Gelsenkirchen. „Wir brauchen unverbrauchte Ideen und Leute“: Die Gelsenkirchener CDU-Kandidatin Laura Rosen will im Bundestag die Digitalisierung voranbringen.
Nachdem sich CDU-Veteran und Ex-OB Oliver Wittke endgültig von der Politik in die Wirtschaft verabschiedet hat, hieß es für die Gelsenkirchener Union, in die Nachwuchspflege zu investieren: Für Laura Rosen - Schalkerin, 27 Jahre jung, Sachbearbeiterin im Gelsenkirchener Finanzamt – ist es nun die erste Bewerbung um ein politisches Amt fernab der Gelsenkirchener Stadtpolitik.
Mit Listenplatz 30 und einem traditionell roten Wahlkreis wird es für sie nicht leicht, tatsächlich Abgeordnete zu werden. Aber im Interview macht sie klar: „Das ist nicht nur ein Probelauf, das ist meine Uraufführung.“
Sie sind als Bundestagskandidatin die Nachfolgerin von Oliver Wittke, der nicht nur Bundestagsabgeordneter, sondern auch Staatssekretär, NRW-Minister und Oberbürgermeister von Gelsenkirchen war. Ganz schön große Fußstapfen, in die Sie da treten wollen, oder?
Da muss man sich von freimachen. Ich will nicht in die Fußstapfen von Oliver Wittke treten, sondern eine eigene Marschrichtung vorgeben. Die CDU ist breit aufgestellt – und da gehören auch junge, unerfahrene Kollegen mit unverbrauchten Ideen zu. [Lesen Sie auch:OB, Minister, MdB, Lobbyist: Die vielen Leben des Oliver Wittke]
Was sind Ihre unverbrauchten Ideen?
Die stecken vor allem in der Digitalisierung. Nach 16 Jahren in der Regierung fragt man sich schon, warum da nicht mehr passiert ist. Da hätten junge Leute wie ich mehr Anschub geben können. Einen Schwerpunkt würde ich darauf setzen, Verwaltungsprozesse zu verschlanken. Die Vernetzung unter den Behörden ist gegenwärtig eine Katastrophe. Diese Verwaltungshürden sind auch häufig Stoppschilder für Gründer und Startups. Da denken nicht wenige: Das ist mir viel zu kompliziert, eine Firma zu gründen. Daran darf es nicht scheitern.
Haben die alten Parteifunktionäre der CDU das noch nicht verstanden? Immerhin hält es sogar Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus für nötig, eine „Revolution“ des Staatswesens auszurufen.
Und Armin Laschet will das Erneuerungsjahrzehnt einleiten. Aber es hätte schon früher kommen können. Das hätten junge Leute mehr anschieben können, die „out of the box“ denken. Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns personell breit aufstellen. Natürlich ist auch politische Erfahrung unglaublich wichtig. Nur sind eben auch die Einflüsse von unverbrauchten Leuten wichtig.
Warum eigentlich ausgerechnet die CDU?
Politik war in meinem Elternhaus nie ein großes Thema. Aber als ich 2013 zum ersten Mal wählen durfte, habe ich angefangen, mich richtig in die Wahlprogramme und Positionen der Parteien einzulesen. Und dann habe ich zur CDU gefunden, weil ich das Gefühl hatte: Hier gibt es die beste Mischung aus verschiedensten Bereichen. Wir machen Klimaschutz, aber blicken auch auf die Wirtschaft. Wir machen Wirtschaft, aber auch mit Blick auf die Arbeitnehmer. Wir agieren nicht nur zielgruppenorientiert, sondern haben alle im Blick. Und das hat mich überzeugt.
Bei der Kanzlerkandidatur der Grünen wurde kritisiert, dass die „Frauenkarte“ das ausschlagebene Argument für Annalena Baerbock gewesen sei. Stehen Sie nicht am Ende auch da, wo Sie aktuell sind, weil sie eine junge Frau sind?
Natürlich hat man da gegenwärtig noch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal in der Partei. Trotzdem darf es nicht heißen: Die Rosen ist hier, weil sie eine junge Frau ist. Es muss heißen: Sie ist hier, weil sie viel bewegt für Gelsenkirchen und ihre Partei. Dennoch ist auch klar: Wir sind als Volkspartei im Umbruch, da erhalten junge Frauen einen Vorschuss. [Lesen Sie auch: Gelsenkirchens CDU ist bei der Frauenquote geteilter Meinung]
Es spielt also schon eine Rolle für ihre bisherige, schnelle Karriere in der Partei, dass Sie eine Frau unter 30 sind?
