Gelsenkirchen. Ein Highlight der IGA 2027 in Gelsenkirchen soll das Kohlebunker-Ensemble im Nordsternpark werden. Diese Architekten-Entwürfe sind herausragend.

Als weithin sichtbarer Monolith überragt der Kohlebunker die Emscherinsel im Nordsternpark. Vier Geschossebenen und 27 Meter hoch ist das von Fritz Schupp und Martin Kremmer geplante Gebäude, das zum – zwischen 1927 und 1957 realisierten – Ensemble rund um Zeche und Zentralkokerei Nordstern gehört. Schupp und Kremmer gelten als die bedeutendsten Architekten von Bergwerksanlagen des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Die Messlatte liegt also fachlich hoch für eine Neugestaltung des Gebäudes, das zum Leuchtturm-Projekt der IGA in Gelsenkirchen werden soll.

Der Kohlebunker auf der Emscherinsel samt Bandbrücke und Kohlewäsche im Nordsternpark werden für die IGA umgebaut. Entstehen soll ein Ensemble, „das sowohl Markenzeichen als auch Magnet für die kommende IGA“ in Gelsenkirchen wird.
Der Kohlebunker auf der Emscherinsel samt Bandbrücke und Kohlewäsche im Nordsternpark werden für die IGA umgebaut. Entstehen soll ein Ensemble, „das sowohl Markenzeichen als auch Magnet für die kommende IGA“ in Gelsenkirchen wird. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Die Ansprüche sind zudem höchst vielfältig und wurden im Rahmen einer Machbarkeitsstudie festgelegt: Der Komplex soll sich für die Internationale Gartenbauausstellung 2027 in einen „kulturellen, gastronomischen und grünen Produktionsstandort“ verwandeln und darüber hinaus auch als Langzeitkonzept Bestand haben. 20 Architektur- und Landschaftsarchitekturbüros zeigten Interesse am ausgelobten Planungswettbewerb mit anschließendem Verhandlungsverfahren, 16 lieferten schließlich ihre Entwürfe. Die „überdurchschnittlich hohe Zahl“ wertet Christoph Prinz, Leiter der städtischen Stabstelle IGA 2027, als Indiz für „das große Interesse der Büros“. Qualitativ, findet er, seien die Entwürfe sehr gut durchgearbeitet“.

Kölner Architekten kreieren für Gelsenkirchen eine „Vertikale Farm“

Die 15-köpfige Jury aus Fach- und Sachpreisrichtern bedachte die anonyme Kennziffer 6002 mit dem 1. Preis. Dahinter steht das Büro Gernot Schulz Architektur GmbH mit Sitz in Köln in Verbindung mit Urbanegestalt Part GmbH. Schulz und sein Team kreieren aus dem Kohlebunker eine „Vertikale Farm“.

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Die Grundstruktur des Gebäudes bleibt erhalten, allerdings werden die ausgemauerten Gefache vielfach aufgebrochen, großzügige Fensterfronten bringen Licht und Luft auf die Etagen und bieten den Ausblick auf die geplante „Grün-Blaue Achse“. Eine Galerie-Ebene, Forschungs- und Produktionsebene weist der Entwurf auf, im Erdgeschoss soll es ein Informationszentrum geben. Der Café-Bereich in der Trichterzone wird zum Kanal hin geöffnet. Die Bandbrücke hinüber zur Kohlewäsche fungiert als begrünter Zugangsweg und Energiebrücke. Die Haupterschließung sieht der Entwurf auf der westlichen Gebäudeseite über eine Stahlkonstruktion vor. So bietet sich ein barrierefreier Zugang zur ersten Etage. Gepunktet hat der Entwurf auch mit der Idee, einen der mächtigen Kohletrichter für die innere Erschließung des Gebäudes zu nutzen.

Der Arbeit gelänge es, „mit wenigen, aber gezielten Eingriffen die Bestandsgebäude für die geforderten Nutzungen angemessen zu qualifizieren“, würdigt die Jury den Preisträger. Ohne die Gesamtkubatur künstlich zu überformen, verknüpfe sie „an der richtigen Stelle den Innen- und Außenraum und inszeniert die Ebene 1 mit einer hohen atmosphärischen Qualität“. Die überraschende innere Treppenführung durch einen Kohletrichter ergänze sehr geschickt das Erschließungskonzept zu einen spannenden Rundgang ,der das Gebäude in Gänze erfahrbar mache. Kritisiert wird die mangelnde Flexibilität der Gastroflächen in der Ebene 1.

