Gelsenkirchen. Gelsenkirchener Arztpraxen sind bei der Digitalisierung bisher eher zurückhaltend. Was zum Start des E-Rezeptes am 1. September zu erwarten ist.

Wenn am Donnerstag, 1. September, in NRW das Pilotprojekt für das elektronische Rezept (E-Rezept) startet, sind die Gelsenkirchener Apotheken vorbereitet. Sie sind laut Apothekerverband flächendeckend mit der notwendigen Technik ausgestattet, um in den Arztpraxen ausgestellte QR-Codes anstelle des herkömmlichen Rezeptes auf rosafarbenem Papier zu lesen und zu verarbeiten.

In Gelsenkirchen wird der QR-Code zum Start im Regelfall ausgedruckt

„Für die Patientinnen und Patienten ändert sich nicht viel am Ablauf. Nach wie vor erhalten sie in der Arztpraxis ein Rezept, das sie dann in ihrer Apotheke vor Ort einlösen können, nur eben auf digitalem Wege“, versichert Christian Schreiner, Sprecher der Gelsenkirchener Apothekerschaft. In der Arztpraxis werden die Rezeptdaten zum verordneten Medikament elektronisch zusammengefasst, auf einem Server abgelegt und den Code dafür übermittelt die Praxis entweder aufs Smartphone des Patienten oder auf einen Ausdruck. So weit die Theorie.

Viele Fragen zum Datenschutz bei Versand noch ungeklärt

Wobei Schreiner zum Start bestenfalls mit einem Ausdruck des QR-Codes als Regelfall rechnet, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen sind die allermeisten Arztpraxen in Gelsenkirchen von der Softwarestruktur her ohnehin noch gar nicht in der Lage, die QR-Codes zu generieren und zu verschicken. Zudem gibt es noch viele ungeklärte Fragen, vor allem zum Datenschutz. Das war auch der Grund, warum das Land Schleswig-Holstein als eigentlich zweites Pilot-Bundesland aus der Projektphase ausgestiegen ist. Wenn der Code etwa an eine App auf dem Smartphone des Patienten verschickt würde, könnte es Sicherheitsprobleme geben, fürchtet man dort.

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In NRW sieht die Kassenärztliche Vereinigung keine Datenschutzprobleme bei der Nutzung einer App oder einer Speicherung auf der Gesundheitskarte. Ein Versand per SMS oder Mail allerdings wird problematisch gesehen. Der Gelsenkirchener Apotheker favorisiert die Speicherung auf der Gesundheitskarte: „Das wäre zum einen sicher. Und der Vorteil für uns niedergelassene Apotheken wäre, dass die Rezepte im Gegensatz zur Speicherung in der Smartphone-App nicht mal eben in die Niederlande geschickt werden könnten zu Internet-Apotheken. Die Aktien der großen Anbieter sind nach oben geschnellt, als die Einführung des E-Rezepts angekündigt wurde. Jetzt, wo sich alles verschiebt, sind die Aktien ebenso steil wieder abgefallen.“

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Telemedizin, elektronische Krankschreibung: Manchen Digitalisierungsschritt hat die Pandemie in Deutschland vorangetrieben. Die ersten Software-Umstellungen haben die niedergelassenen Ärzte schon vorgenommen. Bereit zum E-Rezept sind aber nur wenige bisher.
Telemedizin, elektronische Krankschreibung: Manchen Digitalisierungsschritt hat die Pandemie in Deutschland vorangetrieben. Die ersten Software-Umstellungen haben die niedergelassenen Ärzte schon vorgenommen. Bereit zum E-Rezept sind aber nur wenige bisher. © Jochen Tack/ imago stock

Die technischen Anforderungen an die Arztpraxen sind hoch, mancher Arzt klagt über hohe Investitionskosten für die neue Software. Diese fallen bei den Apothekern, so Schreiner, weniger ins Gewicht. „Wir haben bereits jetzt wegen der Abrechnung mit den Krankenkassen, die wir ja schon immer machen, aufwendige Verwaltungssysteme, die alle zwei Wochen upgedatet werden müssen, um auf dem aktuellen Stand lieferbarer und rabattfähiger Medikamente zu sein. Das mussten Ärzte bislang nicht, für das E-Rezept aber schon,“ erklärt Schreiner. Zum Thema: Stufenweise Einführung des E-Rezeptes

Probleme bei nicht rabattfähigen Medikamenten möglich

Praktische Probleme sieht Schreiner allerdings, wenn ein Patient am Freitagnachmittag mit einem digitalen Rezept kommt, das Medikament so aber nicht erhältlich ist. „Bisher konnte ich dann den Arzt anrufen und nach Alternativen fragen. Wenn ich für die Bestellung aber einen neuen QR-Code brauche, kann das am Wochenende schwierig werden“ hält Schreiner für denkbar. Die Apotheken seien leider zu spät in die Entwicklung des Programms einbezogen worden.

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Wie viele Arztpraxen überhaupt am Donnerstag in Gelsenkirchen starten, kann die Kassenärztliche Vereinigung bis heute nicht sagen. 250 Praxen sind es im gesamten KVWL-Gebiet, also in Westfalen-Lippe. Simon Kirchberg, Allgemeinmediziner in Ückendorf und Vorsitzender des Ärztekammerbezirkes, erklärt, dass eine hohe Hürde ein passendes Praxisverwaltungssystem ist, über das bislang nur große Praxiszentren verfügen. Auch der Bezirksstellenleiter der KVWL, Klaus Rembrink, kann auf Nachfrage nicht sagen, wie viele Ärzte in Gelsenkirchen mitmachen.

Versand direkt in Altenheime als klare Erleichterung

Kirchberg sieht allerdings auch Vorteile für die Praxen, wenn das System vollständig läuft und Rezepte ebenso wie Krankschreibungen nicht mehr noch extra ausgedruckt werden müssen, sondern direkt an Patienten – etwa auch in Altenheimen – versendet werden können.

Verzögerter Start ins digitale Zeitalter

Der Start des E-Rezeptes wurde bereits mehrfach verschoben. Zuletzt war als Starttermin für die Pilotphase für den Sommer geplant. Nun ist vorgesehen, nach dem Pilot-Start am Donnerstag, 1. September mit 250 Praxen im KVWL-Gebiet die Zahl der teilnehmenden Praxen zum 1. Oktober auf 500 zu verdoppeln.

Ähnliche Verzögerungen gibt es bei allen Digitalisierungsvorhaben im medizinischen Bereich in Deutschland, von der elektronischen Gesundheitskarte bis zur elektronischen Patientenakte.

Was vor allem für Ärzte anfangs wohl mehr Aufwand bedeutet, kann für Patienten weitere Vorteile bringen, wenn das System eines Tages läuft. Dann nämlich könnte das Rezept aus der Praxis auch direkt zum Stamm-Apotheker geschickt werden, der es – falls das Medikament nicht im Bestand ist – schon bestellen kann, bevor der Patient kommt.