Gelsenkirchen. In zwei Jahren soll der Gelsenkirchener Sellmannsbach neu erschaffen werden – weg von der Kloake, hin zu mehr Natur. So sehen die Pläne aus.

Der typische Modergeruch begleitete Bewohner in Emschernähe oder an stinkenden Zuflüssen seit Jahrzehnten. Damit ist es vorbei, die Luft ist längst im Wandel. Während die Emscher bereits in gigantischen Betonröhren bis zu 40 Meter unter der Erde untergetaucht ist, kehrt die Natur allmählich auch zu den Zuflüssen zurück. Abwasserbefreit sind sie ohnehin schon. Jetzt gilt es, sie zu einer Flusslandschaft zu gestalten als Lebens- und Erlebnisräume für Spaziergänger und Radfahrer, ohne hohe Zäune und steile Böschungen.

Gelsenkirchener Sellmannsbach: weniger Kloake, hin zu mehr Natur

Einer der Zuflüsse ist in Bulmke-Hüllen der Sellmannsbach. Bisher floss die übelriechende Brühe über Bismarck und Schalke-Nord bis zur Emschermündung westlich der Kurt-Schumacher-Straße. Die Stadt, Emschergenossenschaft, Abwassergesellschaft Gelsenkirchen (AGG) hatten in die Gemeinschaftsgrundschule Dörmannsweg zur Bürgerinformation eingeladen. Gut 50 Bürgerinnen und Bürger erfuhren aus erster Hand, wie die ökologische Verbesserung und Umgestaltung des Sellmannsbachs erreicht werden soll. Nach der Theorie erläuterten die Fachleute bei einem Spaziergang vor Ort, wie sich Landschaftsbild und Bachlauf verändern werden.

Weniger Kloake, mehr Natur: Der Gelsenkirchener Sellmannsbach soll ab November renaturiert werden. Die Pläne wurden jetzt den Bürgerinnen und Bürgern bei einem Spaziergang erläutert.
Weniger Kloake, mehr Natur: Der Gelsenkirchener Sellmannsbach soll ab November renaturiert werden. Die Pläne wurden jetzt den Bürgerinnen und Bürgern bei einem Spaziergang erläutert. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

In zwei Bauabschnitten planen AGG und Emschergenossenschaft die Renaturierung des Sellmannsbachs und des Uferbereichs. Ziel der Planungsstrategen, Bauausführer und Landschaftsarchitekten ist die Schaffung eines erlebbaren Raumes, der sich deutlich von dem bisher statisch und schmal verlaufenden Bachbett unterscheiden wird.

Zunächst muss der Bach von seiner betonierten Sohlschale befreit werden. Das Abflachen der Böschungen wird nicht an allen Bachabschnitten wegen der unterschiedlichen Grundbreite einfach sein. Zwischen Burgers- und Bulmker Park reißen die Planer zunächst eine Brücke ab, die sie durch ein neues Bauwerk ersetzen. „Vorgesehen sind zwei barrierefreie Rampen und Treppen“, wie Leon Riese von Emscher/Lippe Wassertechnik versichert. Radfahrer und Spaziergänger können sich über eine durchgehende Wegeverbindung zwischen Hohenzollern, Flora- und Plutostraße freuen.

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Bis zu 70 hochstämmige Bäume sollen gepflanzt werden. Allerdings greifen die Planer auch in den großen Holzbestand ein, um ihr Ziel des natürlichen Erholungs- und Aufenthaltscharakters zu erreichen. Wie stark sich die Natur parallel zum Bachlauf ihr grünes, aber noch wild wachsendes Gesicht zurückgeholt hat, ist deutlich zu sehen. Manche Bereiche sind so stark zugewuchert, dass das Bachbett nur noch schwer zu erkennen ist. Auf 4000 qm sind Pflanzen und Gehölzer an den Böschungen vorgesehen. Das häufig nur sehr schmale Bachprofil wird im Rahmen der Renaturierung ausgeweitet, eingebettet in eine Auenlandschaft.

Landschaftsarchitektin Claudia Schniede plant an fünf Standorten sieben Gewässerstationen als grünen Aufenthaltsort für Fußgänger und Radfahrer. Auch über Radwege können die Ziele erreicht werden. Infotafeln sollen über Bachumbau, Gewässerökologie und Hochwasserschutz informieren. Gegenüber der Grundschule Dörmannsweg ist ein sogenanntes blaues Freiluft-Klassenzimmer als außerschulischer Lernort geplant. Er soll bei Schülerinnen und Schülern Naturverständnisse vertiefen und Natur gleichzeitig spürbar werden lassen. Quasi Bio-Unterricht draußen vor der Tür.

3,5 Millionen Euro Förderung für das Projekt

3,5 Mio Euro flossen zusätzlich als Landesförderung in das Projekt für die ökologische Verbesserung des Sellmannsbachs. Die Natur bestimmt neben dem Zufluss durch den Grundwasserstrom, wie viel Wasser der Sellmannsbach nach der Renaturierung führen wird. Durch die Aufweitung des Geländes kann der Bach Regenwasser besser aufnehmen und rückhalten.

Der Bach hat zwischen Bulmke und Schalke-Nord eine Länge von fünf Kilometern. Zu Beeinträchtigungen im öffentlichen Straßenraum wird es während der zweijährigen Bauzeit nicht kommen.

Auch die Jüngsten sollen mehr Natur erfahren. In den Kitas Dörmannsweg und Plutostraße werden die Kinder durch Mitmachaktionen schon während der Bauphase an dem Thema Natur schnuppern. Sein wahres Gesicht wird der Sellmannsbach in zwei Jahren zeigen, wenn er die Rolle als Kloake endgültig ausgespielt und sich ganz der Natur verschrieben hat.