Gelsenkirchen. Warum die WAZ Gelsenkirchen die Bundestagskandidaten einzeln interviewt und die geplanten Gesprächsduelle der Politiker ausfallen müssen.
Es gehört zum kleinen Einmaleins der Berichterstattung, dass die Lokalredaktion den Kandidaten der hiesigen Parteien vor einer Wahl auf den Zahn fühlt. Üblicherweise findet dies in Einzelinterviews statt, manchmal in Szene gesetzt „am Lieblingsort der Politiker in ihrer Heimatstadt“, manchmal schlicht in den Räumen der Redaktion.
Tatsächlich spielt das Drumherum auch selten bis nie eine Rolle, wenn es darum geht, von den Kandidaten zu erfahren, was sie über dieses oder jenes Thema denken, was sie erreichen wollen und wie sie gedenken, das zu tun.
Die Politiker – das ist im Wahlkampf nun mal so – versprechen vieles umzusetzen, „wenn sie denn gewählt werden und der Koalitionspartner nicht bremst“. Überhaupt, das sei nur am Rande angemerkt, scheint ohnehin immer der Koalitionspartner Schuld zu sein. . .
Kein Gelsenkirchener Bundestagskandidat will in die Debatte mit Jörg Schneider von der AfD
Gerne hätten wir die Politiker zur Abwechslung in Zweierduellen für Sie, liebe Leser, miteinander ins Streitgespräch kommen lassen. Laura Rosen von der CDU mit Ayten Kaplan von den Linken etwa, Markus Töns (SPD) mit Marco Buschmann (FDP) und Irene Mihalic, die Innenexpertin der Grünen, mit Jörg Schneider (AfD), der ebenfalls voraussichtlich wieder in den Bundestag einziehen wird.
Doch mit eben jenem Schneider, der jüngst auf Nachfrage der WAZ Gelsenkirchen die Nazi-Affäre um seinen umstrittenen Parteikollegen Matthias Helferich gewissermaßen als Missverständnis herunterspielte, will keiner der anderen Bundestagskandidaten in Gelsenkirchen in die Debatte gehen. Die AfD sei keine normale, sondern eine rechtsradikale und verfassungsfeindliche Partei, was die Abgeordneten der AfD im Bundestag für rassistisches und frauenfeindliches Zeug von sich geben würden, wenn gerade kein Mikrofon auf sie gerichtet sei, sei kaum zu ertragen, so die Bundestagsabgeordneten der anderen Parteien. Deshalb verweigerten allen voran Mihalic und aus Solidarität mit der Grünen-Politikerin auch Töns, Buschmann und Kaplan den Diskurs mit Jörg Schneider.
Wir hätten ein sachliches, aber engagiertes Duell um die besten Argumente begrüßt. Mit dem politischen Gegner, der in Gelsenkirchen von einer nicht unerheblichen Zahl der Wähler (12,9 % bei der Kommunalwahl 2020) gewählt wurde, nicht zu reden, „weil man ihn nicht normalisieren will“, ist für Demokraten zumindest mal fragwürdig. Denn schließlich ist es für die Parlamentarier ohnehin Alltag, sich im Parlament den Anträgen der AfD zu stellen. Warum sie das nicht in Interviewform gedenken zu tun, ist schwer nachzuvollziehen.
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