Ja, natürlich spielt das auch eine Rolle. Ich bin deswegen aber keine Quotenfrau. Eine Quote lehne ich auch ab, das wäre viel zu starr. Dass ich auf Listenplatz 30 der CDU-Landesliste bin, beruht immer noch auf Freiwilligkeit unserer Statuten und nicht auf gesetzlichen Zwängen.
Wenn Sie Ihre Haustür in Schalke verlassen: Mit welchen Problemen werden Sie dann konfrontiert?
Die Vermüllung, die Schrottimmobilien, eben die Probleme, die symptomatisch für die Einwanderung aus Südosteuropa sind, sind natürlich auch in den Straßen bei mir in der Nähe allgegenwärtig. Natürlich ist positiv, was bereits an Stadterneuerungsprogramm in Gelsenkirchen passiert. Aber es ist zugleich klar, dass unsere Stadt viel, viel mehr finanzielle Unterstützung bräuchte, um diese Probleme anzupacken. [Lesen Sie auch: Gelsenkirchens Bürgermeister: „Zukunft der Stadt ist in Gefahr“]
Ein Altschuldenfonds für klamme Kommunen, der da große Entlastung schaffen würde, wäre aber nicht unbedingt ein CDU-Thema…
Ich würde mich trotzdem dafür im Bund einsetzen. Es ist für unsere Stadt einfach dringend notwendig, dass man mehr finanziellen Spielraum schafft.
Masken-Deals, Lobby-Verstrickungen mit Aserbaidschan: In der CDU wurden vor allem währen der Pandemie mehrere Fälle von Korruption öffentlich. Braucht es einen Kulturwechsel in ihrer Partei?
Die Korruptionsfälle sind ein Skandal gewesen. Für mich sind das einzelne schwarze Schafe, aber dennoch erschüttert so etwas klar Vertrauen in die Politik.
Wie schafft man mehr Vertrauen?
Ein wichtiger Baustein ist Authentizität. Man muss sich auch mal Fehler eingestehen können und ehrlich kommunizieren.
Das trauen Sie auch ihrem Kanzlerkandidaten Armin Laschet zu? Man hat den Eindruck, dass er vielen Fragen ausweicht.
Laschet wird im Kanzleramt auch noch wachsen und sich mit Blick auf das Erneuerungsjahrzehnt weiter wandeln. Und natürlich werden wir jungen Leute in der Partei ihm da auch weiter Druck machen.
Erhalten Sie seit Ihrer Kandidatur selbst auch viel Post von Lobbyverbänden?
Unzählige – vom Radfahrverband bis zu Ölwirtschaftsverbänden bekomme ich Positionspapiere zugeschickt. Ich nehme das meiste zur Kenntnis, aber das war es. Ich versuche mich bei der Entscheidungsfindung möglichst davon freizumachen.
Wie würden Sie denn mit solchen Kontaktversuchen als Parlamentarierin umgehen?
Ich fände schon wichtig, da transparenter zu sein. Wenn aus den Lobby-Gesprächen Impulse erwachsen, würde ich das auf den Tisch legen wollen. [Lesen Sie auch:Nebeneinkünfte: Gelsenkirchens Politiker im Transparenz-Check]
Nach den Korruptionsvorwürfen um den jungen CDU-Abgeordneten Philipp Amthor hieß es von einigen ihrer Parteikollegen sinngemäß: Der ist noch jung, das ist ein Anfängerfehler. Darf man jungen Politikern mehr Fehler verzeihen?
Nein. Man möchte ja auch nicht, dass jemand bei der politischen Entscheidungsfindung sagt: Ach, dem jungen Mädchen hören wir mal nicht zu. Wenn man ernst genommen werden will und den Anspruch hat, dass man gute politische Arbeit abliefert, soll man sich auch nicht mehr Fehler erlauben dürfen als anderen Politikern.
Sie haben zuletzt für NRW-Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski Partei ergriffen, der in einem Wahlwerbe-Spot der SPD als „erzkatholischer Laschet-Vertrauter“ bezeichnet wird. Wie streng legen Sie Ihren Glauben aus?
Ich persönlich lege meinen Glauben nicht besonders streng aus. Ich bin Protestantin, aber in meiner politischen Arbeit findet das nur bedingt Einfluss. Ich würde das „C“ in unserem Parteinamen eher auf soziale Aspekte und unser Menschenbild beziehen. Und zu Herrn Liminski: Natürlich kann man darüber diskutieren, ob seine politische Haltung von seiner Einstellung beeinflusst ist. Aber das hat die SPD mit ihrem unsäglichen Spot sicher nicht getan. [Lesen Sie auch:Verstaube Weltsicht: Töns (SPD) attackiert Laschet-Vertrauten]