Gelsenkirchen. Der Gelsenkirchener Stadtrat hat kontrovers und mit ungewöhnlichen Argumenten über einen Verzicht auf Silvester-Feuerwerke diskutiert.
Über das Für und Wider der Silvester-Böllerei wurde in den letzten Jahren viel diskutiert. Aber in Augen des neuen SPD-Fraktionschefs Axel Barton ist im Vergleich zu Debatten vergangener Jahre nun „viel mehr Unsinn, aber auch absolute Comedy“ dazugekommen.
„Wenn künftig alle Ratssitzungen so wie diese ablaufen, frage ich mich: Was haben die Wähler damit angerichtet?“, fragte der alteingesessene Ratsherr, nachdem vorrangig Die PARTEI und die AfD bei der zweiten Sitzung des neuen Stadtrats kontroverse Diskussionen zum diesjährigen Silvester-Feuerwerk auslösten – mit Wortbeiträgen, die für die Gelsenkirchener Kommunalpolitik noch etwas ungewohnt sein dürften.
Ungewöhnlich war – wie so vieles dieser Tage – auch der Sitzungsort: Statt im Hans-Sachs-Haus tagte man am Donnerstag coronabedingt im Sportzentrum Schürenkamp. Dass hier nicht nur die Technik, sondern auch die Bestuhlung nicht in der Liga der Rathaus-Einrichtung mitspielen kann, merkte man, als PARTEI-Mitglied Marc Meinhardt empfahl, die Menschen sollten Silvester „eher bumsen statt böllern“ und prompt ein Stuhl in der CDU-Fraktion zusammenkrachte. Also neben Comedy auch noch ungewollter Slapstick?
Die PARTEI: Böllerverbot ist gerechtfertigt
Gegen die Comedy-Bezeichnung wehrte sich Meinhardt – passend zur Sporthalle mit Trainingsanzug und Hallenschuhen ausgestattet – jedenfalls vehement. Man habe schließlich einen seriösen Alternativ-Antrag zu privaten Silvesterfeuerwerken vorgelegt.
In einer ursprünglichen Vorlage für eine Resolution, über die der Rat nun abstimmen sollte, wurde lediglich an die Gelsenkirchener Bürger appelliert, dieses Jahr freiwillig auf Böller und Raketen zu verzichten. Begründet wurde das in der ursprünglichen Vorlage weniger mit der Corona-Pandemie, sondern mit Luftverschmutzung oder Tierschutz. Ein Verbot der privaten Feuerwerke rechtfertige dies aber nicht, hieß es in dem Papier. Die PARTEI kommt da zu einem anderen Schluss: „Aus Sicht des Tier- und Naturschutzes ist ein Verbot geboten.“
AfD: Man kann den Leuten nicht noch mehr zumuten
Nicht nur in der Sporthalle, sondern auch politisch auf der ganz anderen Seite: Die AfD, die mit einem zehnminütigen Wortbeitrag von Enxhi Seli-Zacharias mit in die Böller-Diskussion einstieg.
Ihre Position: Gerade wegen und gerade nach den ganzen Corona-Einschränkungen sollte man den Gelsenkirchenern wünschen und ermöglichen, dieses Jahr unbeschwert mit einem Feuerwerk ausklingen zu lassen. Insbesondere für die junge Generation sei dies wichtig: „Gerade den Kindern und Jugendlichen müssen wir wieder ihre Lebenszuversicht zurückgeben, um ihr Leben angstfrei gestalten zu können“, meinte Seli-Zacharis. „Wir müssen sie wahrlich von einer Angstpsychose befreien.“
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Auch dafür hatte SPD-Fraktionschef Barton reichlich Spott übrig: „Dann sollten wir die Böllerei in der Therapie einsetzen, das könnte vielen Menschen mit einer Psychose helfen.“ Unbeeindruckt von der Kritik formulierte es AfD-Fraktionschef Jan Preuß noch pathetischer: „Beim Silvester-Feuerwerk schauen Sie in große, strahlende, begeisterte Kinderaugen – auch bei den Erwachsenen. Lassen Sie die Menschen für eine kurze Zeit diese großen Kinderaugen haben.“
Nur AfD und FDP stimmen am Ende gegen die Resolution
Die Grünen – die von der AfD das Etikett der „rücksichtslosen Verbotspartei“ erhielten – rückten dagegen ihren Freiheitsbegriff gerade: „Für uns Grüne hat Freiheit immer zwei Seiten“, sagte Fraktionschefin Adrianna Gorczyk. „Es geht nicht nur darum, was ich mir herausnehme, sondern auch um Verantwortung gegenüber anderen.“
Mit Blick auf Silvester heiße dies: „Wer sich bei privatem Feuerwerk auf die Freiheit beruft, sollte da nicht stehen bleiben, sondern inhaltlich erklären, warum es im Gesamtkontext am wichtigsten sein soll, dass sie oder er mit den eigenen Händen eine Rakete entzünden darf.“
Der Resolution zum Feuerwerk konnten die Grünen also guten Gewissens zustimmen, auch wenn sie Gorczyk aufgrund einer fehlenden Haltung als „mutlos“ bezeichnete.
Bis auf die FDP und die AfD stimmten am Ende alle Fraktionen für eine leicht abgeänderte Version der ursprünglichen Vorlage. In jener wird der Appell zum Feuerwerksverzicht nun mehr auf die Corona-Situation und die mögliche Zusatzbelastung in den Krankenhäusern durch Böller-Verletzungen begründet.
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