Gelsenkirchen-Buer. Was einer Mitarbeiterin am letzten Verkaufstag der Gelsenkirchener Filiale durch den Kopf geht. Und wie es mit der Immobilie weitergeht.
Laschet, Scholz oder Baerbock: Alle reden über die Bundestagswahl, doch hinter den Kulissen der Saturn-Filiale Buer haben die Mitarbeitenden an diesem Samstag ganz anderes im Kopf. Der Tag, vor dem sie sich seit Monaten gefürchtet haben, er ist da und muss irgendwie bewältigt werden: Das Elektronik-Fachgeschäft in der Marientorpassage, der letzte Kundenmagnet in Buer, er schließt nach 21 Jahren.
Und so schauen die paar Beschäftigten, die heute noch im Dienst sind, mit ernsten Mienen zu, wie die Kunden ein letztes Mal den Markt stürmen auf der Jagd nach Schnäppchen. „Da kriegt man schon die Wut“, meint eine Mitarbeiterin. „Das sind Leute, die wir hier noch nie gesehen haben und sonst wahrscheinlich nur online kaufen. Und jetzt auf einmal kommen sie...“
Gelsenkirchenerin bestückte die Regale bei der Eröffnung – und wickelt nun die Filale ab
Die 58-Jährige, die ihren Namen lieber nicht nennen möchte, erinnert sich noch gut, wie sie die Regale Ende 2000 kurz vor der Eröffnung von Saturn mit Waren bestückt hat. Sie jetzt endgültig auszuräumen, die Filiale abwickeln zu müssen, macht sie traurig. Dass sie sich viele Wochen auf diesen Tag vorbereiten konnte, hilft da nicht.
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„Klar ist mir mulmig zumute. 21 Jahre sind 21 Jahre. Und was beruflich kommt, weiß ich nicht.“ Sie muss sich, wie nahezu alle anderen ihrer Kolleginnen und Kollegen, arbeitssuchend melden. Denn ein Wechsel zu einem anderen Saturn-Standort sei nicht möglich gewesen. „Wir in Buer sind ja eine eigenständige GmbH, da gibt’s keine Übernahme durch andere Häuser, zumal weitere Märkte geschlossen wurden oder werden, etwa die in Düsseldorf und Essen-Steele.“
58-Jährige Angestellte ist skeptisch, ob sie beruflich noch einmal Fuß fassen kann
Ob sie in ihrem Alter noch eine Vollzeitstelle im Einzelhandel bekommt? Die Gelsenkirchenerin ist skeptisch. „Viele Unternehmen suchen doch junge Leute in Teilzeit. Und ob ich mit 58 noch in einer anderen Branche als Quereinsteigerin neu anfangen kann...?!“ Sie schüttelt den Kopf.
Buer ist einer von 13
Buer zählt zu den 13 Media-Markt- und Saturn-Filialen bundesweit, die geschlossen werden. Die Muttergesellschaft Ceconomy hatte nach WAZ-Informationen lange mit dem Eigentümer der Immobilie über eine Fortführung des Mietvertrags verhandelt, man hatte sich aber nicht einigen können.
Das Unternehmen plant in einzelnen Städten „Erlebniszentren“ mit wechselnden Ausstellungen über Produktinnovationen, mit Möglichkeiten des Ausprobierens und Beratung. Wo genau, ist noch unklar.
Leid tut es ihr auch um die anderen Kolleginnen und Kollegen, zumeist Gelsenkirchener, die wie sie vor dem Nichts stünden. „Gestern Abend waren wir noch mal alle gemeinsam essen. Da merkte man schon, wie schwer vielen der Abschied fällt. Einige sind nahe am Wasser gebaut.“ Über eine Chatgruppe wollen sie weiter in Kontakt bleiben – ein digitales Band nach so vielen gemeinsamen Jahren: Das passt zum Aus eines Elektronik-Fachmarkts, der seit Jahren mit Umsatzrückgängen zu kämpfen hat, bedingt auch durch die Online-Konkurrenz.
Mit Saturn schließt der letzte große Frequenzbringer in Buer
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Vor der Kasse bilden sich unterdessen immer wieder Schlangen mit Kundinnen und Kunden, die noch fündig geworden sind. Das Untergeschoss ist längst geschlossen, die reduzierten Artikel bereits seit Wochen auf eine abgegrenzte Fläche im Erdgeschoss konzentriert. In großen Körben wartet der letzte Rest mit roten Preisschildern auf Käufer. „Leichenfledderer und Aasgeier“, nennt die 58-Jährige sie. „Einige von ihnen waren dreimal täglich da, um ja keine Preissenkung zu verpassen. Andere haben sogar gefragt, um wie viel Uhr wir heute schließen.“
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Zum Glück sei da aber auch die andere, die treue Stammkundschaft, die immer wieder betone, wie leid ihr die Schließung tue und welch ein Verlust diese für Buer sei.
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Dass die Aufgabe des Standorts eine Zäsur darstellt, ist allen klar. Mit Saturn schließt der letzte große Frequenzbringer vor Ort. Ob und wer danach das rund 5000 Quadratmeter große Ladenlokal nutzen könnte, ist völlig unklar. Auf Nachfrage erklärte die Essener Thelen-Gruppe vor einigen Tagen, dass es zwar viele Interessenten, aber noch keinen Nachmieter gebe.
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