Gelsenkirchen. Fassadengrün fördert die Stadt, ist aber bei vertikalen Beeten mit eigenen Gelsenkirchener Projekten zurückhaltend. Die Folgekosten schrecken ab.

Vertikale Gärten und Kletterpflanzen an Innenstadtfassaden sollen und können ebenso wie Dachgrün das Stadtklima nachhaltig verbessern. Pflanzen kühlen, binden Staub, absorbieren Stickoxide und Feinstaubpartikel, verbessern die Luft, dämpfen Lärm. Beispiele für senkrechte Beete gibt es in den Nachbarstädten – bei Bauherren, auch der Stadt, scheint in Gelsenkirchen jedoch die Zurückhaltung groß, Grün nicht allein als Kletterpflanze, sondern in hängenden Gärten großflächig an die Fassade zu bringen. Auch weil die Folgekosten immens sein können – und manch blühende Hoffnung schier dahinwelkt.

Gelsenkirchener Fachverwaltung rechnet mit hohen Folgekosten

Im Sommer haben Pflanzen in den vertikalen Beeten an Hausfassaden an der Gladbecker Straße in Essen „schlapp“ gemacht. Die Bewässerung wird hauptsächlich aus Zisternen gespeist. Nach einem Rückschnitt soll hier neu gepflanzt werden.
Im Sommer haben Pflanzen in den vertikalen Beeten an Hausfassaden an der Gladbecker Straße in Essen „schlapp“ gemacht. Die Bewässerung wird hauptsächlich aus Zisternen gespeist. Nach einem Rückschnitt soll hier neu gepflanzt werden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Beispiel Gladbecker Straße in Essen. 2020 wurden dort rund sechs Meter hohe Außenbeete an die Fassaden mehrerer viergeschossiger Wohnhäuser gehängt und mit Gehölzen, Gräsern und Stauden bepflanzt. Eine großteils aus Zisternen gespeiste Bewässerung sollte die Pflanzen am Leben erhalten. Sie versagte offenbar. Von der grünen Fassade blieb in diesem Sommer in einigen Fällen nur Gestrüpp. Die technischen Probleme seien mittlerweile behoben, die Pflanzen sollten zurückgeschnitten werden. „Danach werden wir beobachten, welche Pflanzen wieder austreiben und welche ausgetauscht werden müssen“, kündigte ein Sprecher des Immobilienunternehmens Allbau im August in der WAZ an.

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Ein Beispiel, das die Probleme zeigt, die die Fachverwaltung offenbar sieht: Die Installation, vor allem aber die Unterhaltung von Fassaden-Beeten, rechnete die Stadt jüngst im Umweltausschuss in ihrer Antwort auf eine Anfrage der CDU-Stadtverordneten Birgit Lucht vor, ist kostenintensiv. Lucht wollte wissen, welche Kosten durch eine Begrünung am Gebäude der Grundschule Kurt-Schumacher-Straße 148 entstehen würden. An der Schalker Meile wird derzeit durch die GGW ein Schul-Erweiterungsneubau inklusive Kita hochgezogen. Vorgesehen ist dort allein eine Dachbegrünung sowie eine hängende Attikabegrünung zur Kurt-Schumacher-Straße.

Lediglich Dachbegrünung für Schul-Erweiterungsbau in Schalke

Für eine weitere Begrünung rechnet die Fachverwaltung aktuell mit diesen Summen: Sogenannte bodengebundene Begrünung mit Selbstklimmern, beispielsweise Efeu oder Wilder Wein, ist für 46 Cent pro Quadratmeter zu realisieren. Gerüstkletterpflanzen kosteten pro Quadratmeter 35 bis 138 Euro. Bei einer wandgebundenen Bewässerung von Pflanzen in senkrechten Vegetationsflächen mit integriertem Bewässerungssystem geht die Kostenrechnung von Quadratmeterpreisen zwischen 403 und 1438 Euro aus.

Entsprechend hoch seien hier die Folgekosten. Sie entstünden hauptsächlich durch die Pflege (Schnitt, Düngung), einen möglichen Austausch der Pflanzen und den technischen Instandhaltungsaufwand (Wartung des Bewässerungssystems). Von rund zehn Prozent der Herstellungskosten, bei flächig bewässerten Systemen von 460 Euro pro Quadratmeter und Jahr gehen die Experten aus. Zum Vergleich: Den Aufwand für Selbstklimmer oder Gerüstkletterpflanzen geben sie grob mit zwölf bis 23 Euro jährlich pro Quadratmeter an.

Grüne Fassade für Gelsenkirchener IGA-Vorzeigeprojekt im Nordsternpark

Fassadengrün für den Kohlebunker und grüne Lösungen für die Bandbrücken gehörten zu den Entwurfsvoraussetzungen für den IGA-Wettbewerb. Die Ansicht vom Kanalufer aus zeigt der Entwurf, der mit dem 2. Preis ausgezeichnet wurde. Der Kohlebunker bekommt einen Aufbau und eine Dachterrasse samt Rooftop-Bar
Fassadengrün für den Kohlebunker und grüne Lösungen für die Bandbrücken gehörten zu den Entwurfsvoraussetzungen für den IGA-Wettbewerb. Die Ansicht vom Kanalufer aus zeigt der Entwurf, der mit dem 2. Preis ausgezeichnet wurde. Der Kohlebunker bekommt einen Aufbau und eine Dachterrasse samt Rooftop-Bar © Foto: Jörn Stender / Entwurf Sehw Architektur GmbH Berlin

Auch bei künftigen Vorzeigeprojekten mit internationaler Ausstrahlungskraft scheint Zurückhaltung angesagt. Im Umweltausschuss stellte Christoph Prinz, Stabsstellenleiter für die IGA, kurz die Siegerentwürfe für die Neugestaltung des Kohlenbunkerensembles im Nordsternpark vor. Auch das zentrale Gelsenkirchener Bauwerk der Internationalen Gartenbauausstellung 2027 soll eine Vertikalbegrünung bekommen. Ob allein für die IGA-Zeit in Gelsenkirchen oder darüber hinaus, müsse laut Prinz noch geprüft und verhandelt werden – vor allem mit Blick auf die zu erwartenden immensen Unterhaltungskosten.

Förderprogramm der Stadt

Seit 2019 fördert die Stadt neu errichtete Dach- und Fassadenbegrünung sowie die Entsiegelung von Flächen. Anträge müssen jeweils bis zum 31. Oktober eines Kalenderjahres vollständig vorliegen.

Für neu errichtete Dach- und Fassadenbegrünungen können bis zu 2000 Euro beantragt werden, die Begrünung von Einzelgaragendächern wird hierbei pauschal mit 500 Euro unterstützt. Entsiegelungen, insbesondere der Rückbau sogenannter „Steingärten“, werden mit bis zu 2500 Euro gefördert. Anträge müssen spätestens bis zum 31. Oktober eines Kalenderjahres vollständig in genehmigungsfähiger Form vorliegen.

32 Förderanträge für Dachbegrünung und lediglich fünf für Flächenentsiegelungen hat die Stadt seither registriert. Der erste Antrag für eine Fassadenbegrünung ging erst vor wenigen Wochen ein und ist noch in der Bewilligungsprüfung.