Gelsenkirchen-Beckhausen. Der Abschied von dem katholischen Gotteshaus in Gelsenkirchen-Beckhausen steht unmittelbar bevor. Wer der Käufer ist und was er dort plant.
Totgesagte leben länger, heißt es. Aber irgendwann ist auch für sie die Zeit abgelaufen – wie im Fall des Gemeinde-Standorts Liebfrauen der katholischen Pfarrei St. Hippolytus. Nachdem die Aufgabe der Kirche wegen erfolgloser Investorensuche jahrelang verschoben worden war, melden die Verantwortlichen nun: Der lange angekündigte Abschied steht unmittelbar bevor.
Ende Januar 2023 geht das 6400 Quadratmeter große Grundstück mit Gotteshaus, Kirchvorplatz und Gemeindezentrum an der Horster Straße 301 in das Eigentum der Senioren-Wohnen Holding GmbH aus Berlin und Heidelberg über. Für die Gläubigen heißt das: In rund vier Wochen wird ihre 1911 eingeweihte und in der Nachkriegszeit wiederaufgebaute Liebfrauen-Kirche endgültig geschlossen. Der Abschlussgottesdienst mit Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck findet am Sonntag, 8. Januar, 10 Uhr, statt.
Geplantes Aus des Gelsenkirchener Gotteshauses steht schon seit 2015 fest
„Wir sind froh und dankbar, dass wir mit der Senioren-Wohnen Holding einen Investor gefunden haben, auf den wir uns verlassen können. Nach so vielen Jahren können wir nun endlich einen Schlusspunkt setzen und nach vorne blicken“, erklärte Pfarrer Wolfgang Pingel geradezu erleichtert bei einem Pressegespräch vor dem Hintergrund, „dass um uns herum derzeit reihenweise Käufer von Kirchen-Standorten abspringen wegen fehlender Genehmigungen und der Kostenexplosionen im Bausektor“, so Berthold Hiegemann, Projektleiter des Pfarreientwicklungsprozesses in St. Hippolytus.
Dass die Kirche samt einigen Nebengebäuden vermarktet werden sollte, steht schon seit 2015 fest. Damals hatte St. Hippolytus als eine von zwei Pilot-Pfarreien im Bistum Essen als Ergebnis eines rund zweijährigen Diskussionsprozesses als bischöflich abgesegnetes Votum verkündet: Mittelfristig soll nur noch die Pfarrkirche St. Hippolytus betrieben werden. Aber an allen weiteren Gotteshaus-Standorten werde es „Gasthäuser“ als „Erlebensorte des Glaubens“ geben.
Gelsenkirchener Pfarrei St. Hippolytus: „Ziehen uns nicht aus der Fläche zurück“
Das bekräftigten die Verantwortlichen jetzt noch einmal bei der Vorstellung der aktuellen Pläne: „Wir ziehen uns nicht aus der Fläche zurück, wir bleiben vor Ort“, betonte Pastor Bernd Steinrötter. Konkret heißt das: Der einstige Kindergarten bleibt der Pfarrei auch über den Verkauf hinaus erhalten und soll künftig als Raum sowohl für Gottesdienste als auch für andere Veranstaltungen dienen. Wie berichtet, wird er derzeit umgebaut. „Wenn alles glatt geht, können wir ihn ab dem Frühjahr nutzen“, so Steinrötter.
Die etwa drei Monate, in denen am Standort Liebfrauen keine Gottesdienste angeboten werden können, sollen mit Hilfe der Kirche St. Clemens Maria Hofbauer in Sutum überbrückt werden. „Dort wollen wir im 14-tägigen Rhythmus Gottesdienst feiern“, kündigt Pfarrer Pingel an. Dass dieses Gotteshaus bis auf Weiteres noch genutzt werden kann, sei auch der Kooperation mit der Rumänisch-Orthodoxen Gemeinde zu verdanken, mit denen sich die Beckhausener vor Ort die Räume seit Ende 2021 teilen.
Gelsenkirchener Pfarrhaus und Kindergarten fließen nicht in Verkaufsmasse
Das weiter hinten gelegene Pfarrhaus und der ehemalige Kindergarten fließen also nicht in die Verkaufsmasse ein. Sie sollen auch während der Bauarbeiten über eine entsprechende Zuwegung erreichbar sein.
