Gelsenkirchen. Nach der Masken-Affäre werden Rufe nach mehr Transparenz laut. Wie gehen Gelsenkirchens Bundestagsabgeordnete mit ihren Nebeneinkünften um?
Dicke Provisionen für Schutzmasken-Geschäfte oder angebliche Lobby-Verstrickungen: Mit Mark Hauptmann, Nikolas Löbel und Georg Nüßlein haben innerhalb von einer Woche drei Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ihre Mandate niedergelegt. Durch die Fälle werden Forderungen nach mehr Transparenz bei den Verdiensten von Amtsträgern immer lauter. Unter den sechs Bundestagsabgeordneten (MdBs) aus Gelsenkirchen jedenfalls stellen sich sowohl die Höhe der Nebeneinkünfte wie auch der Umgang mit ihnen unterschiedlich dar. Ein Überblick.
Ingrid Remmers (Die Linke)
Linken-Politikerin Ingrid Remmers könnte man am ehesten als die gläserne Abgeordnete unter den Gelsenkirchener MdBs bezeichnen. Sie gibt neben ihrer Abgeordnetenentschädigung in Höhe von rund 10.056 Euro monatlich auch die steuerfreie Kostenpauschale von rund 4418 Euro auf ihrer Homepage an, mit der sie etwa Wahlkreisbüro und Berliner Dienstwohnung finanziert. Auf Angaben zu ihren Pensionsansprüchen oder zu ihrem Budget für Büroausstattung verzichtet sie allerdings.
Dafür macht Remmers auch genaue Angaben zu ihren Ausgaben und listet auf, welche Spenden sie regelmäßig leistet. Dazu gehören mehrere parteibezogene Beiträge (etwa 1508 Euro Mandatsträgerbeiträge an den Parteivorstand, 500 Euro Spende an die Linkspartei in NRW), Spenden an gemeinnützige Organisationen (etwa 50 Euro an das Frauenhaus Bochum) oder weitere Mitgliederbeiträge (100 Euro Verdi-Monatsbeitrag).
„Es wäre sehr wünschenswert, wenn alle MdBs das so handhaben würden, da es Transparenz und Demokratie stärken würde“, meint Remmers, die nach eigener Angabe keine weiteren Einkünfte neben dem Bundestagsmandat hat. Der Grundgedanke der hohen Abgeordneten-Diäten sei es ja gerade, eine finanzielle Unabhängigkeit zu schaffen und Bestechlichkeit somit von vornherein zu verhindern. „Wer dieses Mandat auch wirklich ernst nimmt, hat eigentlich auch keine Zeit für andere Nebentätigkeiten.“
Marco Buschmann (FDP)
„Man kann seine Einkünfte so vermarkten, wie Frau Remmers das tut“, sagt Marco Buschmann von der FDP. Die Amtsausstattung von Abgeordneten könne man allerdings auch problemlos auf anderen und unabhängigen Quellen im Internet nachlesen. Er habe sich unter anderem deshalb dagegen entschieden.
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Auf seinem Abgeordnetenprofil hat der gelernte Jurist für das Kalenderjahr 2017 eine entgeltliche Tätigkeit neben dem Mandat der Stufe 2 (3500 bis 7000 Euro) angegeben - nämlich seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Berlin. In den weiteren Jahren der Legislaturperiode habe der Nebenverdienst - im Wesentlichen Honorare für Fachartikel - unter der veröffentlichungspflichtigen Grenze von 10.000 Euro im Jahr bzw. 1000 Euro pro Monat gelegen. Auf Nachfrage, ob Buschmann eine exakte Angabe zu den Einkünften machen möchte, sagt er lediglich: „Ich erfülle sämtliche Transparenzvorschriften, die für Abgeordnete des Deutschen Bundestages gelten.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP macht zudem darauf aufmerksam, dass die Stufen nur die Einnahmen, nicht aber die Ausgaben der Abgeordneten berücksichtigen. Selbstständige geben somit nicht den Gewinn, sondern den Umsatz an. „Ein Handwerksmeister, der in seinem Betrieb für die Dauer des Mandats einen Geschäftsführer einstellt, wird nach Abzug der damit verbundenen Kosten kein Vermögen für sich behalten können.“
Markus Töns (SPD)
Gelsenkirchens direkt gewählter Abgeordneter Markus Töns hat sich ebenfalls dagegen entschieden, genaue Angaben zu seinen Einkünften und Ausgaben auf seiner Homepage zu machen. „Eigentlich ist es ja auch klar: Als MdB kriegt man eine feste Summe“, sagt er. Zu seiner früheren Zeit als Landtagsabgeordneter sei es komplexer gewesen. „Da gibt es etwa keine steuerfreie Aufwandspauschale. Man muss alles steuerlich erklären, was man macht.“ Diese Zeit wirkt bei Töns offenbar noch nach.
