Gelsenkirchen. Gelsenkirchen fehlt nach dem Aus für Saturn ein großer Elektrofachmarkt. Wie die Mitarbeitenden jetzt um ihre Abfindung kämpfen.
Saturn in Gelsenkirchen ist Geschichte. Nach dem Aus in Buer im Herbst 2021, schlossen sich auch in der Altstadt die Türen des Elektrofachmarktes in diesem Sommer. Und die Mitarbeiter? „Die kämpfen seitdem um ihre Abfindungen“, wie der Betriebsratsvorsitzende Guido Ballay sagt. Die Verhandlungen verliefen zäh, die Positionen beider Seiten liegen nach Angaben des Gewerkschafters weit auseinander.
Knackpunkt im Kampf um einen finanziellen Ausgleich durch den Verlust des Arbeitsplatzes ist, welcher Faktor bei der Berechnung der Abfindungen angewendet wird. In der Rechtsprechung hat sich ein halbes bis volles Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr durchgesetzt. Ein Faktor um 0,5 wird oft auch als Regelabfindung oder Haustarif bezeichnet.
Saturn Gelsenkirchen: Für 28 Mitarbeitende geht es um mehr als eine halbe Million Euro
Nahe bei der Regelabfindung ist die Forderung des Gelsenkirchener Betriebsratsvorsitzenden von Saturn, Guido Ballay, angesiedelt. „Wir legen den Faktor 0,65 für jedes Beschäftigungsjahr zugrunde.“ Von Konzernseite geboten worden sei allerdings nur der Faktor 0,2 mit der Option, auf 0,3 zu erhöhen. Das sei allerdings mit der verbindlichen Zusage der Mitarbeitenden verknüpft, auf eine Kündigungsschutzklage zu verzichten.
Saturn selbst macht dazu und zu weiteren Anfragen keine Angaben. Mehrfache Anfragen dieser Redaktion wurden nicht beantwortet.
Eine Beispielrechnung zeigt die finanziellen Dimensionen des laufenden Abfindungsstreites in Gelsenkirchen: Von den 28 Mitarbeitenden in Gelsenkirchen blicken nach Angaben Ballays die meisten auf mehr als zehn Jahre Betriebszugehörigkeit zurück. Bei einem Monatsgehalt von 3000 Euro brutto und einer Regelabfindung mit dem Faktor 0,5 geht es letztlich um mehr als eine halbe Million Euro.
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Das sollte unternehmerisch zu stemmen sein, könnte man meinen. Doch Europas größte Elektronikhandelsketten Media Markt und Saturn haben zuletzt deutliche Rückgänge bei Umsatz und Gewinn verbucht. Nicht zuletzt deshalb wurden in Deutschland 13 Filialen gestrichen, gingen 1000 Arbeitsplätze verloren. Und: Dem Vorbild von Amazon folgend, sollen künftig europaweite Großfilialen und der Online-Handel maßgeblich für positive Ergebnisse sorgen, die Stadtfilialen sollen dafür schrumpfen.
Unter dem Strich wies Ceconomy, Eigentümer der beiden Ketten, für das dritte Geschäftsquartal 2021/2022 einen von 76 Millionen auf 95 Millionen Euro gestiegenen Verlust aus. Für das gesamte Geschäftsjahr 2021/22 per Ende September erwartet der Konzern deshalb nur einen Umsatz auf Vorjahresniveau (21,4 Milliarden Euro).
Vorwurf: Mietvertragskündigung ohne Betriebsrat-Info – Klage vorbehalten
Je länger sich der Streit um die Abfindungen in Gelsenkirchen hinzieht, desto teurer könnte es am Ende werden. Zumindest deutete Betriebsratschef Guido Ballay an, dass „immer mehr Kolleginnen und Kollegen zu einer Kündigungsschutzklage bereit sind“. Aktuell seien es gut ein Drittel.
Besonders bitter im Gezerre um Abfindungen stößt laut Betriebsrat bei der Mitarbeiterschaft der Umstand auf, dass drei Tage vor der Schließung der City-Filiale in Gelsenkirchen zum 30. Juni am Firmensitz in Ingolstadt noch eine große Sommerparty „mit Ray Garvey, Nico Santos und Deichkind gefeiert wurde“. „Die spielen live auch nicht für ein Butterbrot“, so Guido Ballay. Und: Sommer wie Winter soll diese Feier fest im Terminkalender des Konzerns verankert werden.
Front macht der Betriebsrat möglicherweise juristisch auch noch in anderer Sache. Hintergrund ist die Kündigung des Mietvertrages von Saturn im Galeria-/Kaufhof-Gebäude an der Bahnhofstraße, „die, ohne den Betriebsrat zu informieren, gemacht worden ist“, sagt Ballay. „Also entgegen der gesetzlichen Vorgabe.“ Man behalte sich deshalb rechtliche Schritte vor. Für die rund 3800 Quadratmeter in bester City-Lage schlugen monatlich rund 50.000 Euro Miete zu Buche.
Hoffnung habe der Gelsenkirchener Saturn-Belegschaft die Nachricht gemacht, berichtet der Betriebsrat, dass nach der Schließung von Saturn in Bergisch-Gladbach ein Media-Markt kurz darauf vor Ort aufgemacht habe. Gedämpft werde der Lichtblick aber dadurch, „dass die Unterbringung der Mitarbeitenden in anderen Filialen augenscheinlich nicht zum festen Plan der Geschäftsführung gehört“, so Ballay weiter. Jeder könne sich woanders bewerben, habe man ihnen lediglich gesagt. „Genommen worden ist meines Wissens nach so gut wie keiner.“