Gelsenkirchen. Das Bürgercenter der Stadt Gelsenkirchen will ein Bußgeld von einer jungen Frau. Warum sich die Gelsenkirchenerin und ihre Familie darüber ärgern

Im April 2021 begann ein Artikel der WAZ Gelsenkirchen mit den Worten: „Wer in Gelsenkirchen in den vergangenen Monaten zum Bürgercenter oder gar zur Kfz-Zulassungsstelle musste, der wird daran höchstwahrscheinlich keine Freude gehabt haben: Sich dort einen Termin zu beschaffen, konnte eine lästige und zeitraubende Angelegenheit sein.“

Ähnliche Berichte findet man zweifelsfrei auch in Essen, Duisburg und vielen anderen Städten. Die Bürgercenter oder Kfz-Zulassungsstellen der Städte, so wird immer wieder deutlich, sind vielerorts oft nicht in der Lage, Bürgerinnen und Bürgern zeitnah Termine anzubieten. Ein Beispiel? Wer am Donnerstagnachmittag (15. September) etwa einen Termin zwecks Ummeldung im Hans-Sachs-Haus buchen wollte, kann frühestens am 1. Dezember vorstellig werden.

Stadt Gelsenkirchen: Innerhalb von zwei Wochen muss man sich ummelden

Dabei gilt: „Wer innerhalb von Gelsenkirchen umzieht, hat sich binnen zwei Wochen bei der Meldebehörde umzumelden. Meldepflichtige haben ein Ummeldeformular auszufüllen, zu unterschreiben und zusammen mit einer Wohnungsgeberbestätigung bei der Meldebehörde abzugeben. Eine Übersendung des Meldescheines ist NICHT zulässig“, heißt es auf der Homepage der Stadt.

Wer sich also nicht schon weit vor seinem Umzug um einen Ummelde-Termin bei der Stadt bemüht, wird seinen Umzug kaum innerhalb der vorgegebnen Frist amtlich machen können. Und das kann in der Konsequenz zu einem Bußgeld führen, wie im Falle der Gelsenkirchener Familie Treichel, die dafür aber wenig Verständnis hat und sich über die Stadt ärgert.

Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

„Sie haben in den letzten Monaten immer wieder über lange Wartezeiten und nicht funktionierende Abläufe bei der Stadtverwaltung Gelsenkirchen berichtet. Ich möchte Ihnen gerne eine weitere Facette dieser Angelegenheit zur Kenntnis geben, die meine 19-jährige Tochter betrifft und uns am System zweifeln lässt“, berichtet Annegret Treichel im Gespräch mit unserer Redaktion.

„Wir sind als Familie mit vier Personen im Dezember 2021 umgezogen. Die entsprechenden Meldeformulare haben wir Mitte Dezember heruntergeladen und ausgefüllt. Einen Termin für die Ummeldung gab es am 31. März 2022. Man war überlastet“, schildert die Lehrerin und Familienmutter.

Bei diesem Termin habe ihr Mann sich selbst, seine Frau und den Sohn der Treichels ummelden können. „Leider hatte er den Personalausweis meiner Tochter zu Hause liegenlassen. Also keine Ummeldung!“. Einen neuen Termin habe die Tochter für den 14. Juli 2022 bekommen, was Annegret Treichel verärgert mit „so lange muss man halt warten, wenn man in Gelsenkirchen wohnt“ kommentiert.

Die 19-Jährige habe sich dann bei diesem Termin auch ordnungsgemäß umgemeldet. Doch bald darauf erhielt sie einen Anhörungsbogen: „Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 und 54 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG).“

Auch interessant

„Wir haben diesen Bogen ausgefüllt und die Umstände dargelegt, im Vertrauen darauf, dass es sich um eine Formalität handelt“, so Annegret Treichel. Tatsächlich aber habe die 19-jährige Tochter alsbald einen Bußgeldbescheid in Höhe von 118,50 Euro erhalten, weil sie „unterlassen habe, Ihrer Meldepflicht rechtzeitig nachzukommen“.

Die junge Gelsenkirchenerin „versteht die Welt nicht mehr“. „Zum Zeitpunkt ihres Vergehens hat sie ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert und 450 Euro im Monat verdient. Nun erhält sie eine Strafe in Höhe von 25 Prozent ihres damaligen Monatseinkommens. Das hält die Stadtverwaltung anscheinend für angemessen“, ärgert sich Mutter Annegret Treichel. Während die Stadt bei den vielen illegal abgestellten Autos im Stadtgebiet, den Missständen – verursacht durch Personalmangel – sowohl beim Ausländeramt als auch beim Jugendamt nicht Herr der Lage werden könne, „will man hier wohl exemplarisch zeigen, was eine gut funktionierende Stadtverwaltung alles bewirken kann“.

Das erklärt die Stadt Gelsenkirchen zum Fall

Stadtsprecher Martin Schulmann will diese Kritik nicht so stehen lassen und erklärt auf WAZ-Anfrage, dass sich im Bürgercenter keiner mehr an den konkreten Fall erinnern konnte, „weil es gelegentlich vorkomme, dass Bußgelder verhängt werden, wenn nicht zu erkennen ist, dass sich die betroffene Person ausreichend um einen zeitnahen Termin bemüht“.

So hätte die 19-Jährige nach Aussage des Stadtsprechers auch wesentlich früher einen Termin beim Bürgercenter erhalten können, etwa durch die täglich morgens kurzfristig angebotenen Zeitfenster „oder über die Notfallschiene“. Da aber zwischen dem Termin des Vaters und dem der Tochter etwa 15 Wochen gelegen hätten, sei das Bußgeld für die Gelsenkirchenerin zwar „unglücklich, aber nicht ungewöhnlich“, so Martin Schulmann.

Familie Treichel jedenfalls verliert angesichts der langen Wartezeiten und der daraus für sie resultierenden Konsequenz den Glauben „an eine funktionierende Stadtverwaltung“.