Gelsenkirchen-Buer. Warum ein Gelsenkirchener Gymnasium seine Halle für den Schulsport gesperrt hat. Und wieso Eltern das OB-Büro mit Hilferufen fluten.
Stress mit Lehrern, Leistungsdruck und dann noch die Pubertät: „Dicke Luft“ gibt’s an allen Schulen, wohlgemerkt im übertragenen Sinn. Am Max-Planck-Gymnasium (MPG) ist diese Metapher jedoch derzeit wörtlich zu verstehen: Die Turnhalle wird für den Schulsport zunächst nicht mehr genutzt. Stattdessen stehen Training an der frischen Luft oder Theorie-Unterricht auf dem Stundenplan.
Hintergrund ist das Ergebnis eines von der Stadt in Auftrag gegebenen Gutachtens, das „Feuchte indizierende Schimmelpilze“ in der Raumluft festgestellt habe, wie Bildungsdezernentin Anne Heselhaus auf Anfrage mitteilte. Die Schule hatte um eine entsprechende Untersuchung gebeten, weil den Sportlehrenden schon vor vielen Monaten ein unangenehmer Geruch aufgefallen war.
Stadt Gelsenkirchen sieht keinen akuten Handlungsbedarf in Sachen Hallennutzung
Während die Schule offenbar sofort die Reißleine zog und die Halle vorsichtshalber für Schüler sperrte, sieht die Stadt keinen akuten Handlungsbedarf in Sachen Weiternutzung. „Der Gutachter hat uns nicht explizit eine Sperrung empfohlen, sondern dazu geraten, für eine bessere Durchlüftung zu sorgen und die Räumlichkeiten gründlich zu reinigen“, erklärte Heselhaus.
Wie hoch das gesundheitliche Risiko für Schülerinnen, Schüler und Lehrende ist, müsse noch überprüft werden. Dies bedürfe der Einschätzung der Fachleute aus der Bauverwaltung. „Die Eltern können aber sicher sein, dass wir die Räume sofort sperren würden, wenn die Situation kritisch wäre“, betonte sie. Die Verwaltung prüfe gerade, ob und welche Ausweich-Hallen in Frage kämen. Nach Angaben der Stadt wurde die Sporthalle an der Suressestraße angeboten, dies habe die Schule aber abgelehnt.
MPG-Eltern mahnen mehr Transparenz an
Die kommissarische MPG-Leiterin Cirsten Scharf wollte sich nicht näher zu der Sperrung äußern. Gleichwohl betonte sie, es bestehe sehr wohl „akuter Handlungsbedarf, da Ursachen für die Ergebnisse des Gutachtens gefunden werden und Maßnahmen zur Verbesserung der Durchlüftung abgewogen werden müssen und die Bewertung des gesundheitlichen Risikos erfolgen muss.“
Die Eltern am MPG sind nicht alle über die Situation informiert, wie eine Nachfrage bei einigen Betroffenen ergab. Eine Vertreterin der Schulpflegschaft, die um das Problem weiß, zeigte sich jedoch besorgt. „Es wäre schön, wenn wir über die Ergebnisse des Gutachtens informiert würden. Wir möchten alle Daten und Fakten auf dem Tisch haben“, mahnte sie mehr Transparenz an. „Die Stadt trägt da Verantwortung.“
Gelsensport ist über Schimmelpilz-Gutachten nicht informiert – Vereinssport geht weiter
Auch in Sachen Luft-Zirkulation und Kohlendioxid-Messung herrschten noch zu viele Unklarheiten. So sei etwa offen, ob genügend Frischluftzufuhr über die Oberlicht-Fenster gewährleistet sei – gerade in Corona-Zeiten ein wichtiges Thema, was den Infektionsschutz angehe.
Gelsensport äußerte sich auf WAZ-Nachfrage unterdessen überrascht von der schulinternen Schließung der Sporthalle: „Wir haben weder von der Sperrung noch von einem Gutachten über Schimmelpilz-Befall Kenntnis“, begründete Thomas Kinner, warum dort nach wie vor Vereinssport stattfindet. Die Stadt habe Gelsensport nicht informiert. Bildungsdezernentin Heselhaus erklärte dazu, dass die Überprüfung der Räume mit der Suche nach der Quelle der Schadstoffe noch nicht abgeschlossen sei.