Die Stadt bereitet im nächsten Schritt das Vergabeverfahren vor

Die Ansicht vom Kanalufer aus zeigt der Entwurf, der mit dem 2. Preis ausgezeichnet wurde. Der Kohlebunker bekommt einen Aufbau und eine Dachterrasse samt Rooftop-Bar.
Die Ansicht vom Kanalufer aus zeigt der Entwurf, der mit dem 2. Preis ausgezeichnet wurde. Der Kohlebunker bekommt einen Aufbau und eine Dachterrasse samt Rooftop-Bar. © Entwurf Sehw Architektur GmbH Berlin | Jörn Stender

Zur Bundesgartenschau 1997 wurde der gesamte Nordsternbereich nachhaltig verändert. Der Kohlebunker mit der langen Verbindung zur Kohlewäsche blieb dabei damals außen vor. Sicher auch, weil er der Gestaltung auf 37 mal 17 Meter und gut 630 Quadratmetern Grundfläche Grenzen setzt. Das Gebäude gilt als Hochhaus, den Kern dominieren bislang die Kohletrichter, das Bestandstreppenhaus kann nicht als Rettungsweg dienen, eine Barrierefreiheit ist bisher prinzipiell nicht gegeben. Viel Arbeit also für die Bauleute. Mit den Preisträgern wird die Stadt nun über die Umsetzung der Wettbewerbsideen verhandeln und gleichzeitig auch das Vergabeverfahren vorbereiten.

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Platz 2 ging an Sehw Architektur GmbH Berlin, die ihren Entwurf mit Henningsen Landschaftsarchitekten erarbeiteten. Architektonisch wird der Baukörper soweit möglich als Industriedenkmal erhalten, ein Café mit Außenbereich soll auch hier unter den Kohletrichtern entstehen. Über einen neuen Einschnitt in der Südwestfassade geht es auf die Etagen des Neubaus, vorbei an unterschiedlichen Begrünungssystemen. Oberhalb der Trichter auf Ebene zwei sieht der Plan einen flexibel nutzbaren Eventbereich vor. Die Krönung: eine Rooftop-Bar mit Dachterrasse. Für Projektionen soll die Fassade des Gebäudes genutzt werden.

Charakter des Ensembles wird durch viel Glas und Stahl verändert

Aus dem Rahmen fällt der 3. Preis – allein schon, weil das fotorealistische Rendering einen Regentag mit trübem Himmel zeigt. Der Kohlebunker wird beidseitig geöffnet, auf allen Ebenen und auch der Bandbrücke halten Grünpflanzen Einzug. Der Komplex wird mit einem Glasdach überbaut, das an frühe Werkshallen erinnert.
Aus dem Rahmen fällt der 3. Preis – allein schon, weil das fotorealistische Rendering einen Regentag mit trübem Himmel zeigt. Der Kohlebunker wird beidseitig geöffnet, auf allen Ebenen und auch der Bandbrücke halten Grünpflanzen Einzug. Der Komplex wird mit einem Glasdach überbaut, das an frühe Werkshallen erinnert. © Entwurf h4a Gessert und Randecker und Legner Architekten | Jörn Stender

Für den mit dem 3. Preis bedachten Entwurf zeichnen die Düsseldorfer h4a Gessert und Randecker und Legner Architekten verantwortlich, als Landschaftsplaner holten sie das Büro GM 013 mit ins Boot – 2021 gewannen die Berliner den freiraumplanerischen Realisierungswettbewerbs für die Zukunftsinsel Nordsternpark. Auffällig hier wie bei etlichen anderen Entwürfen: Die Bauphysik wird wesentlich stärker ausgehebelt, der Charakter des Ensembles wird durch viel Glas und Stahl deutlicher verändert. Manch ein Entwurf sieht den Kohlebunker gar als riesiges Gewächshaus. Fester Bestandteil aller Entwürfe sind Fassadenbegrünungen sowie ein Aussichtspunkt. Erwartet wird nicht weniger, als ein Ensemble zu schaffen, „das sowohl Markenzeichen als auch Magnet für die kommende IGA“ wird.

Nicht ganz unwichtig für die weiteren Verhandlungen dürfte der Finanzrahmen werden: Das Bauvolumen wurde jüngst angesichts der allgemeinen dramatischen Preisentwicklung bereits von 9,8 auf 11,3 Millionen Euro hochgesetzt. Doch bislang wurde der Fördermittel-Anteil mit sechs Millionen Euro fixiert. Ob ein Nachschlag möglich wäre, muss die Stadt verhandeln. Weitere 14,85 Millionen Euro werden aktuell für die Gestaltung der Freianlagen auf der Emscherinsel samt des geplanten Neubaus der IGA-Plaza am Amphitheater kalkuliert. Der städtische Eigenanteil soll hier von 2,08 auf 6,5 Millionen Euro steigen.

>>> Zentraler Part der IGA in Gelsenkirchen

Wie wollen wir morgen leben? Wie wollen wir wohnen? Und wie wollen wir arbeiten? Antworten auf diese Fragen sucht die IGA in der Metropole Ruhr.

Gelsenkirchen wird – mit Duisburg und Dortmund – zentraler Teil der IGA 2027. Hier entsteht auf und an der Emscherinsel einer der drei eintrittspflichtigen Zukunftsgärten der Gartenausstellung.