Gelsenkirchen. Heike Becker hat im „Kirchenkeller” der Kreuzkirche in Gelsenkirchen-Feldmark ein Angebot für Kinder geschaffen, das sie ans Lesen heranführt.

Dicht aneinandergedrückt sitzen zwei Jungs und zwei Mädchen auf einem Sitzsack. Da passen sie so gerade eben drauf. Sebastian sitzt mittig und hat ein großes Bilderbuch mit einer kleinen Geschichte auf seinem Schoß. Ganz mutig liest der Siebenjährige den anderen vor. Manchmal muss er sich auf ein Wort ziemlich konzentrieren. Dann aber liest er flüssig einen ganzen Satz. Erst seit ein paar Wochen übt er das regelmäßig im Leseclub im “Kirchenkeller” der Emmaus Kirchengemeinde in der Feldmark. Sein Lernerfolg ist ganz beachtlich.

Den so besonderen Club hat Heike Becker ins Leben gerufen. Weil die gelernte Kinderpflegerin bei ihrer Arbeit bei den wöchentlichen Treffs erfahren hat, dass die Kinder zu Hause kaum lesen, manchmal nicht ein einziges Buch besitzen. „Die Kinder haben mir bei unseren gemeinsamen Nachmittagen erzählt, dass sie in der Schule gemobbt werden. Sie haben mich um Hilfe gebeten.”

Das Lesen soll hier etwas Besonderes sein

Eine schwierige Aufgabe. Denn die Kleinen besuchen alle unterschiedliche Schulen und Klassen. „Also haben wir gemeinsam ein Buch geschrieben über den Umgang mit Mobbing. Die Geschichte heißt: Leon sagt Nein. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Kinder nicht gut lesen konnten.”

Heike Becker hat den Leseclub ins Leben gerufen.
Heike Becker hat den Leseclub ins Leben gerufen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Die Idee: Ein Leseclub könnte helfen, Anreize schaffen. Das Lesen soll hier etwas Besonderes sein. Es soll zelebriert werden. In einem eigenen Raum, eigens dafür eingerichtet. Dafür hat Heike Becker beim diesjährigen Bezirksforum Geld beantragt. Sie will davon zu Jahresbeginn ein Bücherregal kaufen und natürlich Lesestoff. Und weitere Sitzsäcke. Den ersten habe sie schon geschenkt bekommen, erzählt sie. „Ich starte so schnell wie möglich.”

Geschichten entführen in andere Welten

Lucas gehört zu den ersten Clubmitgliedern. „Ich kann schon ein halbes Buch lesen”, sagt der Siebenjährige stolz. Am Anfang habe sich der Junge nicht ans Lesen herangetraut, sagt Heike Becker. „Es macht Spaß”, verdeutlicht Lucas, wie schnell er sich in die Bücher verliebt hat. „Die Geschichten gefallen mir.” Was er bereits gelesen hat? „Die Schnecke Maxi.” Das hat Heike Becker selbst geschrieben.

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Die Geschichte hat es auch Darya angetan. Sie besucht die zweite Klasse, erzählt sie. Und sie lese auch zu Hause gern. Ehrensache, dass die Siebenjährige auch zu den Gründungsmitgliedern des Leseclubs gehört. „Ich liebe Geschichten.” Lesen Sie dazu: Schülerinnen und Schüler brauchen Leselernhelfer

Im nächsten Jahr soll ein Clubraum entstehen

Für die Kinder, die schon jetzt Mitglied im Club sind, hat Heike Becker kleine Clubausweise gebastelt. Das mache die Zugehörigkeit noch einmal mehr zu etwas Besonderem. Aufgenommen werden Grundschulkinder. Die Jüngeren, die auch mittwochs in den “Kirchenkeller” an der Pothmannstraße kommen, hören den Großen einfach zu. Das führt sie früh an Bücher heran und weckt die Vorfreude auf das eigenständige Lesen. Wer dem Medium Buch gar nichts abgewinnen kann oder gerade kreative Energie loswerden muss, soll im Nebenraum weiter am Programm teilnehmen können, dort basteln oder spielen.

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Sebastian liest weiter vom „Weihnachtszauber im Winterwald”. Das erzählt von einem kleinen Winterhasen und dessen Erlebnissen im verschneiten Wald. Die anderen drei lauschen. Sie sind ganz in den Bann der Erzählung gezogen. Wie sehr, das macht Lucas in einer Lesepause deutlich. Aus tiefstem Herzen spricht er: „Ich wünsche mir, ein Winterhase zu sein.”