Gelsenkirchen. 2020 wurde an die Gelsenkirchener appelliert, nicht zu böllern. Soll man die Bitte erneuern oder braucht es Verbote? Das sagen Ärzte und Politik.

Dass über ein Böllerverbot diskutiert wird, gehört mittlerweile so sicher zum Jahresende wie „Dinner for One" im TV-Programm. Seit letztem Jahr jedoch konnten Befürworter eines solchen Verbots mit Verweis auf die angespannte Corona-Lage mehr Überzeugungsarbeit leisten denn je. Der Standpunkt: Verletzungen durch Feuerwerkskörper könne man sich nicht leisten, wenn die Krankenhäuser vollbelegt sind. Vor allem mit Blick auf die Corona-Situation hatte der Rat der Stadt Gelsenkirchen deshalb vergangenes Jahr eine Resolution verabschiedet, mit der an die Gelsenkirchener Bürgerinnen und Bürger appelliert wurde, das Böllern dieses Jahr bitte sein zu lassen. Hat dieser Aufruf Bestand?

„Diese Resolution hatte einen grundsätzlichen Charakter“, sagt Lukas Günther, stellvertretender Fraktionschef der SPD. Heißt: Auch ohne sie erneuern zu müssen, bleibt die Botschaft der Politik: Liebe Stadtbevölkerung, spart euch das Geld für die Raketen lieber! Pläne der Großen Koalition aus SPD und CDU, den Böller-Appell aufgrund der Rekord-Infektionszahlen noch mal schärfer zu formulieren, gibt es derzeit allerdings nicht. „Dass wir über die gute Resolution vom letzten Mal hinaus gehen, glaube ich nach der Beratungen im letzten Jahr tendenziell aber eher nicht“, sagt Sascha Kurth, Fraktionschef der CDU.

Ärztekammer Nordrhein: Verbot wäre wünschenswert

Im Gesundheitswesen dagegen sind erste Stimmen zu hören, die sich mehr als einen Appell wünschen. Die Ärztekammer Nordrhein empfiehlt bereits ein generelles Feuerwerksverbot zum Jahreswechsel, so wie es in den Niederlanden bereits umgesetzt wurde. In Gelsenkirchen und der Region ist man da noch etwas zurückhaltender: „Die Corona-Zahlen steigen und steigen, das Personal in den Kliniken arbeitet am Limit, oft darüber hinaus. Wie sich die Pandemie in den nächsten Wochen und bis zum Jahresende entwickelt, ist nur schwer vorherzusagen. Deshalb rate ich aus heutiger Sicht von Silvesterböllern ab“, sagt Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, der WAZ auf Nachfrage.

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Dagegen zeigte sich der Geschäftsführer der nordrhein-westfälischen Krankenhausgesellschaft (KGNW), Matthias Blum, bereits jetzt offen für ein Verbot. Falls die Krankenhäuser wie im Dezember 2020 wieder durch sehr viele stationäre Covid-19-Fälle an ihre Belastungsgrenzen gelangen, müssten Bund und Länder ein Feuerwerksverbot ernsthaft prüfen, sagt er.

Gelsenkirchener Grüne: Auch keine Böllerei, wenn Corona vorbei sein sollte

Die Grünen-Fraktion sieht die Stimmen der Ärzteschaft als Beleg dafür, „dass es absolut vernünftig und verantwortungsvoll ist, zusätzliche Belastungen für das Gesundheitssystem zu vermeiden.“ Laut Co-Fraktionschefin Adrianna Gorczyk sind die ursprünglichen Gründe für den Anti-Böller-Appell jedoch im Umweltschutz und Tierwohl begründet. Dies seien auch die Hauptargumente jener Bürgerinitiative gewesen, die das Thema aufs politische Parkett in Gelsenkirchen gebracht hat. Für die Grünen gilt die Böller-Resolution deshalb auch weit über die Pandemie hinaus. Gorczyk: „Für einige mag die Corona-Situation der entscheidende Faktor für die persönliche Motivation sein, um dem Aufruf nachzukommen.“ Man werde deshalb aber nicht weniger zum freiwilligen Verzicht aufrufen, wenn es wieder ein Silvester ohne pandemische Notlage geben wird.

Anders sehen das die Liberalen: Die FDP, die vergangenes Jahr neben der AfD als einzige Fraktion gegen die Resolution stimmte, würde auch in diesem Jahr bei ihrer Ablehnung bleiben. „Gerade in diesen Zeiten, in denen der Staat bereits extrem in das Leben der Bürger eingreift, braucht es auch Bereiche, in denen man eigenverantwortlich agieren kann“, sagt Fraktionschefin Susanne Cichos. Hier brauche es keinen Appell von der Politik. „Die Menschen können das selbst beurteilen.“

Keine Verbotszone

Im vergangenen Jahr war der Verkauf von Feuerwerk zum Jahreswechsel bundesweit verboten worden. In Nordrhein-Westfalen blieb privates Böllern erlaubt.

Allerdings wurden in zahlreichen Städten Verbotszonen eingerichtet. In Gelsenkirchen allerdings gab es so eine Zone nicht.