Schimmelpilz-Befall und Sperrung der einzigen Turnhalle kommen zur Unzeit
Der Schimmelpilz-Befall und die Sperrung kommen zur Unzeit – verschärfen sie doch die vielfach beklagte schlechte Sporthallen-Kapazität am MPG noch einmal: Das vierzügige, derzeit rund 950 Schüler zählende Gymnasium, das Sport als viertes Abiturfach anbietet, verfügt nur über eine einzige Turnhalle. Daher mehren sich bereits seit Jahren Stimmen, die den Neubau einer weiteren Sporthalle fordern; diese könnte dann gemeinsam mit dem benachbarten Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium (AvD) genutzt werden.
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Im März hatte die Große Rats-Koalition sich darauf verständigt, dieses bisherige CDU-Projekt gemeinsam zu verfolgen und, unterstützt von den Bündnisgrünen, eine Berücksichtigung im aktuellen Haushalt beschlossen. Genau die findet sich dort jedoch – nicht. „Ein Skandal“, schimpft Mit-Initiator Markus Karl, bildungspolitischer CDU-Sprecher im Rat, der sich nun für die Aufnahme in den Haushalt als Einzelmaßnahme und eine entsprechende Priorisierung stark macht.
MPG-Eltern schicken Hilferuf-Mails an Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin
Unterstützung dürfte er darin von zahlreichen MPG-Eltern finden, die vor wenigen Wochen prompt der Bitte der Schulpflegschaft nachkamen, einen schriftlichen Hilferuf über die „katastrophale (Sporthallen-)Situation“ an Oberbürgermeisterin Karin Welge zu schicken – und so das Projekt voranzutreiben.
„Ein Lehrplan-gerechter Sportunterricht ist in vielen Fällen nicht möglich“, heißt es in dem Formulierungsvorschlag der Schulpflegschaft, der der Redaktion vorliegt. Und: „Sport als viertes Abiturfach erfährt eine nicht adäquate Berücksichtigung.“ Es könnten „nicht immer nur die Gesamtschulen und die Grundschulen priorisiert werden – auch die Gymnasien haben eine eigenständige Berechtigung“, so die Mahnung.
Schulpflegschafts-Vertreterin: „Situation ist untragbar“
Die Eltern bitten OB Welge „persönlich darum, unser Anliegen (eines Turnhallen-Neubaus) zu thematisieren und priorisieren. Wenn heute nicht begonnen wird, ist spätestens mit der kompletten G9-Umsetzung nicht mehr ansatzweise ein geregelter Sportunterricht denkbar.“
Ob tatsächlich mehrere Hundert solcher Schreiben das OB-Büro fluteten, wie eine Schulpflegschafts-Vertreterin hofft, ist unklar. Für sie ist es eine Flucht nach vorn: „Die Situation ist für alle Beteiligten untragbar.“ Weil der Sportunterricht bis in die Abendstunden ausgedehnt werden müsse, könnten Kinder und Jugendliche ihrem eigenen Sport im Verein oder anderen Freizeitaktivitäten nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr nachgehen.
Markus Karl (CDU) zeigt sich ernüchtert zu Erfolgschancen eines baldigen Neubaus
Im Rathaus wurde der Hilferuf zumindest zur Kenntnis genommen: Der Sachverhalt sei „bereits aufgegriffen“, teilte das OB-Büro in Antwortschreiben unverbindlich mit und versprach, sich nach abgeschlossener Prüfung zu melden.
Was die Erfolgschancen angeht, so zeigt sich CDU-Stadtverordneter Karl nach dem Optimismus im Frühjahr ernüchtert: „Wie ich aus dem Baureferat erfahren habe, sollen erst einmal nur die Gebäude errichtet werden, für die es Fördergelder gibt, etwa die Grundschulen. Und dazu gehört die Sporthalle nicht.“ Eine Lösung könne da ein PPP-Projekt bieten (Public Private Partnership), also eine Kooperation der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft“, schlägt er vor. „Wir sollten das zumindest diskutieren.“