Gelsenkirchen. Die Plattform „Gelsenkirchener Geschichten“ hat tausende Nutzer. Was den Verein als Fundgrube, Faktenfinder und Diskussionsforum ausmacht.
Sie haben den Nordkurven-Autor Michael Klaus zwei Wochen vor dessen Tod porträtiert, sie informieren in Foren über die Corona-Situation in der Stadt und diskutieren über Entwicklungen im Stadtteil, über Kultur sowie Gott und die Welt: Seit 15 Jahren feiern die „Gelsenkirchener Geschichten“ (GG) Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihrer Heimat. Autor werden, Geschichten erzählen oder recherchierte Hintergründe verbreiten kann hier jeder, der sich anmeldet. Avatare und Nicknames gab es hier schon lange, bevor dies auf Facebook und anderen Plattformen Standard wurde.
500.000 Beiträge auf dem Portal
Namen wie Benzin-Depot, Bübchen, Mücke und Stulle oder auch schlichte Vornamen lassen ahnen: Hier möchte man nett zueinander sein. Und wer sich nicht dran hält, wird eben blockiert. Verwaltet wird die aktuell 4622 Mitglieder zählende Gemeinde von nur sieben Menschen, die zum Großteil seit der Gründung im Jahr 2006 dabei sind. Sie moderieren die derzeit fast 500.000 Beiträge auf dem Portal, täglich kommen etwa 90 dazu.
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Schwelgen in Erinnerungen, Unterstützung bei der Identifizierung nicht mehr erkennbarer Standorte, interaktive Spurensuche, Histörchen und Historie sowie aktuelle Ereignisse: All das gehört zum Programm. Marie-Cécile Duclercq, pensionierte Lehrerin, Kunstfreundin und ehrenamtlich vielseitig engagiert, gehört zum Gründungsteam. „Am Anfang waren wir noch viel analoger, haben viele Aktionen initiiert. Wir sind mit einem roten Kunst-Sofa im Stil von Horst Wackerbarth durch die Stadt gezogen, wir haben Banner von Künstlern gestalten lassen, ein Buch veröffentlicht (von dem es noch Einzelexemplare bei Junius gibt, die Red.), viele Aktionen zum Kulturhauptstadtjahr 2010 gestartet. Unsere historischen Kunstautomaten spuckten für fünf Euro – zu zahlen in Eine-Mark-Stücken – Kunststücke im Mini-Format aus, wir haben Events organisiert….“ erinnert sie sich. Mit Krimi-Autor Klaus-Peter Wolf gingen Gelsenkirchener-Geschichten-Fans auf fiktive Mördersuche auf der Plattform, entwickelten mit ihm einen Plot.
Heute spielt sich auch bei den Gelsenkirchener Geschichten fast alles im Netz ab. „Am Anfang waren wir sehr historisch unterwegs, haben Stadtteilgeschichte gemeinsam aufgearbeitet. Aber da ist heute viel abgegrast. Wir sind jetzt tagesaktueller“, erklärt Michael Westphal, Kaufmann im Ruhestand und beim Trägerverein vor allem für das Gelsenkirchen-Wiki zuständig, die Fakten-Abteilung. Gesundheitseinrichtungen, Künstler, Bergbau, Geschichte, Stadt, Tourismus, Sport, Stichtage, aktuelle Geburtstage: All das findet sich in dieser Wissensdatenbank zur Stadt.
Heftige Diskussionen rund um Corona und die Politik
„Beim Thema Corona etwa gab es heftige Diskussionen, da mussten wir auch schon mal eingreifen“, räumt Georg Brox ein. Der gelernte Maschinenschlosser gehört seit vielen Jahren dem Verwaltungsteam an. Unter dem Dach der GG ist auch ein Bildarchiv zur Stadt angesiedelt, frei zugänglich mit 7326 Fotos. „Bei Fotos und auch bei Zitaten und Texten müssen wir User auch regelmäßig auf Urheberrechte hinweisen, die natürlich zu wahren sind. Aber wir arbeiten mittlerweile auch mit dem Institut für Stadtgeschichte (ISG) zusammen“, erklärt Brox. Juristische Auseinandersetzungen wegen Beleidigungen oder Urheberrechtsverstößen habe es in den 15 Jahren nur sehr vereinzelt gegeben, ist das Team froh. Manches Mal half man sich mit GG und ISG auch gegenseitig beim Identifizieren von Orten und Menschen.
Vom Fotorätsel über Wildtiere bis zu politischen Entwicklungen
Bei den Geschichten finden sich historische Abrisse, die von Usern gemeinsam erarbeitet wurde, von der Eröffnung des Zentralbads bis zum aktuellen Abriss und den Neubauplänen heute über Recherchen über den neuen Bundesjustizminister Marco Buschmann – „der war mit meiner Tochter in einer Klasse!“ –, Fotorätsel, auffällige Fahrzeuge in der Stadt, Wildtiere in den Gärten, die Markthalle in Buer, Musiktipps für Unangepasste: Das Spektrum scheint unerschöpflich.
Junge Mitstreiter und Aktive mit Migrationsgeschichte gesucht
Woran es fehlt in der GG-Gemeinde und im Verwaltungs-Team sind junge Mitstreiter und Aktive mit Migrationshintergrund: Gäbe es in den Bereichen Zuwachs, würde man sich sehr freuen. Wer mitmachen möchte, kann sich direkt an Marie-Cécile Duclercq Telefon 0209 873660 oder per Email an verwaltung @gelsenkirchener-geschichten.de wenden. Wer nur mitdiskutieren mag, kann dies nach einfacher Anmeldung auf der Homepage direkt tun.
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