Gelsenkirchen-Schalke. Claudia Lüke und Uwe Jesiorkowski stellen Bilder von Menschen in systemrelevanten Berufen zusammen. Eine Riesenleinwand belebt ein Gewerbegebiet.

Die Maske begleitet uns seit zwei Jahren in der Pandemie. Sie lässt Regungen in den Gesichtern verschwinden und verdeckt die einzelnen Züge bis zur Anonymität. Aus dem kleinformatigen Rippenstoß gegen diese Uniformität unter Corona haben nun Claudia Lüke und Uwe Jesiorkowski etwas Großes gemacht. Ihre gemeinsame Installation ziert die Freifläche an der Wilhelminenstraße im Gewerbegebiet.

Die Bandbreite schreit geradezu nach Breite, und die bietet die Wiese hinter dem Garagenhof der Häuser der nahen Vewo-Wohnungsverwaltung reichlich. 24 mal neun Meter messen die großformatigen Menschen-Bilder. Sie hängen an einem Gerüst noch vor der gleichförmigen Backstein-Fassade und gewinnen so vielleicht sogar an Ausdruck gegenüber einer Wand-Montage.

Masken gingen von Gelsenkirchen in die Welt

Im vergangenen Sommer, dem zweiten in der Corona-Rechnung, begann Claudia Lüke, die Chance im Chaos zu nutzen. Sie zerschnitt und stückelte ihre Leinwände und machte daraus Schutzmasken. Der Aspekt der Zerstörung, aus der ein Schutz wird, gab dem Projekt den Namen „art destruction to art protection“, kurz ad2ap.

Christian Majewski befestigt einen letzten Teil der Großinstallation an der Wilhelminenstraße in Gelsenkirchen vom Hubsteiger aus.
Christian Majewski befestigt einen letzten Teil der Großinstallation an der Wilhelminenstraße in Gelsenkirchen vom Hubsteiger aus. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Lüke beschreibt: „Künstler wie auch andere, im gesellschaftlichen Kontext wenig wertgeschätzte Berufe sind durch die Auswirkungen der Pandemie in einen neuen Fokus gerückt. Im Spannungsfeld zwischen Zerstörung und neuer Sichtbarkeit hat sich das Kunstprojekt als kreative Einlassung auf diese Krisenzeit entwickelt.“

Ideen für die Fläche

Die Großinstallation am Gerüst in Höhe der Wilhelminenstraße Nr. 124 ist auf drei Monate angelegt, die Giebel auf dem Garagenhof durchaus auch länger. Weitergehendes Info-Material ist im angrenzenden Rewe-Markt ausgelegt.Die Fläche drängt sich für Claudia Lüke und Uwe Jensiorkowski förmlich zu weiteren Aktivitäten auf, „dazu, bespielt zu werden, fast für ein Festival“. Ideen sind willkommen unter www.claudia-lueke.de und www.uwejesiorkowski.de

Der Zerstörung der ursprünglichen Bilder folgen Umdeutung und Sichtbarmachung: Aus zerstörter Kunst werden Mundschutzmasken. Sie zeigen, in alle Welt versandt, eine breitgefächerte Kunstszene.

Mit den Menschen zum Teil des Werks geworden

Lüke hat die Masken zu Freunden und Bekannten geschickt, zu Künstlern und Personen, die mit Kunst zu tun haben. London, Zermatt, Belgrad, Luxemburg, Borkum, Gelsenkirchen, Toronto und Sydney sind nur einige der Zielorte gewesen. „Die Menschen, die die Masken bekommen haben, haben dann ein Selfie von sich mit Maske gemacht oder sich fotografieren lassen und mir dann die Fotos zurückgeschickt.“

Zerstörung macht auch sichtbar, vor allem dann, wenn Uwe Jesiorkowski in seinen insgesamt etwa 150 besonderen Porträts den Blick auf jene Menschen lenkt, die für eine funktionierende Gesellschaft sorgen. Er stellt mit markanten Personen mit den neu entstandenen Kunst-Masken Claudia Lükes’ wenig wertgeschätzte Berufsgruppen in den Fokus. Zeitlich markiert mit den „Kunstmasken“ lenkt er den Blick auf sie und gibt Anlass, über ihren Stellenwert auch in Nicht-Krisenzeiten nachzudenken.

Bei der Arbeit - ohne jede Wertung

„Die einzelne Arbeit mit ihren Bedingungen bekommt eine ganz andere Gewichtung als vorher im alltäglichen Bewusstsein“, erzählt der Fotograf. Wert hat er auf eine neutrale Darstellung der Berufsgruppen gelegt, „niemand sollte sich in seiner Arbeit angegriffen fühlen“.

Die Vewo GmbH habe sich gern für die Realisierung der Großinstallation stark gemacht, erläutert Ute Trapp schmunzelnd. Denn auf den Giebelwänden der Garagen erspare sich die Firma allein schon die teure Entfernung von Graffiti. „In voller Größe ist art destruction to art protection auch noch viel beeindruckender als am Rechner, das hat unsere Erwartungen übertroffen“, schildert sie, „und am eigenen Gerüst vielleicht noch besser als an der Wand dahinter.“