Essen. Warum mit Teststellen betrügen, wenn es auch ohne geht? Eine 49-Jährige scheffelte binnen vier Monaten 1,1 Millionen Euro. Und stolperte dann.

Fürs schnelle Geschäft mit dem hartnäckigen Virus hatten viele ein Näschen. Und einige halfen dem Erfolg ihrer Corona-Teststellen sogar mit fingierten Zahlen nach. Aber was für ein Aufwand: Zelte besorgen und Personal, Stellflächen anmieten und Hygiene-Konzepte schreiben – geht das alles nicht einfacher? Es geht, wie eine 49-jährige Frau aus Essen unter Beweis gestellt hat: In gerade mal vier Monaten, von August bis Oktober vergangenen Jahres, kassierte sie 1,1 Millionen Euro für Corona-Bürgertests, die es nicht gab. Denn ihre elf Teststellen im gesamten Bundesgebiet, sie waren kurzerhand – frei erfunden.

Als der Betrug ruchbar wurde, war das so flugs angeschwollene Konto von Staats wegen genauso schnell wieder abgeräumt: Immerhin 925.000 Euro konnten im Wege des Vermögensarrestes durch Konto-Pfändungen gesichert werden. Und wie die Sprecherin der Essener Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwältin Anette Milk, am Montag bestätigte, sitzt die mutmaßliche Betrügerin derzeit in Untersuchungshaft. Sie wird sich vor dem Schöffengericht verantworten müssen, die Anklage ist erhoben, ein Eröffnungsbeschluss für den Prozess allerdings noch nicht erfolgt.

Wo keine Teststelle existiert, hilft auch keine Strichliste der Kontrolleure

Das gibt allen Beteiligten noch etwas Zeit darüber zu sinnieren, wie es denn sein kann, dass da jemand bei den Kassenärztlichen Vereinigungen landauf landab insgesamt siebenstellige Beträge für ausgedachte Tests und Impfungen abräumt, obwohl die Ermittler doch erst kurz zuvor die mutmaßlich betrügerische Gelddruckmaschine von MediCan ausgehoben hatten. Das bundesweit tätige Unternehmen soll mit 55 Corona-Teststationen und 40 mobilen Testbussen einen Gesamtschaden von über 25 Millionen Euro verursacht haben.

Öffentlich wurde die großangelegte Schummelei damals, weil Journalisten an mehreren Standorten die Zahl der gemeldeten Tests für bestimmte Tage mit ihren eigenen Teilnehmer-Strichlisten verglichen. Eine Falle, in die die 49-jährige Essenerin nicht tappen konnte, weil es bei ihr keine existierenden Teststellen zu beobachten gab: Sie hatte, wie das Justizministerium jetzt dem Rechtsausschuss berichtet, ihre Dienste nur im Online-Verfahren angemeldet und abgerechnet.

Aufgeflogen durch einen Anzeige wegen Verdachts auf Geldwäsche

Wo die virtuellen Testzentren im Detail lagen, ist nicht bekannt. Oberstaatsanwältin Milk nennt Baden-Württemberg und NRW als „Tatorte“, wobei die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein betont, dass das in ihrem Zuständigkeitsbereich kaum erfolgt sein dürfte: Mit ihr „können grundsätzlich nur Teststellen abrechnen, die uns vorher eine Beauftragung des örtlichen Gesundheitsamtes vorlegen“, sagt Christopher Schneider, Sprecher der KV Nordrhein. Die Prüfung der Teststelle vor Ort obliege dann dem Gesundheitsamt.

Fakt ist: Die Million floss aufs Konto der 49-Jährigen, die dann vermutlich Opfer ihres eigenen Erfolgs wurde. Eine Anzeige wegen Geldwäsche-Verdachts bereitete dem Treiben ein jähes Ende.