Gelsenkirchen. In Gelsenkirchen muss an Grund- und Förderschulen der Unterricht gekürzt werden mangels Lehrkräften. Das ist ein Skandal. Ein Kommentar.

Und wieder beginnt ein Schuljahr, in dem es zu wenige Lehrkräfte in Gelsenkirchen gibt, um allen Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihren Voraussetzungen eine solide Grundbildung zu vermitteln. Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine doppelte Klassenleitung und kleine Klassen zu guten Lernergebnissen führen. Wobei doppelte Klassenleitung meint, dass zwei Lehrer eine Klasse leiten. In Gelsenkirchen wird es nun an neun Grundschulen das Gegenteil geben: Ein Klassenlehrer/eine Klassenlehrerin wird für zwei Klassen zuständig sein. Wie er oder sie bei im Schnitt 23, in der Realität aber oft auch 25 Kindern je Klasse individuell fördern soll im Sinne von Bildungsgerechtigkeit, kann wohl niemand erklären. Dass nun sogar der Unterricht gekürzt wird, ist ein Skandal.

Der dramatische Mangel ist zu ungleich verteilt

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Es ist ein Armutszeugnis für unser reiches Land, dass Kinder, von denen viele gerade in Gelsenkirchen oft nicht einmal die Sprache gut beherrschen und daheim wenig bis keine Förderung in Sachen Bildung erwarten können, so allein gelassen werden. Ein Blick auf die unbesetzten Lehrerstellen in Münster und in münsterländischen Kreisen zeigt: Es gibt insgesamt zu wenige ausgebildete Pädagogen.

WAZ-Redakteurin Sibylle Raudies.
WAZ-Redakteurin Sibylle Raudies. © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Aber: Der Mangel ist sehr ungleich verteilt. Anteilig sechsmal so viele unbesetzte Stellen in Gelsenkirchen wie in Münster – das kann nicht richtig sein. Zumal die Mehrzahl der Kinder im Münsterland einen wohl solideren sozialen Hintergrund hat als jene in Gelsenkirchen. Die Erkenntnis, dass Ungleiches ungleich zu fördern ist, Kinder aus sozial schwachen Familien deutlich mehr Unterstützung bekommen müssen, muss sich auch in Besetzungsquoten niederschlagen. Gelsenkirchen braucht relativ mehr Lehrkräfte als Münster, nicht weniger. Dass der Mangel nun durch Abordnungen innerhalb der Stadt gelindert werden muss, um wenigstens überall Unterricht in den Kernfächern gewährleisten zu können, dürfte für viel Unruhe sorgen.

Versetzung auch ohne Zustimmung möglich

Die neue Ministerin hat noch viel zu tun, wenn sie ihrem eigenen Anspruch gerecht werden möchte. Ein unangenehmer, aber möglicher Weg wäre, Abordnungen von Lehrkräften auch ohne deren Zustimmung in die Wege zu leiten via Listenverfahren. Das ist ausdrücklich möglich, solange Personalräte kein Veto einlegen. Und es kann auch nicht im Sinne von Personalräten sein, Lehrerkollegien in Städten wie Gelsenkirchen in Situationen zu treiben, in denen sie ihrem Auftrag, Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen, nicht erfüllen können. Eine gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, dass freiwillige oder auch unfreiwillige Wechsel in Mangelregionen wie Gelsenkirchen auch finanziell belohnt werden, sollte da kein Problem sein. Die Bezahlung nach A13 ist ein guter erster Schritt. Aber er reicht nicht.

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