Gelsenkirchen. Das Testen ist zum Millionengeschäft geworden. Die Anforderungen sind gering, die Margen gewaltig. Was es in Gelsenkirchen zu verdienen gibt.
Es gibt sie in jeder deutschen Stadt, in größeren Städten fast an jeder Straßenecke: Corona-Teststellen – sie sind zuletzt wie Pilze aus dem Boden geschossen. Der Grund: Es lässt sich sehr einfach und sehr schnell viel Geld verdienen. Auch in Gelsenkirchen, wo es mittlerweile 230 Teststellen und Ärger wegen hoher Konkurrenzdichte gibt. Denn auch hier werden pro Monat Millionen umgesetzt.
Es ist einfach, sich als Testzentrum zertifizieren zu lassen. Zertifizieren ist dabei ein Wort, das viel Know-how und beträchtliche Qualifikation impliziert. Das Gegenteil ist aber der Fall. Große Anforderungen daran gibt es nicht. Man muss nur sicherstellen, dass notwendige Hygiene-Vorschriften eingehalten werden. Eine Folge: Private Anbieter fluten den Testmarkt. Denn mit Corona-Schnelltests lässt sich schnell viel Geld verdienen.
80.000 Corona-Tests in Gelsenkirchen pro Woche: 4,3 Millionen Euro Monatsumsatz
Stefan Kuster, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, erklärt, wie die Tests abgerechnet werden und was der Betreiber erhält: „Die Vergütung der Bürgertests ergibt sich aus der aktuell gültigen Impfverordnung: Hier werden jeweils acht Euro zuzüglich 3,50 Euro Sachkostenersatz vergütet.“
Die Teststellen sind dabei angewiesen, täglich die Anzahl der insgesamt durchgeführten Bürgertestungen und die Anzahl der davon positiven Testergebnisse an das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen zu übermitteln. Die Meldung erfolgt über ein durch das Land bereitgestelltes Online-Portal.
Nach Auskunft von Carsten Duif sind beim Ministerium „aus Gelsenkirchen in der ersten Kalenderwoche 85.487, in der zweiten 71.603 und in der dritten 91.031 Meldungen eingegangen“. Das entspricht zwar nicht der Zahl der letztlich abgerechneten Tests, zeigt aber deutlich die Dimensionen dieser Geldmaschinerie auf. Bei rund 80.000 Tests im Schnitt pro Woche und einem Vergütungsbetrag von 11,50 Euro macht das rund 4,3 Millionen Euro im Monat, die in Gelsenkirchen umgesetzt werden. Auf die 230 Testcenter hier entfielen theoretisch knapp 19.000 Euro im Monat.
Dank Einsatz von ungelernten Kräften und Minijobbern: Margen jenseits der 50-Prozent
Umsatz ist nicht gleich Gewinn, klar. Aber auch bei den Personalkosten lässt sich kräftig an der Preisschraube drehen, damit am Ende reichlich Geld übrig bleibt. Bei Jobangeboten von privaten Testanbietern finden sich Stundenlöhne für ungelernte Mitarbeiter zwischen neun und 15 Euro. Klingt erst einmal nach viel, amortisiert sich aber in Windeseile, weil ein einziger Schnelltest kaum mehr Zeit braucht als eine Minute.
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Und: Viele Testzentren stellen gleich nur Minijobber auf 450 Eurobasis ein, um Kosten zu sparen. Corona-Schnelltests kosten Otto Normalverbraucher in Drogerien oder bei Discountern 2,50 bis 4,50 Euro pro Stück – also deutlich weniger als die acht Euro, die der Bund dafür bezahlt. Weil die Einkaufspreise für Gewerbetreibende darunter liegen, sind die Gewinnmargen vergleichsweise gewaltig – weit jenseits der 50 Prozent.
Bei so viel Geld ist die Verlockung mitunter groß, sich von den Fleischtöpfen eine ordentliche Portion zu sichern. Spätestens die mutmaßlichen Betrügereien eines angeklagten Bochumer Immobilien-Unternehmers, dem Abrechnungsbetrug in Höhe von 25 Millionen Euro vorgeworfen wird, und einer dreisten Essenerin mit elf Fake-Teststellen haben gezeigt, welches Ausmaß die negativen Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie annehmen.
Schwächen bei der Kontrolle der Corona-Testabrechnungen noch nicht beseitigt
Wie steht es also um die Kontrollen, fällt es überhaupt auf, wenn ein Teststellen-Betreiber angenommen täglich 50 oder 100 Tests mehr angibt, als er in Wirklichkeit gemacht hat? Immerhin hat die KVWL (Stand 17. Januar) allein für die Corona-Tests in Testzentren Dritter 18,3 Millionen Euro ausgezahlt. Mit Sachkosten, labordiagnostischen Untersuchungen und einer Reihe weiterer Leistungen kommt man auf einen Gesamtbetrag von rund 912 Millionen Euro.
Dazu sagt KV-Sprecher Stefan Kuster: „Um Betrug zu vermeiden, sieht die Corona-Testverordnung Plausibilitätsprüfungen und bei Verdachtsfällen vertiefte Prüfungen vor. Bei einer vertieften Prüfung lässt sich die KVWL die vollständige Leistungsdokumentation vorlegen.“ (Siehe dazu auch die Info-Box).
So werden Corona-Tests abgerechnet und dokumentiert
Die Teststellen rechnen die durchgeführten Testungen gemäß den Vorgaben der Corona-Testverordnung mit der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung (KV) ab. Diese fordert die dazu nötigen Mittel beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) an und leitet die Gelder an die Leistungserbringer weiter. Bevor eine Teststelle eine Abrechnung einreichen kann, muss sie sich zunächst bei ihrer zuständigen KV registrieren.
Die Testverordnung des Landes NRW regelt, welche Angaben dokumentiert und bis zum 24. Dezember 2024 aufbewahrt werden müssen. Das sind unter anderem bei jeder durchgeführten Testung: der Vorname, der Familienname, das Geburtsdatum und die Anschrift der getesteten Person, die Art der Leistung, der Testgrund, der Tag, die Uhrzeit, das Ergebnis der Testung und der Mitteilungsweg an die getestete Person. Und bei einem positiven Testergebnis: ein Nachweis der Meldung an das zuständige Gesundheitsamt.
Schön und gut, doch wer soll all diese Daten auf ihre Echtheit hin überprüfen, wo doch schon die Gesundheitsämter an der Nachverfolgung von Corona-Kontaktpersonen reihenweise scheitern angesichts von Abertausenden Infizierten täglich?
Zwar können zu Unrecht gewährte Leistungen von den KVen zurückverlangt werden. Und auch die Staatsanwaltschaften ermitteln bei einem begründeten Verdacht eines Abrechnungsbetruges – das zeigen die oben genannten Fälle. Doch zwei Kernprobleme des Abrechnungs- und Kontrollsystems bleiben, wie Stefan Kuster sagt: „In den Abrechnungsdaten dürfen keine personenbezogenen Daten an die KV übermittelt werden. Und eine Prüfung aller Dokumentationen ist aufgrund der hohen Zahl an Einzelleistungen, die monatlich mit uns abgerechnet werden, nicht möglich.“ Kommissar Zufall beschert den Ermittlern da schon eher einen Erfolg. Oder wenn es Teststellenbetreiber arg übertreiben bei den Meldezahlen.
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