Gelsenkirchen. Klagen über Vandalismus an Kirchen und Gotteshäusern in Gelsenkirchen: Von Bedrohung ist die Rede. Das sagen Vertreter der Glaubensrichtungen.

Mutwillig beschädigte Gotteshäuser lassen den Ärger von Mitarbeitern der katholischen Kirche über blinde Zerstörungswut in die Höhe schnellen. Wenn Peter Schmidt-Kuhl, Verwaltungsleiter der Propsteipfarrei St. Augustinus, über Vandalismus spricht, dann schwingt ein Stück weit Resignation in seinen Worten mit. Denn: „Wenn Mitarbeiter oder Anwohner einzuschreiten versuchen, so werden sie bedroht, mitunter zückt jemand aus diesen Gruppen auch ein Messer.“

Mit Pflastersteinen die Butzenfenster in Gelsenkirchener St. Josef zerstört

Die zerstörten Butzenfenster der Kirche St. Josef in Gelsenkirchen-Ückendorf.
Die zerstörten Butzenfenster der Kirche St. Josef in Gelsenkirchen-Ückendorf. © Foto: Gemeinde St. Josef Gelsenkirchen

Anzeige ist zwar wegen Sachbeschädigung erstattet worden nach dem jüngsten Vorfall, dies bestätigt die Polizei, nicht aber wegen der Drohkulisse. Peter Schmidt-Kuhl benennt auch ganz offen den Grund dafür: „Unsere Mitarbeiter und die Anwohner müssten dann vielleicht Übergriffe befürchten. Das Risiko wollen wir nicht eingehen.“

Den Stein ins Rollen gebracht haben die aktuellen Zerstörungen in der Kirche St. Josef in Ückendorf. Dort sind die hohen Butzenfenster eingeworfen worden – und zwar wie eine ehrenamtliche Mitarbeiterin aus Angst vor Repressalien anonym berichtet „mit eigens ausgegrabenen Pflastersteinen aus der Umrandung des Kirchplatzes“. Der Schaden sei groß, da Denkmalschutzbestimmungen bei der Reparatur eingehalten werden müssen.

Verwaltungsleiter: Rumänen und Bulgaren fallen durch Vandalismus an Kirchen auf

Auf „5000 Euro bis 10.000 Euro“ beziffert Peter Schmidt-Kuhl den angerichteten Schaden pro Jahr durch solch blinde Zerstörungswut. Allein das ist schon ärgerlich genug. Noch mehr bringt ihn aber „die Beobachtung auf, dass in vielen Fällen Gruppen junger Erwachsener aus Rumänien und Bulgarien die Kirchplätze in Müllhalden verwandeln und ihren Aggressionen freien Lauf lassen, in dem sie fremdes Eigentum zerstören“. Und so gar keinen Respekt gegenüber Gotteshäusern zeigten.

Was aber ist die Konsequenz daraus? Eine Kameraüberwachung? Oder ein Wachdienst? So weit gehen die Gemeinde und die Kirche nicht. Das sei erstens datenschutzrechtlich nicht einfach (Stichwort: Abgrenzung privater und öffentlicher Raum) und zweitens auch sehr teuer. „Aber wir werden an Kirchen Büsche und Sträucher zurückschneiden, damit das Gelände rund um die Kirchen besser einsehbar ist und der soziale Kontrolldruck steigt“, sagt Schmidt-Kuhl.

Randalierer müssen also befürchten, entdeckt und der Polizei gemeldet zu werden. Der Verwaltungsleiter und die ehrenamtliche Mitarbeiterin hoffen zudem, dass der Gang an die Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit schafft und zu einem „friedlichem Miteinander beiträgt“.

Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen: Nachahmer befürchtet durch Berichterstattung

Mit Pflastersteinen, die zuvor augenscheinlich ausgegraben wurden auf dem Kirchplatz, sind die Butzenfenster der Kirche St. Josef in Gelsenkirchen-Ückendorf eingeworfen und zerstört worden.
Mit Pflastersteinen, die zuvor augenscheinlich ausgegraben wurden auf dem Kirchplatz, sind die Butzenfenster der Kirche St. Josef in Gelsenkirchen-Ückendorf eingeworfen und zerstört worden. © Foto: St. Josef

Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen, befürchtet genau das Gegenteil: „Vandalismus an Gotteshäusern publik zu machen, könnte erst recht einige Menschen auf die Idee bringen, wieder etwas kaputtmachen oder beschädigen zu wollen.“

Derartige Sachbeschädigungen hat es Neuwald-Tasbach nach „in jüngerer Zeit bei uns zum Glück nicht gegeben“. Die Vorsitzende führt das auf „die ständige Polizeipräsenz an der Synagoge“ zurück. Immerhin, auch das hat eine(n) oder mehrere Unverbesserliche(n) nicht davon abgeschreckt, im Mai 2018 eine Scheibe zu zerstören. Das Sicherheitsglas barst unter der Wucht des Aufpralls, wahrscheinlich von einem schweren Stein. Ansonsten, so Neuwald-Tasbach weiter, sei es vor längerer Zeit zu Grabschändungen auf den jüdischen Friedhöfen gekommen. „Mehr aber auch nicht“, das reiche aber schon. Sie hofft, dass solche Gewaltausbrüche nicht wieder vorkommen. Denn die Vorsitzende erinnert sich bis heute noch mit Schrecken an die judenfeindliche Demo im Mai vergangenen Jahres, bei der Hass-Parolen wie „Kindermörder Israel“ skandiert wurden.

Kleine Schmierereien an Gelsenkirchener Moscheen, Vandalismus bei evangelischen Kirchen im Stadtgebiet weniger ausgeprägt

Nach Angaben des Vorsitzenden der Zentral-Moschee in Gelsenkirchen, Hüseyin Kar, „sind muslimische Gotteshäuser in den vergangenen Wochen und Monaten von Vandalismus wie in Ückendorf verschont geblieben“, von kleinen Schmierereien an Mauern und Wänden einmal abgesehen.

Immer noch schlimm genug. Aber nicht zu vergleichen mit „Verpisst Euch“-Parolen, die Unbekannte Anfang Mai auf Wände der Tugra-Moschee in Bulmke-Hüllen aufgesprüht hatten und schon gar nicht zu vergleichen mit der ebenso fremdenfeindlichen wie ekelerregenden Aktion Mitte März 2016: Da schaltete sich sogar der Staatsschutz der Polizei ein, nachdem Schweinefüße vor der Barbaros-Moschee abgelegt worden waren. Für Muslime, die Schweine als unrein betrachten und ihr Fleisch nicht essen, ist das Ablegen der Teile vor den Türen der Moschee eine Beleidigung.

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Und die Lage bei der evangelischen Kirche? Da spiele Vandalismus zwar eine Rolle, aber keine so starke wie aktuell bei der katholischen Kirche in Gelsenkirchen, von der Peter Schmidt-Kuhl eingangs berichtet hat. Eine Mitarbeiterin des Liegenschaftsamtes sagte, dass Zerstörungen und Beschädigungen immer wieder vorkämen, „aber nicht in diesem Ausmaß und in dieser Höhe“. Also eher im dreistelligen Euro-Bereich.