Gelsenkirchen. Kanzlerkandidatin für alle oder der „Schöngeisterei“? So sehen Gelsenkirchens CDU, SPD, AfD, Linke und FDP die Nominierung von Annalena Baerbock.
Annalena Baerbock soll es nun machen – und die Grünen erstmalig zur Kanzlerschaft führen. So hat es der Co-Bundesvorsitzende Robert Habeck am Montagmorgen offiziell verkündet. „Mit ihr haben wir eine Kandidatin, die für ganz viele Menschen im Land steht“, begrüßt Jan Dworatzek, Co-Chef der Grünen in Gelsenkirchen, die Entscheidung. „Annalena Baerbock steht für ein zukunftsgewandtes, offenes Deutschland mit einer modernen Vorstellung von Rollenverteilung.“
Der Gelsenkirchener CDU-Kreisvorsitzende Sascha Kurth sieht es genau anders. Für ihn ist Annalena Baerbock lediglich „eine Kandidatin für die Grünen-Parteimitglieder, weniger für alle Bürger in Deutschland.“ Kurth findet es „bemerkenswert“, dass die Grünen nun eine Kandidatin ohne jegliche Regierungserfahrung aufstellen. Baerbock sei zwar durchaus sympathisch, aber in ihren politischen Aussagen häufig nicht konkret genug. „Die Menschen warten auf niemanden, der sich wie Frau Baerbock in grüne Schöngeisterei verirrt“, meint Kurth, der weiterhin auf eine Entscheidung aus seiner Partei warten muss, ob nun Armin Laschet oder Markus Söder Kanzlerkandidat der Union wird.
Gerade die fehlende Regierungserfahrung interpretiert Grünen-Kreisverbandschef Dworatzek auch als möglichen Pluspunkt. „Wenn ich mir ansehe, wie die politischen Gegner derzeit ihre Regierungsämter ausüben, ist das sicher keine gute Bewerbung für ein erneutes Regierungsamt.“
Jörg Schneider (AfD) zweifelt an Baerbocks Kompetenz
Jörg Schneider, Bundestagsabgeordneter und Kreissprecher der Gelsenkirchener AfD, hingegen zweifelt an den Kompetenzen der Kanzlerkandidatin. „Frau Baerbock hat wahrheitswidrig behauptet, es sei möglich, Strom im Stromnetz zu speichern“, sagt Schneider mit Verweis auf eine Aussage, die Baerbock 2018 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk getätigt hatte („Das Netz fungiert als Speicher“). „Wer zum eigenen Kernthema - und das ist die Energiewende für die Grünen - solche Fake News verbreitet, ist sicherlich nicht geeignet, Deutschland in eine sichere Zukunft zu führen“, meint Schneider.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und hiesige Kreisverbandschef Markus Töns, dessen Partei mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz bereits seit August 2020 einen Kanzlerkandidaten hat, erlebt Annalena Baerbock in Sitzungen des Wirtschaftsausschusses dagegen als „fleißige, gut vorbereitete und umgängliche Kollegin“. Baerbock und ihre Partei müssten bis zur Bundestagswahl aber nun folgende zwei Fragen klären: „Wollen sie in ein progressives Bündnis oder in eines mit der Union? Und: Wie soll man den Umbau einer Industriegesellschaft unter Wahrung des Klimaschutzes hinbekommen?“ Gerade für eine Stadt wie Gelsenkirchen sei dies eine entscheidende Frage, welche die Grünen noch nicht hinreichend beantwortet hätten.
Marco Buschmann (FDP): Baerbock muss klären, ob sie mit Linkspartei koalieren wollen
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Auch der FDP-Bundestagsmandatsträger Marco Buschmann verlangt von den Grünen, möglichst schnell Klarheit über mögliche Bündnisoptionen zu schaffen. „Ich gratuliere und hoffe auf sportlichen Wettbewerb um die besten Ideen für unser Land. Wenn Frau Baerbock wirklich Kanzlerin werden möchte, dann sollte sie möglichst schnell sagen, ob sie dazu auch eine Koalition mit der Linkspartei eingehen würde“, so der FDP-Kreisvorsitzende. „Das ist sicher für viele Menschen eine wichtige Information.“
Schwierig könnte das auch deshalb werden, weil Baerbock bei der Linken offenbar ziemlich gut ankommt. „Ich begrüße die Kandidatur von Annalena Baerbock, da die Grünen damit nicht nur eine fähige Kandidatin ins Rennen um das Kanzleramt schicken, sondern sie als junge und progressive Frau auch für zukunftsgewandte Politik steht - ganz im Gegensatz zu den machthungrigen und rückwärtsgewandten Herren Laschet und Söder“, sagt die Linken-Bundestagsabgeordnete Ingrid Remmers. „Spannend bleibt daher, ob Baerbock tatsächlich mit ihnen zusammenarbeiten will und welche Regierungskoalitionen ab September in Frage kommen.“