Gelsenkirchen-Erle. Die Gelsenkirchener Kinderärztin Dr. Kirchmeyer bietet Flüchtlingen einen besonderen Service. Er hilft auch, ukrainische Impfausweise zu lesen.

Tage und Nächte in Bombenschutz-Kellern, eine Flucht unter Lebensgefahr: Wie sich ukrainische Mädchen und Jungen fühlen, die sich mit ihren Müttern nach Gelsenkirchen gerettet haben, kann Dr. Katja Kirchmeyer nur erahnen. Was sie aber als Kinder- und Jugendärztin weiß: Krankheitserreger machen um Kriegsflüchtlinge keinen Bogen. Und so hat sie eine Extra-Sprechstunde für sie eingerichtet, Russisch-Übersetzung inklusive.

Es war der Anruf eines Bekannten, der das Ganze ins Rollen brachte: „Er hat selbst Flüchtlinge aufgenommen, darunter ein Mädchen, das eine besondere Hormonspritze und bestimmte Blutwerte zur Kontrolle brauchte“, berichtet die 53-Jährige.

Beim ersten Impfpass in kyrillischer Schrift war Gelsenkirchener Ärztin zunächst hilflos

Zu der kurzerhand organisierten Untersuchung brachte er neben der jungen Patientin und deren Mutter auch eine Kollegin mit, die alles übersetzte – per Online-Dienst via Smartphone. „Es hat ganz gut geklappt, aber beim Impfpass in kyrillischer Schrift waren wir hilflos.“

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Ihr war klar, dass es nicht die letzte ukrainische Patientin sein würde – und so fragte sie unter den russischsprachigen Eltern ihrer Patienten nach, ob jemand bereit wäre zu übersetzen. „Zum Glück fand sich eine Mutter, die nun mittwochs zwischen 12 und 13 Uhr dolmetscht.“

Medizinerin aus Gelsenkirchen: Ukrainische Kinder sehen ziemlich mitgenommen aus

Der Service sprach sich schnell unter den Flüchtlingen herum: Am ersten Mittwoch suchten gleich sieben Mütter mit ihren Kindern medizinischen Rat bei ihr. „Zum Glück waren keine schweren Erkrankungen dabei, aber die Kinder sahen schon ziemlich mitgenommen aus; sie waren sehr ernst – kein Wunder, bei dem, was sie erlebt haben. Auch dass sie ihre Väter zurücklassen mussten, bedrückt sie.“ Weiteres Thema: Gelsenkirchener Schulen: Unterricht startet für Ukrainer

Den Übersetzungsservice der russischsprachigen Mutter weiß die Ärztin sehr zu schätzen. „Nun können wir auch die Impfpässe in kyrillischer Schrift lesen. Das ist auch wichtig wegen der Grundimmunisierung in puncto Krankheiten wie Masern, schließlich gilt da in Deutschland eine Impfpflicht für Kinder und Jugendliche.“

Stadt Gelsenkirchen: Masern-Impfpflicht gilt auch für ukrainische Mädchen und Jungen

Die Stadt bestätigt auf Anfrage, dass diese auch für ukrainische Mädchen und Jungen gelte – jedenfalls was die Betreuung in einer Kita angeht. „Bei Kindern ab sechs Jahren wiegt die Schulpflicht höher. Da geben wir Eltern eine Frist von acht Wochen, die Masern-Impfung doch noch nachzuholen. Ansonsten drohen wie bei Deutschen Bußgelder von bis zu 2500 Euro“, so Sprecher Jan-Peter Totzek.

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Wer seinen Impfpass auf der Flucht nicht mitnehmen konnte und sich nicht an einzelne Impfungen erinnern kann, dem werden, wie vom Robert-Koch-Institut vorgesehen, sämtliche Impfungen angeboten – und ein deutschsprachiger Impfpass ausgestellt, der international anerkannt wird.

Falls Eltern die für die Abrechnung eigentlich notwendigen Behandlungsscheine nicht dabei haben, die die Verwaltung bei der Erfassung der Flüchtlinge herausgibt, so ist das für die Medizinerin kein Problem: „Nach Absprache mit der Stadt reicht es, eine Kopie des Personalausweises vorzulegen und den Unterbringungsort anzugeben“, freut sie sich über die „gute Kooperation“ mit dem Gesundheitsamt. So sei auch die Hormonspritze für das Mädchen „ganz schnell und unbürokratisch“ genehmigt worden. Auch die Übernahme von Medikamenten-Kosten sei durch die Behandlungsscheine gedeckt.

Kinderarzt-Praxis von Dr. Katja Kirchmeyer, Ludwig-Erhard-Straße 10, 0209 777025