Der Investor will unterdessen nach dem Abriss von Kirche und Gemeindezentrum zwei Neubauten errichten, die drei unterschiedliche Formen altersgerechten Wohnens bzw. Begleitens bieten sollen: eigenständiges betreutes Wohnen, Pflege-Wohngemeinschaften sowie eine Tagespflege-Einrichtung.
Investor will in Gelsenkirchen „selbstbestimmtes Wohnen ermöglichen“
Ziel sei es, „das Pflegeangebot für ältere Menschen zu verbessern und altersgerechtes und selbstbestimmtes Wohnen zu ermöglichen“, heißt es von Seiten der SW Holding, die mit dem Vorhaben an Liebfrauen ihr erstes Projekt in NRW verwirklicht. Bislang ist die Projektentwicklungsgesellschaft der advita Pflegedienst GmbH in acht Bundesländern tätig. Advita wird auch als „möglicher Mieter“ genannt.
Nach jetzigen Planungen soll das dreigeschossige Hauptgebäude (plus Staffelgeschoss) die Tagespflege, den ambulanten Dienst, zwei Wohngemeinschaften mit jeweils zwölf Plätzen sowie mehrere Service-Wohnungen umfassen. Im zweigeschossigen Stadthaus (plus Staffelgeschoss) sind zwei Wohngemeinschaften und mehrere Service-Wohnungen vorgesehen. Wie die Projekt-Verantwortliche Katharina van den Boom erläutert, sind zum großen Teil bodentiefe Fenster vorgesehen.
Was aus dem Liebfrauen-Kirchturm als Gelsenkirchener Landmarke werden soll
Ob der Kirchturm als „Landmarke“ erhalten bleiben kann, steht noch nicht ganz fest. Im aktuellen Entwurf werde dies zwar angestrebt, teilt die SW Holding mit – darauf hat die Pfarrei immer wieder gedrängt –, eine statische und wirtschaftliche Überprüfung stünden aber noch aus, so van den Boom. Vereinbart sei jedenfalls, so Hiegemann, die Glocken im Turm zu belassen, aber durch eine Fixierung der Schlegel außer Betrieb zu setzen, um die Stabilität nicht noch zusätzlich zu beeinträchtigen.
So wichtig der Pfarrei der Turm auch ist. Pfarrer Pingel stellte trotzdem klar: „Wir werden den für uns so wichtigen Verkauf nicht daran scheitern lassen, dass dessen Erhaltung vielleicht aus technischen Gründen nicht möglich ist.“
Ein gewisser Vorplatz-Charakter soll aber offenbar gewahrt bleiben, auch wenn die neue Bebauung näher Richtung Horster Straße rücken wird. „Wir möchten den Bürgerinnen und Bürgern erneut einen Treffpunkt schaffen, um sich auszutauschen.“
Die letzten Veranstaltungen in der Liebfrauen-Kirche
Schon seit Sommer bereitet die Pfarrei St. Hippolytus den Abschied von der Liebrauen-Kirche mit Hilfe von Ehrenamtlichen vor. Geplant ist, viele Gegenstände und liturgischen Geräte an andere Orte innerhalb der Pfarrei zu bringen. Für Kirchenorgel und -bänke werden noch neue Nutzungen bzw. Käufer gesucht.
Seit Oktober findet zudem die Veranstaltungsreihe „Moments – Erinnerungen, die bleiben“ mit musikalischen Gästen statt. Am Sonntag, 18. Dezember, 17 Uhr, tritt etwa der Junge Chor Beckhausen unter der Leitung von Wolfgang Wilger auf.
Bis zur Profanierung am 8. Januar lädt die Pfarrei zu Segenszeiten ein, die einzelne Kirchenfenster zum Thema haben (7./14./21. Dezember, jeweils 18 Uhr); „Lasst uns miteinander“ heißt es beim Abendlob am Freitag, 16. Dezember, 17 Uhr; beim Erzählcafé am Mittwoch, 28. Dezember, 15 Uhr, können Interessierte von Erlebnissen berichten, die sie mit der Liebfrauenkirche verbinden, diese werden dann für eine Dokumentation festgehalten.
Für das letzte Weihnachtsfest in Liebfrauen sind mehrere Gottesdienste geplant: Heilig Abend, 24. Dezember, 15.30 Uhr und 22 Uhr; 25. Dezember, 11 Uhr; 1. Januar, 17 Uhr; 6. Januar, 19 Uhr.