Dietmar Brockes ist Vorsitzender des NRW-Europaausschusses. So bewertet er Probleme und Förderungen mit Blick auf den Zuzug aus Südosteuropa.

Rumänen und Bulgaren, die nach Gelsenkirchen migrieren, leben nicht selten in Schrottimmobilien und landen in prekären Arbeitsverhältnissen. Sie wurden mitunter in ihrer Heimat als Menschen zweiter Klasse behandelt, organisieren sich oft in clanartigen Strukturen. Wo sehen Sie bei der Integration dieser Menschen die größten Herausforderungen?

Dietmar Brockes (FDP) ist Vorsitzender des Ausschusses für Europa und Internationales des Landtages NRW. 
Dietmar Brockes (FDP) ist Vorsitzender des Ausschusses für Europa und Internationales des Landtages NRW.  © Handout

Sie beschreiben zurecht ein problematisches Folgephänomen. Es ist leider so, dass diese Menschen oftmals schon in ihren Herkunftsländern an den Rand der Gesellschaft gedrängt und diskriminiert werden. Seit 2017 legt NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) einen neuen Fokus auf die herausfordernde Integrationsarbeit mit dieser Gruppe. Hier gibt es keine einfachen Lösungen: Wir setzen auf zahlreiche Integrationsmaßnahmen in enger Abstimmung zwischen Land, Bund, Kommunen und Interessensverbänden. Das geht vom Spracherwerb über die pädagogische Unterstützung bis zur Integration in Kitas und Schulen.

Die Konventionen der deutschen Gesellschaft und die der einiger Familien stoßen häufig zusammen – trotz aufsuchender Sozialhilfe, Integrationslotsen, Interventionsteams und mehr - welche zusätzlichen Hilfen müssen EU, Bund und Länder für die betroffenen Städte bereitstellen?

Die EU, Bund und Länder sind bereits aktiv. Von der EU-Ebene kommt beispielsweise finanzielle Unterstützung aus dem Europäischen Sozialfonds – mit entsprechender von der EU vorgegebener Kofinanzierung. Als Land haben wir die Mittel für das Förderprogramm für Kreise und Kommunen, die überdurchschnittlich viel Zuwanderung aus Südosteuropa erfahren, auf fünf Millionen Euro im Jahr erhöht.

Dass Sozialleistungen für Kinder erschlichen werden, die nicht hier leben oder teils nicht mal existieren, ist den Behörden bekannt. Dabei spielen gefälschte Schulbescheinigungen oft eine entscheidende Rolle. Gelsenkirchen ist eine von drei Modellkommunen, die Schulbescheinigungen mit analogen und digitalen Sicherheitsmerkmalen testet. Reicht das aus?

Sozialbetrug und das Erschleichen von Kindergeld muss weiterhin mit einer verbesserten Überprüfung von Ausweisen und Schulbescheinigungen bekämpft werden. In den letzten Jahren hat sich hier viel verbessert, aber leider werden immer noch nicht alle betrügerischen Anträge entdeckt. Das ärgert mich. Hier müssen wir besser werden.

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Es gibt Vorschläge, das Recht auf Sozialleistungen mit entsprechenden Beitragszahlungen zu verbinden...

Wir dürfen nicht den Fehler machen, EU-Bürgerinnen und -bürger in zwei Klassen zu unterteilen. Wir sind eine Union der Werte und müssen unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden. Gleichzeitig ist eine Mindestbeitragszeit für gewisse Sozialleistungen wie derzeit beim Arbeitslosengeld oder bei der Rente eine Möglichkeit, um Fehlanreize zu bekämpfen. Hier muss man prüfen, für welche weiteren Leistungen genau dies sinnvoll und möglich ist. Das Ziel muss es sein, negative Anreize zu minimieren und nicht Menschen aufgrund ihres europäischen Herkunftslandes zu bestrafen.

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