Gelsenkirchen. Gelsenkirchen soll noch grüner werden. Das Ziel: 1000 neue Bäume jährlich. Warum Grüne das für Augenwischerei halten und was Gelsendienste sagt.

1000 Bäume für Gelsenkirchen – jedes Jahr. Mit der Idee zog die SPD in den Kommunalwahlkampf. Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU wurde später mit 100.000 Euro extra jährlich die Finanz-Basis für das Projekt gelegt, mit #einGEpflanzt soll es sozial-medial in den Köpfen „verwurzelt“ werden. Hier kann sich melden, wer (vom Garten bis zum sogenannten Straßenbegleitgrün) einen Standortvorschlag machen möchte. Listenweise wurden diese zwischendurch von Vertretern der Ratsfraktion an Gelsendienste als Dienstleister der Stadt in Sachen Baumpflege und -pflanzung übergeben.

In Gelsenkirchen stehen pro Jahr 100.000 Euro für das Programm bereit

Alles gut? Für die Grünen nicht. Sie kritisieren die Umsetzung des Programms, bezeichnen es als Augenwischerei, wohl auch, weil das Programm bislang an der Zahl 1000 festgemacht wird. Aus ihrer Sicht fällt die bisherige Bilanz „ziemlich dürftig aus“. Auslöser: ein Bericht von Gelsendienste im Betriebsausschuss. Er stellte die Aktionen bei Straßenbäumen, in den Waldgebieten der Stadt und in privaten Gärten dar.

Dabei sollen aktuell 50 Straßenbäume sowie 500 Setzlinge gepflanzt und 200 Obstbäume für die Gärten von interessierten Privatpersonen zur Verfügung gestellt werden. „Wir sind mehr als verwundert über den Ansatz von 500 Setzlingen, zumal auf unsere Nachfrage hin eingeräumt wurde, dass lediglich zehn bis 30 Prozent der Setzlinge überleben und zu angewachsenen Bäumen werden. Bei durchschnittlicher Schätzung wären das bloß 100 Bäume, die langfristig neu entstehen“, moniert Mirco Kranefeld, Mitglied der Grünen im Betriebsausschuss.

Grüne: Vielleicht bleiben 200 Bäume vom 1000-Bäume-Programm übrig

Der grüne Stadtverordnete Mirco Kranefeld kritisiert Gelsendienste und das 1000-Bäume-Programm.
Der grüne Stadtverordnete Mirco Kranefeld kritisiert Gelsendienste und das 1000-Bäume-Programm. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Auch der Versuch, auf die Freiwilligkeit der Bürgerschaft zu setzen, wird von den Grünen als nicht zielführend betrachtet. „Es ist zwar eine schöne Idee, kostenlose Obstbäume in den Gärten zu pflanzen, aber für das 1000-Bäume-Programm“ zahle diese Maßnahme vergleichsweise wenig ein, so Kranefeld und seine Ausschusskollegin Mabel-Mara Platz. „Wenn man alle Versuche zusammennimmt, dann bleiben vielleicht 200 Bäume vom 1000-Bäume-Programm übrig. Und diese werden hauptsächlich in Waldflächen oder privaten Gärten gepflanzt, statt an Straßen oder auf Plätzen, wo sie gegen Hitzeinseln helfen würden.“

Wälder nicht mit Baumpflanzungen im innerstädtischen Bereich vergleichen

Die reine Zahlenrechnung weist Gelsendienste zurück, auch weil hier – um im Bild zu bleiben – Äpfel mit Birnen verglichen würden. Zur Aufforstung von Waldflächen habe Gelsendienste bereits im Umweltausschuss 2021 erläutert, „dass das Vorgehen in den Wäldern nicht mit Baumpflanzungen im innerstädtischen Bereich zu vergleichen“ sei. Waldpflege bedeute eben auch Auslese – Schonungen werden nach und nach durchforstet, die fittesten Bäume bleiben stehen.

„Ganz allgemein ist es Ziel von Gelsendienste, den Baumbestand in Gelsenkirchen zu erhalten, wo möglich auszubauen und für die sich wandelnden klimatischen Bedingungen fit zu machen“, erklärt Unternehmenssprecher Tobias Heyne. Die im Rahmen des „1000 Bäume“-Programms zur Verfügung gestellten jährlich 100.000 Euro seien hierbei eine hilfreiche Unterstützung. Gelsendienste versteht sich als wesentlicher Akteur bei der Umsetzung des Programms und hat eine städtische Koordinationsgruppe einberufen, um das Projekt weiter zu forcieren.

Gelsendienste: Umsetzung wird einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen

„Allerdings ist im städtischen Raum die weitere Begrünung sehr herausfordernd und Bedarf einer klaren Willensbekundung, um die unterschiedlichen Interessen entsprechend zu priorisieren“, stellt Gelsendienste fest. Außerdem hat die Stadttochter in den zuständigen politischen Gremien mehrfach darauf hingewiesen, „dass die Umsetzung der mit dem Haushalt 2021 beschlossenen Maßnahme einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird“.

Seit 2016 allein im Straßenbereich über 1000 neue Bäume gepflanzt

Allein im Straßenbereich seien seit 2016 mehr als 1000 Bäume neu hinzugekommen, zum Beispiel im Neubaugebiet Graf Bismarck oder an der Europastraße, rechnet Gelsendienste vor. Neben den zur Verfügung stehenden Flächen seien auch die finanziellen Mittel ein begrenzender Faktor. „So fallen für die Pflanzung eines Baumes in den Grünanlagen Gesamtkosten von mindestens 1000 Euro an, im Straßenbereich ist die Summe aufgrund des größeren Aufwands für die Vorbereitung der Baumstandorte zumeist noch deutlich höher“, so Heyne. Zusätzlich zu berücksichtigen sei der entstehende Pflegeaufwand, insbesondere zur Bewässerung der Jungbäume.

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Viele Menschen in Gelsenkirchen haben ein großes Interesse an den Bäumen in ihrer Stadt „und engagieren sich zum Beispiel als Patinnen und Paten“, stellt Heyne fest. Dieses Engagement zu fördern und möglichst viele Gruppen aktiv einzubinden, sei entsprechend wichtig. Mit der Verteilung von 200 Obstbäumen solle hierzu ein Anreiz geboten werden. Die Aktion ist für den Pflanz-Herbst geplant. Heyne: „Die Bäume sind bestellt. Wie die Vergabe erfolgt, werden wir im August entscheiden.“