Gelsenkirchen. Zeitreise in die Landesgeschichte: Das MuseumMobil des Hauses der Geschichte macht in Gelsenkirchen Station. Bürger können sich beteiligen.

Wer bei Geschichte nur an schlechten Schulunterricht und langweilige Bücher denkt, war womöglich lange nicht mehr in einem Museum – hat aber nun die Gelegenheit, sich positiv überraschen zu lassen: Noch bis Sonntag, 13. November, macht das MuseumMobil des Hauses der Geschichte NRW vor dem Hans-Sachs-Haus Station. Dabei laden Historiker nicht nur ein, Geschichte(n) des Landes neu zu entdecken. Sie wollen auch selbst schlauer werden, sind deshalb ganz Ohr und nehmen mit, was sie kriegen können.

Was die Gelsenkirchener da in einem 13-Quadratmeter-Container in 53 Vitrinen bestaunen können, sind unterschiedlichste Objekte, Dokumente und Fotos aus der Sammlung des Hauses der Geschichte in Düsseldorf, die NRW-Zeitgeschichte geschrieben haben. Sie stammen aus allen Landesteilen und werfen spannende Schlaglichter auf das Leben und Arbeiten in diesem „Bindestrich-Land“, das im August 1946 per britischer Verordnung gegründet wurde. Dabei sind es gerade die Alltagsgegenstände, die NRW-Historie erzählen und deutlich machen: Geschichte passiert nicht einfach, sie wird von allen Menschen „gemacht“.

Stein aus Solinger Haus von Familie Genc wird in Gelsenkirchen gezeigt

Tiefer eintauchen in die Geschichte der ausgestellten Objekte, Fotos und Dokumente können die Besucherinnen und Besucher des MuseumMobils mit Hilfe digitaler Medien. Per Touchscreen sind detailliertere Informationen abrufbar, erklärten Prof. Heinrich Theodor Grütter und Dr. Gabriele Uelsberg (beide Präsidium Stiftung Haus der Geschichte NRW) Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge.
Tiefer eintauchen in die Geschichte der ausgestellten Objekte, Fotos und Dokumente können die Besucherinnen und Besucher des MuseumMobils mit Hilfe digitaler Medien. Per Touchscreen sind detailliertere Informationen abrufbar, erklärten Prof. Heinrich Theodor Grütter und Dr. Gabriele Uelsberg (beide Präsidium Stiftung Haus der Geschichte NRW) Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Da ist etwa der braune Lederkoffer der zweijährigen Roswitha Möller, die 1945 mit ihrer Mutter von Danzig Richtung Westen floh. Oder ein Töpfchen grüner Stempel-Farbe von Bayer, die einem Leverkusener 1967 half, den Ausweis seiner DDR-Freundin so zu fälschen, dass ihr die Flucht glückte.

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Eines der emotionalsten Exponate dürfte ein angesengter Stein aus dem Haus der Solinger Familie Genc sein. Von Rechtsextremen am 29. Mai 1993 angezündet, brannte es völlig aus, fünf Menschen wurden bei dem rassistischen Anschlag getötet.

Beim „Sammelsamstag“ am 12. November können Gelsenkirchener Objekte beisteuern

Friedlich vereint hängen eine königsblaue S04-Fan-Kutte und ein BVB-Schal im MuseumMobil nebeneinander, das gerade in Gelsenkirchen Station macht.
Friedlich vereint hängen eine königsblaue S04-Fan-Kutte und ein BVB-Schal im MuseumMobil nebeneinander, das gerade in Gelsenkirchen Station macht. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Dass Geschichte sich manchmal zu wiederholen droht, dokumentiert derweil die Ausnahmegenehmigung einer Mülheimerin, die 1985 aus dienstlichen Gründen trotz Smogs Auto fahren durfte. Aktueller geht’s kaum in Zeiten des Klimawandels.

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Das Besondere am MuseumMobil: Abgeschlossen ist die Ausstellung noch längst nicht. Besucherinnen und Besucher sind vielmehr aufgerufen, sich mit persönlichen Objekten und ihrer speziellen NRW-Geschichte am Aufbau der Sammlung des Hauses der Geschichte zu beteiligen. Dieses entsteht gerade im Behrensbau am Düsseldorfer Rheinufer. Am „Sammelsamstag“, 12. November, 14 bis 17 Uhr, stehen Experten vom Haus der Geschichte im Hans-Sachs-Haus-Foyer bereit, Objekte entgegenzunehmen und die dazu gehörigen Geschichten zu notieren.

Gelsenkirchener OB schenkte historisches Foto und Uhr aus altem Hans-Sachs-Haus

Oberbürgermeisterin Karin Welge machte bei der Eröffnung schon mal den Anfang: Sie steuerte eine Wanduhr sowie ein historisches Foto des einstigen Foyers des Ratssaales im Hans-Sachs-Haus bei, in dem der Zeitmesser bis zur sanierungsbedingten Schließung Ende 2002 hing.

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Dass darauf nur wenige Frauen, aber umso mehr Männer im Zigarrenrauch vor (leeren) Bierflaschen zu sehen sind, wertete sie als Beleg, „dass früher eben nicht alles besser war.“ Dr. Gabriele Uelsberg vom Präsidium Stiftung Haus der Geschichte kündigte an, sie zunächst samt Foto im MuseumMobil zu platzieren.

Ihr Präsidiums-Kollege Prof. Heinrich Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museums Essen, freute sich als gebürtiger Gelsenkirchener, dass seine Heimatstadt die zweite Station des MuseumMobils ist. „Gelsenkirchen ist in Bezug auf den Strukturwandel eine ganz wichtige Stadt.“

Das MuseumMobil, Ebertstraße 11, ist noch bis Sonntag, 13. November, 10 bis 18 Uhr, geöffnet. Dort gibt’s ebenso wie im Hans-Sachs-Haus-Foyer Mitmachaktionen und Begleitungen für Kinder und Erwachsene. Alle Angebote sind kostenfrei.

Lesung und Talk über Rolle Gelsenkirchens in der Region

Weitere Veranstaltungen flankieren die Ausstellung im MuseumMobil: Am Freitag, 4. November, 18 Uhr, lesen junge Geflüchtete in der VHS, Eberstraße 19, aus ihren Büchern.

Am Donnerstag, 10. November, 19 Uhr, heißt es im Hans-Sachs-Haus-Talk „Mittendrin oder doch am Rand? Gelsenkirchen als ,Labor für alles’ in NRW“: Wie Stadt und Menschen auf Veränderungen reagiert haben, diskutieren Prof. Dr. Stefan Berger (Institut für soziale Bewegung/Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets, Bochum), Prof. Heinrich Theodor Grütter (Haus der Geschichte), Dr. Daniel Schmidt (Institut für Stadtgeschichte, GE), Dr. Uta C. Schmidt (frauen/ruhr/geschichte, Essen) und Prof. Dr. Malte Thießen (LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, Münster). Anmeldung: www.hdgnrw.de