Gelsenkirchen-Feldmark. FDP-Spitzenkandidat gibt sich vor Gelsenkirchener Liberalen als „Königsmacher“ bei der Bundestagswahl. Heftige Attacken gegen die Grünen.

Wenn Warten die Vorfreude erhöht, dann muss sie am Samstag im Stadtbauraum besonders groß gewesen sein: Als FDP-Parteichef (MdB) und -Spitzenkandidat Christian Lindner mit halbstündiger Verspätung beim Sommerempfang der FDP zum Wahlkampf-Auftritt erschien, wurde er fast gefeiert wie ein Popstar. Und seine Fans bekamen genau das, was sie offenbar erwartet hatten: Sprachlich geschliffene Attacken auf „Mitbewerber“ und vermeintliche Fehlentwicklungen des Staates – sowie eine Bewerbung als Finanzminister.

Bevor der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion in dunkelblauem Anzug und hellblauem Hemd vor begeistert applaudierender lokaler Partei-Prominenz und weiteren Interessierten zum Angriff blies, lenkte Susanne Cichos, FDP-Fraktionsvorsitzende im Rat und stellvertretende Kreisvorsitzende, stolz die Aufmerksamkeit auf die liberale Arbeit der bundesweit „kopfstärksten FDP-Ratsfraktion“ vor Ort.

Gelsenkirchenerin Cichos will sich „Häme der Republik“ gegen Gelsenkirchen erwehren

Coronakonforme Begrüßung: FDP-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl am 26. September, Christian Lindner (l.), und FDP-Bundestagskandidat Dr. Marco Buschmann (MdB), zugleich FDP-Kreisvorsitzender in Gelsenkirchen, warben um Stimmen beim „Sommerempfang“ der FDP im Veranstaltungssaal „Stadtbauraum“ in der Feldmark.
Coronakonforme Begrüßung: FDP-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl am 26. September, Christian Lindner (l.), und FDP-Bundestagskandidat Dr. Marco Buschmann (MdB), zugleich FDP-Kreisvorsitzender in Gelsenkirchen, warben um Stimmen beim „Sommerempfang“ der FDP im Veranstaltungssaal „Stadtbauraum“ in der Feldmark. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Diese habe erfolgreich dafür gekämpft, dass die Verwaltung sich um Fördermittel für die Stärkung der Innenstädte bemühte, fordere eine digitale Verwaltung, Livestreams von Ratssitzungen und die Bewerbung um den „schwebenden“ Up-Bus. Nur mit Engagement könne man sich der „Häme“ und des „Spotts der ganzen Republik“ erwehren, der Gelsenkirchen ausgesetzt sei.

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Gelsenkirchens FDP-Kreisvorsitzender und -Bundestagskandidat Marco Buschmann (MdB und parlamentarischer FDP-Geschäftsführer im Bundestag) weitete derweil den Blick der rund 70 „3G“-Zuhörer auf bundespolitische Themen: Er geißelte den „digitalen Dilettantismus des Staates“, der „hier bei uns Menschenleben fordert“.

Marco Buschmann verlangt Ende des Notstands

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Weil etwa zu Anfang der Pandemie das digitale Kontaktnachverfolgungssystem „Sormas“ in den lokalen Gesundheitsämtern eben kein Standard war und in Niedersachsen Bürger anhand ihres alt klingenden Vornamens als Risikopatienten identifiziert worden seien, seien möglicherweise Menschen zu Tode gekommen. Die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“, die der Bundesregierung Sonderrechte gewährt, gehöre abgeschafft – sie stelle ein Gefahr für die Demokratie dar.

Lindner stieg mit dem missglückten Afghanistan-Einsatz in seinen Wahlkampf-Beitrag ein, attestierte aufgrund der von der Bundesregierung eingeräumten Fehleinschätzung eine „Regierungskrise“ und forderte einen Untersuchungsausschuss nach der Bundestagswahl am 26. September.

Christian Lindner fordert Einhaltung der Schuldenbremse und Steuerentlastungen

Für die „Ortskräfte“ verlangte er eine Evakuierung und eine „großzügige“ Regelung. Die übrigen Flüchtlinge aus dem Land sollten in einer „menschenwürdigen Unterbringung in der Nähe Afghanistans“ Zuflucht finden.

Und innenpolitisch? Wiederholte er seine bekannten Positionen: Einerseits die Erhaltung der Schuldenbremse, andererseits Steuerentlastungen, dazu schnellere Genehmigungsverfahren und mehr Offenheit gegenüber neuen Technologien. In Sachen Klimaschutz („er ist zu wichtig, um ihn linken Denkern zu überlassen“) kritisierte er grüne Forderungen nach Tempolimits und einem Verbot von Verbrennungsmotoren als zu wirtschaftsfeindlich, blieb aber sonst recht vage.

Koalitionsfrage im Bund: FDP will „nach Inhalten entscheiden“

Da es nach den aktuellen Umfragen weder eine schwarz-grüne noch eine rot-rot-grüne Regierungsmehrheit gebe, präsentierte sich Lindner als „Königsmacher“: „Wir werden nach Inhalten entscheiden, eine Verschiebung der politischen Koordinaten nach links verhindern und die Mitte stärken.“

Die Wahl hält er für „nahezu entschieden“: Weder die „Predigerin des Verzichts“ Annalena Baerbock (Grüne) werde ins Kanzleramt einziehen noch ihr SPD-Gegenkandidat Olaf Scholz, sondern Armin Laschet (CDU). Diesen hatte er kurz zuvor noch als Umfaller skizziert, weil er zunächst Steuererhöhungen abgelehnt, diese einige Wochen später aber wieder für möglich gehalten habe.

Seine eigene berufliche Zukunft brachte er lächelnd so auf den Punkt: „Offen ist nur noch, wer Finanzminister wird – Habeck oder Lindner.“

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