Gelsenkirchen. Ein breites Bündnis forderte vom Bund, bei Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose nicht zu sparen. Nun ist klar, wie viel Geld bereitsteht.

Der „Gelsenkirchener Appell 2.0“ scheint auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein: Nachdem ein breites Bündnis aus Verwaltung, Parteien, Wohlfahrtsverbänden und Gemeinden Mitte November den Bund dazu aufgefordert hat, bei den Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose nicht zu sehr zu sparen, ist nun klar: Die Haushaltsmittel für den sogenannten sozialen Arbeitsmarkt sind gesichert. Allerdings nicht in der geforderten Höhe.

Natürlich sei es nicht nur die laute Stimme aus Gelsenkirchen gewesen, natürlich sei das Ministerium von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ohnehin sehr erpicht gewesen, den sozialen Arbeitsmarkt nicht kaputtsparen zu lassen. Aber: „Den Druck aus Gelsenkirchen hat man in Berlin durchaus gespürt“, behauptet Gelsenkirchens direkt gewählter Bundestagsabgeordneter Markus Töns (SPD). „Der Appell war zum richtigen Zeitpunkt eine gute Hilfe“, sagt er mit Blick auf die Bereinigungssitzung zum Haushalt 2023.

Haushaltsmittel für den sozialen Arbeitsmarkt: So rechnet das Jobcenter Gelsenkirchen

Was Töns nun einen „besonderen Erfolg“ nennt, heißt in Zahlen grob: Die Eingliederungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose über den sozialen Arbeitsmarkt, die erst überhaupt nicht im Haushaltsentwurf auftauchten, sind nun mit rund 300 Millionen Euro beziffert. Hinzukommt ein Plus von 200 Millionen Euro für Verwaltungsleistungen.

Für das Gelsenkirchener Jobcenter heißt das laut Geschäftsführerin Anke Schürmann-Rupp: „Wir haben nicht so viele Mittel wie im vergangenen Jahr, aber die Kürzung ist weit weniger schlimm, als wir das zunächst befürchtet haben.“ Die Angebote müssen im Jobcenter also durchaus reduziert werden, „aber wir können eine Million Euro zusätzlich für den sozialen Arbeitsmarkt einplanen“, so die Jobcenter-Chefin. „Damit werden wir auch wieder Geld haben für neue Stellen, das ist das Wichtige.“

Anke Schürmann-Rupp, Geschäftsführerin des Gelsenkirchener Jobcenters zu den Haushaltsmitteln für den sozialen Arbeitsmarkt: „Die Kürzung ist weit weniger schlimm, als wir das zunächst befürchtet haben.“
Anke Schürmann-Rupp, Geschäftsführerin des Gelsenkirchener Jobcenters zu den Haushaltsmitteln für den sozialen Arbeitsmarkt: „Die Kürzung ist weit weniger schlimm, als wir das zunächst befürchtet haben.“ © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Was mit den Stellen gemeint ist: Über den 2019 geschaffenen sozialen Arbeitsmarkt erhalten Unternehmen über eine maximale Laufzeit von fünf Jahren Anreize für die Einstellung von Langzeitarbeitslosen, die so den Wiedereinstieg ins Berufsleben schaffen sollen. 648 solcher geförderter Stellen gibt es aktuell in Gelsenkirchen – in Branchen wie Erziehung und Hauswirtschaft, Gartenbau und Floristik, Verkehr und Logistik, Sicherheit und Straßenreinigung, in der freien Wirtschaft wie bei kommunalen Arbeitgebern. Bei den Jobs handelt es sich nicht um sogenannte „Ein-Euro-Jobs“, gezahlt wird Mindestlohn oder Tarif.

Gelsenkirchener Träger warnen: Ohne angemessene Gelder für Eingliederung droht der Fall in Perspektivlosigkeit für viele

Diese über die sogenannte „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ geschaffenen Stellen sind jedoch nur ein Teil von dem, was unter dem Bereich der Eingliederungshilfen fällt. Dazu gehören auch Weiterbildungen, Leistungen zur Eingliederung von Menschen mit Behinderung und weitere Hilfen, die Arbeitslose helfen sollen, wieder eine Beschäftigung zu finden. Und was diese Mittel angeht, muss das Jobcenter im kommenden Jahr insgesamt eine Kürzung verkraften: Laut Schürmann-Rupp geht es um 1,5 Millionen Euro weniger – 51,5 statt 53 Millionen Euro.

Das sagt DGB-Chef Rosendahl

„Auch durch unsere geleistete Überzeugungsarbeit scheint ein Sinneswandel in Berlin vonstattengegangen zu sein“: So interpretiert auch Marc Rosendahl, Geschäftsführer der Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Emscher-Lippe, die nun eingestellten Haushaltsmittel für den sozialen Arbeitsmarkt. Insgesamt sei jedoch nicht nur aus der Emscherstadt, sondern von Abgeordneten aus dem gesamten Ruhrgebiet ein entsprechender Druck ausgegangen.

Doch Rosendahl gesteht zugleich ein: „Komplett durchgesetzt haben wir uns nicht, da die Mittel nicht in der gleichen Höhe zur Verfügung stehen wie im Jahr davor. Aber wir werden daran arbeiten, dass wieder an die alten Zahlen angeknüpft wird“, kündigte der DGB-Chef bereits mit Blick auf die Haushaltsberatungen für 2024 an.

Was die Kürzungen, die sich daraus als Konsequenz ergeben, für einzelne Eingliederungsmaßnahmen konkret bedeuten, lässt sich aktuell noch nicht sagen. Darauf macht auch Dieter Paeßens, stellvertretender Leiter der Katholischen Jugendsozialarbeit (KJS) Gelsenkirchen aufmerksam, der deswegen auf WAZ-Nachfrage noch nicht zu einer Bewertung der Neuigkeiten aus Berlin kommen möchte.

Die KJS und andere Träger von öffentlich geförderte Beschäftigungen wie Gelsensport, die Gafög, Lux Cultus, Tax die Diakonie und die Caritas hatten – fast parallel zum zweiten Gelsenkirchener Appell – ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie darauf aufmerksam machten, dass ohne finanziell gesicherte Förderung noch mehr arbeitslose Menschen in eine „gravierende Perspektivlosigkeit abgleiten“ könnten.