kurzfristigere Maßnahmen im Masterplan beziehen sich dagegen auf den Radverkehr in Gelsenkirchen. „Wir wollen die Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrer angehen, ein Wegweisungskonzept erstellen, das Thema Fahrradstraßen vertiefen“, listet Christoph Neumann, Leiter des Verkehrsreferats, auf. Auch sogenannte Radstationen, Parkhäuser für Fahrräder, sollen entstehen, zunächst am Musiktheater im Revier und am Rathaus Buer.

Keine Ad-hoc-Maßnahmen: Stadt Gelsenkirchen will sich Straßennetz ganz genau anschauen

Neumann will den „Masterplan Mobilität“ allerdings nicht nur als eine Auflistung von Maßnahmen verstanden wissen. „Es geht uns mit dem Plan vor allem auch um die grundsätzliche Betrachtung des Straßen- und Wegenetzes in Gelsenkirchen“, sagt er. „Wir haben viele sehr gut ausgebaute Hauptverkehrsstraßen mit vier Spuren. Aber die Frage ist doch: Ist das wirklich noch an jeder Stelle nötig?“ Heidenreich ergänzt: „Wir haben Bereiche in der Stadt, wo vierspurige Straßen im Nichts enden. Das muss man sich anschauen.“

Gelsenkirchens Stadtbaurat Christoph Heidenreich: „Ich bin kein Freund davon, Bilder zu malen, die man nicht in die Realität umsetzen kann.“
Gelsenkirchens Stadtbaurat Christoph Heidenreich: „Ich bin kein Freund davon, Bilder zu malen, die man nicht in die Realität umsetzen kann.“ © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Und zwar systematisch. Denn die Stadt hält wenig davon „mal zeitweise einen Pop-Up-Radweg auf der Kurt-Schumacher-Straße einzurichten, so für Chaos zu sorgen, aber sagen zu können: Man hat etwas für Radfahrer getan“, macht Neumann seine Skepsis in Sachen Ad-hoc-Maßnahmen deutlich. „Wir wollen das anders machen: Wir schauen uns jede Straße genau an, schauen uns potenzielle Nutzungskonflikte an und wollen erkennen, wo wir überdimensionierte, breite Straßen haben.“ Schließlich gehe es darum, eine „Gleichbehandlung“ von ÖPNV, Fahrrad, Auto und Fußverkehr in der Stadt hinzubekommen.

Verkehrswende in Gelsenkirchen ist wichtig für Klimaneutralität bis 2045

Der „Masterplan Mobilität“, für dessen Ausarbeitung das Planungsbüro „Planersocietät Dortmund“ beauftragt wurde, verzichtet allerdings darauf, genau zu benennen, um wie viel Prozent der Autoverkehr in Gelsenkirchen heruntergeschraubt werden soll. Einer Umfrage von 2020 zufolge hat der motorisierte Individualverkehr, also die Fahrt mit dem Privat-Pkw, einen Anteil von 57 Prozent am Verkehr in Gelsenkirchen. Elf Prozent entfallen jeweils auf ÖPNV und Fahrrad, 21 Prozent der Wege werden zu Fuß zurückgelegt. Es gibt keine Zielvorgabe, wie sich diese Aufteilung ändern soll.

Das Ziel sieht Stadtbaurat Christoph Heidenreich vielmehr in der Herstellung der Klimaneutralität bis 2045, die auch mit dem Klimakonzept, der großen Schwester des Masterplans, hergestellt werden soll. „Hier“, das betont Heidenreich, „gehört aber auch dazu, dass der Bund, das Land und die EU mit entsprechenden Fördermaßnahmen Leitlinien setzen.“ Die Verkehrswende könne Gelsenkirchen nicht alleine gestalten.

Über den „Masterplan Mobilität“ wird am Donnerstag (19. Januar) in einer gemeinsamen Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses debattiert. Eine finale Abstimmung über den Masterplan und das Klimakonzept erfolgt im Rat der Stadt am 9. Februar.

Beteiligung der Bürger

Der „Masterplan Mobilität“ sieht insgesamt acht Handlungsfelder für eine Mobilitätswende: 1. Kraftfahrzeug- und Wirtschaftsverkehr, 2. Weiterentwicklung des Bus- und Straßenbahnnetzes, 3. Radverkehr und Mikromobilität, 4. Fußverkehr, 5. Straßenraumgestaltung, 6. Barrierefreiheit, 7. Verkehrssicherheit, 8. Mobilitätsmanagement und Öffentlichkeitsarbeit.

Bei der Erstellung des Papiers wurden auch die Bürgerinnen und Bürger Gelsenkirchens beteiligt, unter anderem mit der Veranstaltung „Lass uns reden...“ und Online-Umfragen.