Gelsenkirchen-Bismarck. Das Gebäude der maroden Hängebank unter dem markanten Doppel-Förderturm wird abgerissen. Nach Ende der Zeche wurde schon die Hälfte zurückgebaut.

Der „Doppel-Bock“, das markante Fördergerüst auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Consolidation, steht unter Denkmalschutz wie die beiden Maschinenhäuser nebenan und leuchtet außerdem weithin sichtbar in der Dunkelheit. Aber die Tage der Backsteinhalle zwischen den Streben, die die Hängebank der Anlage aufnimmt, sind nun endgültig gezählt. Der Rückbau steht an. Erste Arbeiten zur Sicherung der Baustelle beginnen in diesen Tagen.

Paradox mutet es an, dass die Hängebank nicht einfach so weichen kann, obwohl sie seit über 20 Jahren bereits als „einsturzgefährdet“ eingestuft ist. Denn noch stützt sie den Doppelbock. Die Hängebank mit dem Umlauf für die Förderwagen, die Loren, bildete den Bereich des Bergwerks, an dem die Förderung aus dem Schacht 9 an die Tagesoberfläche kam, die Nahtstelle zwischen unter und über Tage.

Nach einigen Vorstößen, an dieser Stelle alternative Lösungen zu finden, hat sich die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, die Eigentümerin des Denkmalensembles, entschlossen, die Hängebank abreißen zu lassen.

Sieben Meter über dem Schachtende wurden auf der Hängebank auf „Consol“ die beladenen Wagen in den Umlauf gedrückt und entladen, um dann wieder nach unter Tage befördert zu werden.
Sieben Meter über dem Schachtende wurden auf der Hängebank auf „Consol“ die beladenen Wagen in den Umlauf gedrückt und entladen, um dann wieder nach unter Tage befördert zu werden. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Nach der Stilllegung der Zeche im Jahr 1993 wurden weite Teile der Anlagen abgebrochen, darunter auch die Hälfte der Hängebank und der damit verbundene Mannschaftsgang mit der Waschkaue. Die dem Consolplatz zugewandte Abrissfront wurde anschließend nicht wieder verschlossen und blieb als Abbruchfassade offen stehen.

Über 20 Jahre herrschte Einsturzgefahr

Nach und nach wurden die Wände mit Netzen abgedeckt, rundum war das Gelände mit einer feststehenden Zaunanlage gesichert. Die Hängebank ist als aufgeständerte Schachthalle in das 53 Meter hohe Fördergerüst integriert. Sie ist ein mächtiger, aufgeständerter Baukörper von 68,3 Metern Länge, 20,2 Metern Breite und 24,9 Metern Höhe.

Zur „Extraschicht - Nacht der Industriekultur“ stieg 2012 aus der historischen Hängebank immer wieder Dampf auf.
Zur „Extraschicht - Nacht der Industriekultur“ stieg 2012 aus der historischen Hängebank immer wieder Dampf auf. © Archiv WAZ FotoPool | Martin Möller

Der Rückbau beginnt mit der statischen Sicherung des Schachtführungsgerüstes, das ohne die Konstruktion der Hängebank nicht ausreichend gestützt sein würde. Daher wird ein Stahlkorsett errichtet, das das Gerüst vorrangig gegen den Winddruck verstärkt. Die Halle wird ausgeräumt, Schadstoffe müssen ermittelt und entfernt werden, außerdem werden Hohlräume verfüllt, die vorab entdeckt wurden.

Stahlkorsett stützt das Gerüst auf dem ehemaligen Zechengelände in Gelsenkirchen-Bismarck

Dann beginnt der tatsächliche Rückbau, bei dem behutsam und Stück für Stück erst das Dach, dann das Mauerwerk, der Kohlebunker und zum Schluss das Stahltragwerk entfernt werden. Bis etwa Mitte 2022 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein – abhängig von der Intensität des Winters. Die Kosten für den Rückbau liegen bei rund 1,5 Millionen Euro und werden über Städtebaufördermittel finanziert.

