Gelsenkirchen. Wie sicher ist es, sich nach sieben Tagen freitesten zu lassen? Ein Gelsenkirchener Krankenhaushygieniker findet darauf eine beruhigende Antwort.
Zwar wurden noch nie so viele Leute wie aktuell mit dem Coronavirus infiziert. Die Quarantänepflicht ist aber mittlerweile von überschaubarer Dauer – und so lässt sich nach sieben Tagen per negativem Antigenschnelltest die alte Freiheit zurückbekommen. Aber: Ist das nicht ein Freifahrtsschein mit Tücken? Und stellt es nicht ein umso höheres allgemeines Ansteckungsrisiko dar, wenn auch Infizierte nur schlampig aus der Quarantäne freigetestet werden?
Denn nicht nur haben wir es in der WAZ bereits per Selbstversuch dokumentiert, auch bekommt die Redaktion immer häufiger in Gesprächen mit Leserinnen und Lesern geschildert, wie hastig und scheinbar unsauber in vielen Schnelltestzentren gearbeitet werde. Von schlechten Erfahrungen berichtet uns etwa Leser Dieter Schlimmer: „Keinem Menschen ist mit einer Testmethode ‘light’ geholfen, die zu falschen Ergebnissen führt“, schreibt er uns.
Gelsenkirchens Krisenstableiter: Auch nach Freitestung vorsichtig sein
Gelsenkirchens Krisenstableiter Luidger Wolterhoff sagt auf Nachfrage, er könne entsprechende Sorgen nachvollziehen. Die Quarantäne mit einem gut durchgeführten PCR-Test zu verlassen, gebe natürlich ein besseres Sicherheitsgefühl. Die aktuellen Quarantäne-Regeln seien aber nun einmal „als pragmatische Entscheidung getroffen worden, weil es bei den Laborkapazitäten aktuell nicht anders geht.“ Dennoch seien alle gut beraten, auch nach der Freitestung per Schnelltest weiterhin vorsichtig zu handeln und Kontakte zu reduzieren.
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„Die Qualität der Durchführung ist bei den Tests natürlich entscheidend“, sagt Arnd Kemper, Leiter der Krankenhaushygiene der St. Augustinus Gelsenkirchen GmbH. Insofern sei schon damit zu rechnen, dass dem nicht ärztlich eingewiesenen Personal an vielen Teststellen Fehler passieren. Aber gleichzeitig hält es der Krankenhaushygieniker auch nicht für allzu problematisch, wenn sich symptomfreie Menschen, bei denen man per sauber durchgeführtem Test möglicherweise noch das Virus hätte nachweisen können, wieder in die Öffentlichkeit begeben.
Ist auf Corona-Testergebnisse noch Verlass?
Der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte, Andreas Bobrowski, berichtet von Menschen, die „von Testzentrum zu Testzentrum laufen, bis sie das Ergebnis haben, das sie haben wollen“. Die einen wollten sich freitesten, um die Quarantäne zu beenden, die anderen einen positiven Bescheid, um als genesen zu gelten. Die meisten wollten natürlich ein korrektes Ergebnis - aber für den Laien sei die Qualität von Tests nicht leicht zu erkennen.
„Man kann jede Menge Fehler machen“, sagte Bobrowski. „Vor der Pandemie waren die professionelle Abnahme und die Labordiagnostik ärztliche Aufgaben. Jetzt ist das alles verwässert. Das Monetäre herrscht über die Qualität.“
Gelsenkirchener Krankenhaushygieniker rechnet mit Paradigmenwechsel
Der Gelsenkirchener Krankenhaushygieniker Arnd Kemper rechnet derweil ohnehin mit einem „Paradigmenwechsel“: Es werde bald weniger darum gehen, wer positiv oder negativ getestet ist, sondern wer Symptome hat und wer frei von ihnen ist. Für das medizinische Personal gilt zwar weiterhin, dass es sich nur per PCR-Test freitesten kann. Wer nach zehn Tagen immer noch den positiven PCR-Nachweis hat, jedoch längst symptomfrei ist und auch keinen auffälligen CT-Wert hat (laut Kemper um die 25), berge jedoch keine potenzielle Ansteckungsgefahr für die Kollegen und Patienten mehr. „Solche Fälle ignorieren wir mittlerweile.“
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Und genau das hält Kemper auch für vernünftig. „Wir müssen versuchen, Corona in den Arbeitsalltag zu integrieren“, sagt er – und stellt einen Vergleich zum Norovirus an, das zu einer akuten Magen-Darm-Erkrankung führen kann. Dies lasse sich acht bis zwölf Wochen im Stuhl nachweisen. „So lange könnten wir ja niemanden isolieren.“ Maßgebend sei deshalb die Symptomatik: Wer sich nicht mehr übergibt, kein Durchfall mehr habe, der gelte auch nicht mehr als ansteckend. Und das sei meist spätestens nach 72 Stunden der Fall. Kemper rechnet damit, dass man bald auch ähnlich mit Corona-Infektionen verfahren werde.
Für die Menschen im Krankenhaus, das betont er, berge das keine gesonderten Risiken. Die Positiv-Fälle in der Krankenhausbelegschaft seien aktuell eher auf die Situation in den Schulen und Kitas zurückzuführen. Wer sich ansteckt, der habe es aktuell vor allem von seinen Kindern oder Enkeln.
Quarantäne-Regeln
Wer als Kontaktperson mit einer infizierten Person im gleichen Haushalt lebt, muss ebenfalls automatisch in Quarantäne (für Geboosterte und geimpfte Genesene gilt dies allerdings nicht). Diese dauert wie die Isolierung ebenfalls grundsätzlich zehn Tage – gerechnet ab Symptombeginn oder positiver Testung der infizierten Person. Auch hier kann bei Symptomfreiheit eine Verkürzung auf sieben Tage durch einen negativen offiziellen Schnelltest oder PCR-Test erfolgen.Bei Kita-Kindern und Schülerinnen und Schülern kann die Quarantänezeit mit einem negativen Test sogar auf fünf Tage verkürzt werden.