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Auf seinem Bundestagsprofil hat Töns unter den veröffentlichungspflichtigen Angaben neben seiner ehrenamtlichen Funktion als Beisitzer im Vorstand des Vereins „aktuelles forum e. V.“ auch seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat des Diakoniewerks Gelsenkirchen und Wattenscheid angegeben. „Da gibt es eine einmalige Aufwandsentschädigung von 1500 Euro im Jahr“, sagt er. Eine solche Summe muss zwar gemeldet werden, wird aber nicht veröffentlicht, weil sie unter Einkommensstufe 1 fällt. Die vier Aufsichtsratssitzungen, die durch das Amt anfallen, seien neben dem Mandat vertretbar. „Ich bin aber klar der Meinung: Ein Bundestagsmandat ist ein Fulltime-Job! Die Wählerinnen und Wähler sollten schon wissen, ob man sich voll einsetzt.“
Irene Mihalic (Grüne)
„Ich nehme den Hinweis dankend an“, sagte Irene Mihalic, Abgeordnete der Grünen, zu der Frage, warum sie auf ihrer Website keine genauen Angaben zu ihrer Diät und Kostenersätzen macht. Wenige Stunden später hatte die Gelsenkirchenerin Informationen zu ihren Abgeordnetenentschädigung, zu ihrer Kostenpauschale wie auch ihren Reisekosten und Alterentschädigungen online gestellt. Zudem macht sie dort seit neuestem auch Angaben zu ihren Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Dort heißt es, dass sie im Jahr 2019 Spenden in Höhe von rund 13.724 Euro an ihre Partei geleistet habe. „Zusätzlich spende ich regelmäßig an die Grüne Jugend“, teilt sie mit.
Unter den Pflicht-Angaben auf ihrem digitalen Bundestagsprofil gibt Mihalic ihre Mitgliedschaften beim parlamentarischen Beirat des „Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit e.V.“ und beim Steuerungskreis des „Forschungsforum Öffentliche Sicherheit e.V.“ an. Verdienste gibt es durch die Tätigkeiten offenbar nicht. „Ich selbst bin seit 2013 Mitglied des Bundestages und habe seither keine Nebeneinkünfte“, sagt Mihalic auf Nachfrage.
Oliver Wittke (CDU)
Gelsenkirchens ehemaliger CDU-Oberbürgermeister Oliver Wittke hat gleich mehrere entgeltliche Nebentätigkeiten angegeben - die allerdings alle bereits abgeschlossen sind. So ist auf seinem Abgeordnetenprofil zum einen seine bis März 2018 bestehende Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrates bei der AGR Abfallentsorgungsgesellschaft Ruhrgebiet aufgeführt (Einkommensstufe 3, jährlich 7000 bis 15.000 Euro). Auch dort angegeben ist seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn (bis 2018 in Stufe 1, bis 2020 in Stufe 2). Zudem war Wittke bis März 2018 bei der Pyramis Immobilienberatung Münster tätig (Stufe 1).
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„Zwei der drei Tätigkeiten rührten aus politischen Funktionen“, erklärt Wittke auf Nachfrage. „Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn war ich als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium – mit Abführung der Entschädigungen an die Bundeskasse. Aufsichtsratsvorsitzender der AGR war ich als Mitglied der Verbandsversammlung des RVR.“ Genaue Angaben zu den Nebeneinkünften könne Wittke dann machen, wenn er zurück in Gelsenkirchen sei und Einblick in seine Unterlagen nehmen könne, versicherte er.
„Ich bin der Meinung, dass nicht die Höhe der Nebeneinkünfte ausschlaggebend ist, sondern die zeitliche Inanspruchnahme“, teilte Wittke mit. Der Landwirt, dessen Hof von Sohn oder Tochter geführt wird, habe gegebenenfalls Nebeneinkünfte von mehr als 10.000 Euro, ebenso wie der Immobilienbesitzer mehrerer Miethäuser. „Darum nennen die Verhaltensregeln für Abgeordnete auch keine finanzielle Obergrenze sondern sagen, ‘die Mandatsausübung muss im Mittelpunkt stehen’. Gut so!“
Jörg Schneider (AfD)
Jörg Schneider hat bislang nicht auf unsere Fragen zu seinen Nebentätigkeiten geantwortet. Seinem Abgeordnetenprofil zufolge hat der AfD-Abgeordnetekeine Nebentätigkeiten. Genaue Angaben zu seinen Einkünften macht Schneider auf seinen Online-Auftritten nicht.