„Dass wir als Stiftung, die sich explizit für den Erhalt von Industriedenkmälern einsetzt, nun einen Rückbau organisieren müssen, fällt uns nicht leicht“, so Ursula Mehrfeld, Geschäftsführerin der Stiftung. „Seit 1995 ist es unsere Aufgabe, vom Abriss bedrohte Denkmäler zu sichern und zu bewahren. Die Zeche Consolidation zählte zu den ersten, die in die Obhut der Stiftung gegeben wurden.“

Für ein Wohnprojekt konnten keine Investoren gefunden werden

„Von 2002 bis 2005 konnten wir bereits das Fördergerüst und die zugehörigen Maschinenhäuser mit der Stadt Gelsenkirchen und mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sanieren“, so Mehrfeld. Dass die historische Hängebank mit ihrem Wagenumlauf erhalten blieb und die Stiftung das Bauwerk in ihr Eigentum übernommen hat, erschien zunächst wie eine Chance, jedoch konnte das Gebäude nach reiflicher Abwägung auch aus finanziellen Gründen nicht bewahrt oder umgenutzt werden.

Der Initiativkreis der Zeche hat die Hängebank zumindest als Modell erhalten.
Der Initiativkreis der Zeche hat die Hängebank zumindest als Modell erhalten. © WAZ | Uli Kolmann

Die Stiftung will der Stadt Gelsenkirchen den dann entstehenden Freiraum als Platz für städtebauliche Entwicklungen anbieten. Allerdings wurden schon 1997 bis 2019 mehrere Pläne geprüft. Darunter befanden sich privatwirtschaftliche Vorhaben, wie das Projekt „Wohnen in der Hängebank“, für das keine Investoren gefunden wurden. 2005 erarbeitete ein Architekturbüro weitere Varianten und Kostenschätzungen.

Erhalt als Museum würde Millionen kosten

Ein kompletter Erhalt, bei dem der Wagenumlauf im Innern der Hängebank zugänglich blieb, war der Favorit. 2018 nahm die Stiftung die Überlegungen wieder auf. Die geschätzten Kosten für eine Nutzung als Museum mit möglichen Folgekosten lagen dabei allerdings bei mindestens neun bis zehn Millionen Euro. Eine Summe, die nach Abwägung im Stiftungskuratoriums, dessen Vorsitzende NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) ist, als auch innerhalb der Stadt Gelsenkirchen nicht zu vertreten gewesen sei.

Virtueller Rundgang

3D-Dokumentationen der Stadt Gelsenkirchen und der RAG-Aktiengesellschaft sollen einen virtuellen Rundgang durch die Hängebank möglich machen. Allerdings müssen Stiftung und Stadt zunächst beraten, in welcher Form diese Daten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Die gesamte Maßnahme werde seit Beginn der Planungen bauökologisch begleitet, auch während der aktiven Abbruchphase, so die Stiftung Industriedenkmal. Während der gesamten Dauer sollen sowohl das südliche als auch das nördliche Maschinenhaus geöffnet bleiben. Weitere Informationen zu den Öffnungszeiten unter www.industriedenkmal-stiftung.de und www.gelsenkirchen.de

„Wir hätten uns natürlich den Erhalt der Hängebank gewünscht“, bedauert auch Martin Gernhardt, Vorsitzender des Initiativkreises Bergwerk Consolidation. „An keinem anderen Standort im Ruhrgebiet hätte man so anschaulich die Funktion und Verbindung der Gebäude vermitteln können“, beschreibt er das Alleinstellungsmerkmal, das die Hängebank in Bismarck zu einem der letzten erhaltenen Zeugnisse für die Abläufe im Steinkohlebergbau mache. Die Mitglieder des Vereins engagieren sich seit 1997 für den Standort, bieten Führungen an und haben die Fördermaschine im südlichen Maschinenhaus konserviert und wieder funktionstüchtig gemacht.