Gelsenkirchen. Gelsenkirchenerin Lisa Weishaupt hat soziale Ängste. Lange isolierte sie sich. Nun traut sie sich etwas und will anderen mit Sozialphobie helfen.

  • Lisa Weishaupt (29) aus Gelsenkirchen leidet unter sozialen Ängsten.
  • Sie hatte stets die Angst, die Menschen in ihrem Umfeld zu „nerven“ – und zog sich immer mehr zurück.
  • Doch jetzt will die Gelsenkirchenerin eine Selbsthilfegruppe gründen.

Dieses Treffen kostet Lisa Weishaupt eine Menge Kraft. Schon im Vorfeld rasten ihre Gedanken, ließen ihr am Morgen vor dem Termin mit der WAZ keine Ruhe. Und doch wollte sie kommen, aller Angst zum Trotz. Denn es geht ihr um etwas Wichtiges, das ihr Leben nachhaltig beeinflusst, noch vor gar nicht allzu langer Zeit ganz und gar bestimmt hat: „Soziale Ängste sind ein ziemliches Thema bei mir“, sagt die junge Frau ganz offen. Nun ruft die 29-Jährige eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit sozialen Phobien ins Leben. Es ist die erste ihrer Art in Gelsenkirchen.

Soziale Ängste: So sehr musste eine junge Gelsenkirchenerin leiden

Lisa Weishaupt lebt noch nicht lange in der Stadt, kam im September 2021 aus Tönisvorst in der Nähe von Krefeld. Dort lernte sie kennen und schätzen, was es bedeutet, Teil einer Selbsthilfegruppe zu sein, aufgefangen und angenommen zu werden mit all den Ängsten, die sie beschäftigten. „Das habe ich als sehr, sehr angenehm erlebt, der Austausch hat mir sehr geholfen“, berichtet die junge zierliche Frau in der Retrospektive.

Sie hat heute zu diesem Termin ein besonderes Shirt gewählt: „Together against stigmatisation“ (Zusammen gegen Stigmatisierung, Anm. der Red.) steht Schwarz auf rotem Stoff geschrieben, sie war es, die das Kleidungsstück gestaltet und ganz bewusst angezogen hat. Denn das treibt sie an: „Dass es ganz viel Bedarf gibt, Fragen zu stellen und nicht die Menschen sofort in Schubladen zu stecken.“ Jede Angst habe auch eine Geschichte, die Menschen seien nicht schuld an ihrer psychischen Erkrankung. „Es ist wichtig, dass man sie ernst nimmt, ihnen zuhört.“

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Den passenden Raum bietet eben jene Selbsthilfegruppe. Hier, so sagt Lisa Weishaupt, gebe es unter den Teilnehmern den „uneingeschränkten Willen, einander zu verstehen“. Man höre einander zu, könne Fragen stellen, finde Gemeinsamkeiten, teile einen Teil der Gefühlswelt – all das konnte sie schon in Krefeld erleben, all das soll einfließen in die Selbsthilfegruppenarbeit in Gelsenkirchen.

Menschen, die unter einer sozialen Phobie leiden, haben gerade in sozialen Situationen ausgeprägte Ängste, etwa sich beschämend oder peinlich zu verhalten. Für Lisa Weishaupt war eines bedrückend: Sie hatte stets die Angst, die Menschen in ihrem Umfeld zu „nerven“. Mit der Zeit folgte die soziale Isolation, immer mehr kapselte sie sich von ihrem Umfeld ab, sämtliche Freundschaften seien auseinandergegangen. Wo sieht sie die Ursache ihrer Angst? „Es war das Mobbing in der Schule“, glaubt sie. Irgendwann stellte sie fest: „Durch ein Abkapseln kann ich mich schützen.“

Soziale Ängste: Mit viel Mut bezwingt Lisa Weishaupt ihre Phobie

Ihre soziale Angst, sie äußerte sich auch in Platzangst, sehr starken Prüfungsängsten und einer extremen Angst vor Gewitter. Irgendwann, zu einem Zeitpunkt ihres Lebens, strukturierte sie ihren Tagesablauf nur nach dem Gewitterradar und möglichen Wetterereignissen, blickt schon Monate vorher auf einen anstehenden Sommer – der Jahreszeit, vor der sie wegen der Häufung von Gewittern die meiste Angst hatte. 2018 dann begann die junge Studentin der Ergotherapie eine Verhaltenstherapie. „Dass die Angst auch wieder weggeht“, das sei eine „extrem wichtige Erfahrung“ für sie gewesen, berichtet sie.

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Dass die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe eine Therapie nicht ersetzen kann, dieser Punkt ist Lisa Weishaupt indes wichtig: „Sobald man merkt, dass die Angst einen im Alltag einschränkt oder man Situationen meidet, ist es sehr hilfreich, dass man sich um professionelle Hilfe kümmert“, sagt die Gelsenkirchenerin.

Termine und Anmeldung

Das erste Treffen der Selbsthilfegruppe zum Thema soziale Ängste findet am Montag, 22. August, von 18.30 bis 20 Uhr in den Räumen des Stadtteilladens Bismarck, am Ahlmannshof 26, statt. Regelmäßig alle 14 Tage soll die Gruppe dann immer montags zusammenkommen.

Wer an der Selbsthilfegruppe teilnehmen möchte, kann sich bei Lisa Weishaupt anmelden: unter 0152/33538920 (Mailbox) oder per E-Mail unter .

Als Selbsthilfegruppen-Gründerin wechselt Lisa Weishaupt nun in eine ganz aktive Rolle, hat das Ziel, im Miteinander mutig auch in den Vordergrund zu treten, Verantwortung zu übernehmen. Eine doppelte Herausforderung für sie, die für sie vor Jahren wahrscheinlich noch undenkbar war. Heute ist sie voller Hoffnung, „dass es sich weiter bessert“ – und dass ihre Selbsthilfegruppe nicht nur ihr, sondern auch anderen Menschen mit sozialen Ängsten eine große Stütze sein wird.