Gelsenkirchen-Buer. Die Gelsenkirchener „Olympia“, eine Skulptur von Fritz Klimsch, kommt ins Museum. Ausstellung bewertet Kontext und die Entstehung in Nazi-Zeiten.

Mit dem Umbau des Busbahnhofs Buer im Jahre 2016 verschwand sie von der Bildfläche, die Bronzefigur Olympia. Seitdem steht der Sandsteinsockel verwaist in der neugestalteten Grünanlage. Jetzt wird es ein Wiedersehen mit dem Werk geben. Allerdings nicht an angestammter Stelle, sondern mitten im Kunstmuseum Gelsenkirchen. Und das hat einen Grund: Das Museum wird eine Informationsausstellung rund um die problematische Geschichte der Skulptur und ihres Erschaffers erarbeiten und die Figur in den Kontext ihrer Entstehung zeigen.

Gelsenkirchener Skulptur mit schwieriger Vergangenheit und offener Zukunft

Ob die Skulptur anschließend endgültig im Museum verbleibt oder wieder im Goldbergpark aufgestellt wird, das steht bislang noch in den Sternen. Christiane Wanken, Sammlungsleiterin des Kunstmuseums und Kuratorin der geplanten Ausstellung rund um die Olympia, sagt dazu: „Diese Fragen müssen mit den Denkmalbehörden und allen Beteiligten in der Stadt diskutiert werden.“ Lesen Sie auch: Warten auf nackte Schöne: Gelsenkirchener vermissen ihre „Olympia“

Adolf Hitler setzte Fritz Klimsch einst auf die Liste der „Gottbegnadeten“

Die „Olympia“ an ihrem alten Platz im Park an der Goldbergstraße. Recherchen zur Geschichte der Skulptur haben gezeigt, dass der Originalguss 1936 von Adolf Hitler und Hermann Göring für die neue Reichskanzlei beauftragt wurde.
Die „Olympia“ an ihrem alten Platz im Park an der Goldbergstraße. Recherchen zur Geschichte der Skulptur haben gezeigt, dass der Originalguss 1936 von Adolf Hitler und Hermann Göring für die neue Reichskanzlei beauftragt wurde. © WAZ FotoPool | Thomas Schmidtke

Die Ausstellung mit der Bronzeskulptur im Mittelpunkt wird ab Anfang Juni im Grafikkabinett des Museums zu sehen sein. Die Figur des Künstlers Fritz Klimsch (1870-1960) wird eingerahmt von Archivalien, Fotografien und Büchern, „die die Skulptur in ihren Entstehungskontext und in den zeithistorischen Diskurs einbetten“, so Wanken. Lesen Sie auch:Platz der Olympia im Goldbergpark bleibt vorerst leer

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Außerdem wird das Museum in Kooperation mit dem Institut für Stadtgeschichte und mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung am 22. Juni eine spannende Tagung rund um das Thema Kunst im öffentlichen Raum veranstalten. Titel: „Kunst in der Kommune: Über die Gleichzeitigkeit von Innovation und Kontinuität deutscher Kunstpolitik nach 1945“. Die dreitägige Tagung mit hochkarätigen Experten findet ab 19 Uhr im Musiktheater im Revier und am 23. und 24. Juni im Kunstmuseum Gelsenkirchen statt.

Klimsch-Skulptur aus dem Goldbergpark wurde inzwischen restauriert

Sammlungsleiterin Christiane Wanken will mit der Ausstellung „die Skulptur in ihren Entstehungskontext und in den zeithistorischen Diskurs einbetten“.
Sammlungsleiterin Christiane Wanken will mit der Ausstellung „die Skulptur in ihren Entstehungskontext und in den zeithistorischen Diskurs einbetten“. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Die nackte, sitzende Klimsch-Bronzefigur im Stile der griechischen Antike erwarb die Stadt Gelsenkirchen 1958 von der Kölner Galerie Abels und stellte die Arbeit im gleichen Jahr im Goldbergpark auf. Seit 1990 steht sie unter Denkmalschutz, darum ist auch die Untere Denkmalbehörde in den Prozess um die Wiederaufstellung eingebunden.

