Gelsenkirchen. Stress bei der Gelsenkirchener FDP und den Jungen Liberalen? Davon wollen die neuen JuLi-Vorsitzenden nichts wissen – und nach vorne schauen.
Dass es innerhalb der Gelsenkirchener FDP zuletzt wenig friedlich zuging, das zeigte die vergangene NRW-Landtagswahl überdeutlich: Die beiden liberalen Kandidierenden Isabell Scharfenstein (30) und Ralf Robert Hundt (57) hielten ihre Wahlpartys in unterschiedlichen Örtlichkeiten ab, zeigten sich nicht zusammen – selbst als Justizminister Marco Buschmann und der damalige Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp Gelsenkirchen besuchten. Scharfenstein hatte bei den FDP-Vorstandswahlen ganz plötzlich und ohne Vorankündigung kandidiert und Fraktionschefin Susanne Cichos bezwungen, die anschließend von einem „hinterhältigen und unkollegialen“ Manöver sprach. Sind die Querelen jetzt auch beim liberalen Jugendverband, bei den Gelsenkirchener JuLis, angekommen?
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Das ist zumindest der erste Eindruck, wenn man sich die jüngsten Personalwechsel beim FDP-nahen Nachwuchs vergegenwärtigt: Timo Stiehl, der bisherige Chef der JuLis, hat sich im September überraschend nicht mehr zur Wahl gestellt und hat sich auch in der Fraktionsarbeit zurückgezogen: Für die FDP war unter anderem als sachkundiger Bürger im Verkehrsausschuss aktiv. Zu den Nachfolgern von Stiehl, der als Scharfenstein-nah gilt, wurden nun gewählt: der 21-jährige Jonas Holdkamp und Indra Garbe, ebenfalls 21 Jahre jung, aber als Tochter des liberalen Bezirksverordneten Thorsten Garbe mit der älteren FDP-Riege verbunden.
Warum sich der alte JuLi-Chef in Gelsenkirchen plötzlich verabschiedet hat
Als Rückschlag der fraktionsnahen Liberalen gegen die aufstrebenden Liberalen um Isabell Scharfenstein will Indra Garbe ihre Wahl in die neue JuLi-Doppelspitze allerdings nicht verstanden wissen. „Wir spüren keine Lagerbildung“, sagt sie im WAZ-Gespräch. Warum Timo Stiehl Distanz zu den JuLis gesucht hat, wisse sie selber nicht. „Ich finde aber schade, dass er nicht mehr dabei ist. Er hat gute Arbeit geleistet.“
Auf WAZ-Nachfrage erklärt Stiehl sich: Durch private, wie berufliche Veränderungen – gerade als Berufseinsteiger – habe sich der Diplom-Finanzwirt nicht mehr in der Lage gesehen, den JuLi-Vorstand und die Arbeit im Ausschuss „pflichtbewusst und angemessen“ auszuüben. „Als 23-Jähriger steht man gerade noch am Anfang seines ganzen Lebens: Familie, Freunde, Beziehung, Vollzeitjob, Ehrenamt und Hobbies gerecht unter einen ,Hut’ zubekommen, ist oft nicht einfach“, so Stiehl, der weiterhin Beisitzer im Kreisvorstand der FDP ist.
Nur warum wissen die neuen Vorsitzenden über diese Gründe offenbar nichts? „Ich habe meine Beweggründe der Landesgeschäftsstelle der JuLis NRW entsprechend mitgeteilt und der neue Kreisvorstand wusste dies meines Wissens ebenso“, behauptet Stiehl. Grundsätzlich sei es aber auch einfach kein großes Thema gewesen, „ziemlich irrelevant“ gar. „Da die JuLis ein Jugendverband sind, ist die Fluktuation immer schon ziemlich hoch gewesen, als normales Mitglied oder als Mitglied in einem Vorstand.“
Diskothek in Buer? Bessere WH-Anbindung? Was den neuen JuLi-Vorstand interessiert
Die neuen JuLi-Vorsitzenden jedenfalls wollen nach vorne schauen. Und zwar mit dem ganz konkreten Blick auf Gelsenkirchen. „Wir haben andere Ansprüche an uns, als etwa die Bundespolitik der FDP zu kommentieren“, sagt Jonas Holdkamp auf Fragen nach der aktuell misslichen Lage der Liberalen, die mit der Niedersachsen-Wahl zuletzt erneut eine dicke Niederlage einstecken mussten. „Wir wollen Ansprechpartner für alle jungen Gelsenkirchener sein, die Ideen haben.“
Holdkamp selbst zum Beispiel ist es wichtig, Ideen zur besseren Anbindung der Westfälischen Hochschule an die Stadt zu entwickeln. „Das ist mir ein großes Anliegen“, sagt der junge Mann aus Erle, der selbst Wirtschaft an der WH studiert, obwohl er – wie seine Zwillingsschwester – auch in Münster hätte studieren können. In Gelsenkirchen jedoch, da fühle er sich wohl. „Ich möchte, dass man auch andere Menschen aus der WH hier in Gelsenkirchen hält, dass man für sie Anreize schafft und ihnen zeigt: Hier hast du tolle Möglichkeiten.“
„Gelsenkirchen mag einem als Lehrkraft viel aberverlangen, aber hier kann man auch viel rausholen“
Auch Indra Garbe zieht es nicht weg aus der Stadt – was für ihre Zunft nicht gerade üblich ist. Denn die Schaffratherin will Lehrerin werden, studiert die Fächer Deutsch und Bio an der Uni Duisburg-Essen, und kann sich – im Gegensatz zu vielen anderen Lehrkräften in der unter Personalmangel leidenden Emscherstadt – gut vorstellen, hier auch nach Abschluss des Studiums an einem Gymnasium oder einer Gesamtschule zu unterrichten. „Gelsenkirchen mag einem als Lehrkraft viel abverlangen, aber man kann hier auch viel rausholen, viel erreichen.“
Politisch will Garbe das Leben in Gelsenkirchen vor allem für Gleichaltrige und jene Gruppe verbessern, die sie künftigen unterrichten will: „Was mir total am Herzen liegt: Gute Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche“, sagt sie und meint damit etwa eine Diskothek in Buer, aber auch mehr Angebote für Mehrgenerationen-Treffen, bei denen Teenager und Ältere zusammenfinden und voneinander lernen können. Inzwischen kann Garbe auch schon konkret politisch auf ihrem favorisierten Feld arbeiten: Seit kurzer Zeit ist sie Mitglied im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familien sowie im Betriebsausschuss Gekita.
Neuer Gelsenkirchener JuLi-Vorstand hat Stammtisch ins Leben gerufen
Wichtig ist dem neuen JuLi-Vorstand auch, „einen regelmäßigen Austausch“ unter den rund 90 JuLi-Mitgliedern in Gelsenkirchen zu festigen, wie Jonas Holdkamp betont. Jeden ersten Mittwoch im Monat um 19 Uhr ist jetzt ein offener Stammtisch im „Lokal ohne Namen“ (Hagenstraße 56) geplant, das nächste Mal am 2. November. Holdkamp und Garbe wollen dort künftig auch Speaker einladen (Holdkamp: „Vielleicht ja mal Bundesjustizminister Marco Buschmann“), Rhetorik-Seminare anbieten oder die Frage beantworten, wie man eigentlich politische Anträge formuliert.