Gelsenkirchen-Buer. Internationale Luxus-Labels wollen sich angeblich bald in Gelsenkirchen-Buer niederlassen. Was über die rätselhafte Werbe-Aktion bekannt ist.

Paris hat sie, Mailand sowieso: Shop-Niederlassungen von Luxus-Labels wie Fendi, Louis Vuitton und Prada. Und Buer? Der Stadtteil, der zuletzt wegen pöbelnder Jugendlicher in Angsträumen in die Schlagzeilen geriet, ihm scheint eine glänzende Zukunft als Haute-Couture-Metropole bevorzustehen: An zahlreichen leerstehenden Ladenlokalen rund um die Fußgängerzone findet sich verheißungsvolle Werbung: „Wir bauen für Sie um! Chanel Gelsenkirchen“ oder „It’s time for Gucci“.

Pünktlich zum Start des Lichtkunst-Festivals „Goldstücke“ Ende vergangener Woche waren die ersten weißen Folien mit Logos internationaler Designer auf die Schaufenster geklebt worden: An der Hochstraße 48 etwa, schräg gegenüber von C&A, heißt es: „soon Hermés Gelsenkirchen“.

Versace, Prada und Fendi bald in Gelsenkirchen-Buers Fußgängerzone?

Professionell wirkende weiße Klebefolien mit den Logos internationaler Designer sind auf zahlreichen Schaufensterfronten leerstehender  Ladenlokale angebracht.
Professionell wirkende weiße Klebefolien mit den Logos internationaler Designer sind auf zahlreichen Schaufensterfronten leerstehender Ladenlokale angebracht. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Am schwarzen Block verkündet ein weißer Aufkleber „demnächst“ die Ansiedlung einer Versace-Boutique, und die frisch leergezogene Saturn-Immobilie bewirbt die baldige Eröffnung gleich mehrerer hochkarätiger Shopping-Tempel: „Can’t wait to see you Lous Vuitton Gelsenkirchen“, „New! Prada“ und „Bald hier: Fendi“ heißt es auf den großformatigen, professionell wirkenden Folien. Also alles bald gut im vermeintlich kippenden Buer?

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Der Eigentümer der Saturn-Immobilie zeigte sich überrascht von der Werbung. „Wir haben weder mit Fendi, noch mit Prada oder Vouitton einen entsprechenden Mietvertrag abgeschlossen“, teilte eine Sprecherin der Essener Thelen-Gruppe auf WAZ-Anfrage mit. Das Unternehmen sei von den Initiatoren der Aktion zuvor nicht um Erlaubnis gebeten und auch nicht darüber informiert worden. Wie es hieß, wolle man prüfen, ob es sich um eine Sachbeschädigung handelt.

Immobilien-Makler zeigt sich von der Aktion überrascht

Die ersten Werbe-Folien tauchten pünktlich zum Start des Lichtkunst-Festivals „Goldstücke“ auf. Ein Zusammenhang damit bestehe allerdings nicht, so das Kulturreferat der Stadt Gelsenkirchen.
Die ersten Werbe-Folien tauchten pünktlich zum Start des Lichtkunst-Festivals „Goldstücke“ auf. Ein Zusammenhang damit bestehe allerdings nicht, so das Kulturreferat der Stadt Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Auch die Volksbank-Immobilien-Abteilung, die einige der betroffenen Ladenlokale vermittelt, hat nach eigenen Angaben von einer dort geplanten Hermés-Ansiedlung ebenso wenig Kenntnis wie von der Werbung.

Werbegemeinschafts-Vorsitzender Ole Siemienski zuckt ebenfalls mit den Schultern: „Wir sind von niemandem informiert worden“, teilte er mit. Auch Buers Citymanagerin Sophie Pieper kennt Urheber und Anliegen nicht, hat aber sehr wohl registriert „dass viele Leute vor den Ladenlokalen stehen bleiben und sich freuen. Das Ganze sorgt jedenfalls für ordentlich Gesprächsstoff!“

Alles nur ein Gag? Die Aktion sorgt für Gesprächsstoff in Gelsenkirchen

Teil der „Goldstücke“ ist die Aktion nach Angaben des städtischen Kulturreferats nicht. Die Wirtschaftsförderung sei ebenfalls nicht daran beteiligt, etwa um auf die geplante Anmietung lange leerstehender Ladenlokale aufmerksam zu machen, die dann deutlich günstiger an Start-ups vermietet werden sollen.

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Also alles nur ein Gag, ein kostspieliger noch dazu? Denn die einheitliche, passgenaue Folierung dürfte zum Schnäppchenpreis nicht zu haben gewesen sein. Dafür spricht jedenfalls zum einen der Werbe-Wortlaut „Hier eröffnet demnächst dem Christian Dior sein Laden“, der sich an einem der Schaufenster findet; und zum anderen das spitzbübische Zwinker-Emoji ;-) auf einer Folie am einstigen Saturn-Gebäude.

Spekulationen um Urheber und Anliegen der Aktion

Wie hinter vorgehaltener Hand zu hören ist, handelt es sich tatsächlich um eine „verbotene Kunstaktion“. Von wem und mit welcher Stoßrichtung, dazu wollten die Initiatoren offenbar nichts verlauten lassen. Eine an sie übermittelte WAZ-Interview-Anfrage ließen sie unbeantwortet.

Worum es den Akteurinnen und Akteuren geht, darüber lässt sich spekulieren: Handelt es sich, naiv interpretiert, um eine Motivationsspritze an Immobilien-Eigentümer und Makler, die Vermietung leerstehender Ladenlokale doch bitte mit mehr Engagement zu betreiben?

Kritik an sozialem Gefälle oder an der Einzelhandelssituation in Buer?

Oder geht’s um Sozialkritik? Etwa mit der Zielrichtung, dass Luxus-Labels in einer Stadt mit schwindender Kaufkraft alles andere als wünschenswert sind, weil die Schere zwischen Arm und Reich sich dann noch weiter öffnet? Allerdings: Bislang ist eine Konzentration von Gucci & Co. vor Ort nicht zu erwarten.

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Oder wollen die Urheber auf das Einzelhandels-Angebot aufmerksam machen, das von manchen nur als mäßig erfolgreich empfunden wird, frei nach dem Motto: „Tatsächlich gibt’s in Buer zu viele Billig-Geschäfte!“? Die zeitliche Nähe zur Eröffnung der Woolworth-Filiale – geplant am 11. November –, sie ist jedenfalls auffällig. Kurz: Buer ist gespannt, ob und wann eine Auflösung folgt.