Was den Umgang mit diesem Kunstwerk schwierig macht, ist seine Entstehungsgeschichte in dunklen Nazi-Zeiten. Aus der macht die Stadt Gelsenkirchen schon lange kein Geheimnis, informiert ausführlich auf ihrer Homepage über den Künstler, den Adolf Hitler einst auf die Liste der „Gottbegnadeten“ gesetzt hatte.

„Kritische Auseinandersetzung mit einem rassistischen Körperideal“

Die weitere Auseinandersetzung mit der Skulptur soll nun die geplante Ausstellung anschieben. In einem Facebook-Beitrag über die Olympia schreibt das Kunstmuseum: „In der Ausstellung werden wir uns auch kritisch mit einem rassistischen Körperideal, das sich hier abbildet, befassen.“

Über die geplante Ausstellung informierte die Stadt jüngst auch die Mitglieder des Kulturausschusses, die das Procedere rund um die inzwischen restaurierte Figur zur Kenntnis nahmen. In der Vorlage schreibt Kulturdezernentin Anne Heselhaus: „Recherchen zur Geschichte der Skulptur haben gezeigt, dass der Originalguss 1936 von Adolf Hitler und Hermann Göring für die neue Reichskanzlei beauftragt wurde.“ Die Skulptur, die die Stadt Gelsenkirchen 1958 angekauft hat, stand dort aber wohl nie, sondern soll ein Nachguss aus den fünfziger Jahren sein.

Von Nolde bis Mueller: Kunstmuseum nimmt Sammlungsbestand kritisch unter die Lupe

Emil Noldes „Frauenbildnis
Emil Noldes „Frauenbildnis" gehört zum Sammlungsbestand des Gelsenkirchener Kunstmuseums. © Funke Foto Services | Martin Möller

Aktuell beschäftigen sich die Kunstexperten im Gelsenkirchener Museum nicht nur mit der schwierigen Vergangenheit und Zukunft der „Olympia“. Anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus kündigte das Museum eine kritische Auseinandersetzung mit dem Sammlungsbestand des Hauses an. Lesen Sie auch: Emil Nolde: Gartenglück und Scherbenhaufen

So heißt es auf Facebook: „Wir müssen leider berichten, dass sich in unserer Sammlung keine Werke außereuropäischer Künstler:innen befinden. Diese Form von Ausgrenzung ist typisch für deutsche öffentliche Kunstsammlungen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden.“ Man sei aber nun sensibilisiert und versuche, die Sammlung hinsichtlich dieser „eklatanten Lücke“ zu schließen.

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Auch den Künstler Emil Nolde nimmt das Museum auf Social Media kritisch unter die Lupe: „Nolde war schon sehr früh Mitglied der NSDAP, Hitler-Anhänger und hielt sich mit rassistischen Äußerungen nicht zurück. Dieser Teil seiner Biografie wurde lange verschleiert.“ Das Gelsenkirchener Museum besitzt neun Nolde-Arbeiten: „Keines hat eine eindeutige rassistische Aussage, trotzdem denken wir kritisch über die Präsentation seiner Kunstwerke nach.“

Museumsteam denkt kritisch über die Präsentation der Arbeiten nach

Ein kritischer Blick wird zudem auf den expressionistischen Künstler Otto Mueller geworfen, der in seinen Werken Menschen als „Zigeuner“ bezeichne und Sinti und Roma „romantisiere und sexualisiere“. In der Gelsenkirchener Sammlung befinden sich vier Werke von Otto Mueller. Auf Facebook schreibt das Museumsteam, dass man auch hier kritisch über die Präsentation der Arbeiten nachdenke.