Gelsenkirchen-Horst. Auf dem Schloss Horst in Gelsenkirchen aß man in der Renaissance durchaus schmackhaft - zumindest an Festtagen. Unsere Rezepte zum Nachkochen.

Rutger von der Horst streckt die Nase in die Höhe und atmet tief ein. Die Sonne scheint ihm ins Gesicht. Der Geruch eines Feuers kündet vom baldigen Festessen. Später hat der Hausherr zum Grillfest geladen. Der Anlass: Die Taufe seines Sohnes Johann. Es ist ein echter Festtag in der Freiheit Horst, dieser Sommertag zu Beginn der 1550er Jahre. Deswegen hat Rutger keine Kosten gescheut. Unzählige Leckereien werden in der Küche vorbereitet. Sogar die neuen indischen Hühner sollen später über dem offenen Feuer gegrillt werden.

Seit 1983 ein Denkmal und seit 1999 restauriert: Das Schloss Horst und die später sanierte Vorburg sind heute Kulturorte und beliebter Ort für Trauungen.
Seit 1983 ein Denkmal und seit 1999 restauriert: Das Schloss Horst und die später sanierte Vorburg sind heute Kulturorte und beliebter Ort für Trauungen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

So oder ähnlich könne man sich ein Festessen im einstigen Schloss Horst vorstellen, sagt die Historikerin Dörte Rotthauwe. Seit vielen Jahren ist sie im Westen Gelsenkirchens tätig, berichtet Besuchern des Museums Schloss Horst vom Leben der Menschen am Ort in der Renaissance. Armselig ist das in Sachen Speisen übrigens nicht. Etliche Teile der Welt sind über Handelswege bereits erschlossen, sogar erste kulinarische Besonderheiten aus der „neuen Welt“ Amerika kommen in Europa an. Ganz ähnlich wie heute gilt auch damals: „Man will zeigen, was man hat. Dafür engagiert man sogar Zeichner, die die Festtafel auf Papier bannen.“ Die Sache mit den Erinnerungsfotos via Mobiltelefon hat also durchaus historische Vorläufer.

So könnte ein Festessen an der Tafel des adeligen Horster Schlossherren abgelaufen sein

Während man im Mittelalter noch alle Gänge gleichzeitig anbietet, die Tafel derart voll ist, „dass sich die Tische bogen“, teilt man in der Renaissance die Speisen etwas ein. „Auf der Zuckertafel stehen Köstlichkeiten, bei denen die Zuckerbäcker ihr Können unter Beweis gestellt haben.“ Wobei das mit der „Tafel“ anders zu verstehen ist, als wir es heute tun. „Man hat Böcke aufgestellt und Platten drauf gelegt. Die wurden mit bunten Tischtüchern bedeckt und manchmal sogar mit teuren Teppichen. Auch das war Luxus, den man unbedingt zeigen wollte.“

Beim Braufest auf der Vorburg von Schloss Horst zeigte  Historikerin Dörte Rotthauwe, wie früher Bier gebraut wurde. Sie ist mit den Lebensgewohnheiten der Renaissance vertraut.
Beim Braufest auf der Vorburg von Schloss Horst zeigte Historikerin Dörte Rotthauwe, wie früher Bier gebraut wurde. Sie ist mit den Lebensgewohnheiten der Renaissance vertraut. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Feste bekommen oft ein Motto, zu dem auch die Tafel dekoriert wird. Besonders gern wird der Namenstag gefeiert. „Den eigenen Geburtstag kannten die wenigsten Menschen, den Namenstag aber schon. Weil die Sterblichkeit so hoch war, war das ein besonderer Tag an dem man feierte, ich habe wieder ein Jahr überlebt.“

Das ganze Gesinde ist mit den Vorbereitungen für das Grillfest beschäftigt. Alle sind aufgeregt, von der jüngsten Küchenmagd bis hin zum Koch. Auch die Gänsemädchen Gia und Isa. Noch sind sie bei ihren Tieren, die fröhlich schnatternd den Sommertag genießen und sich an frischen Kräutern gütlich tun. Später dürfen die beiden Mädchen mitfeiern. Das hat der Herr gestattet. Denn dieser Freudentag soll für alle unvergesslich sein.

Wer es sich leisten konnte, kochte mit Gewürzen aus Fernost

„Aus der Gesamtheit der Rechnungsbücher des Schlosses Horst kann man den Eindruck gewinnen, dass Rutger wohl gut mit den Menschen umgegangen sein muss“, sagt Dörte Rotthauwe. Und es sind einige, die im Schloss und drum herum leben und arbeiten. „Zu so einer Herrschaft gehören damals immer auch Bauernhöfe, die zur Abgabe verpflichtet sind.“ So kommt Rutger zu Getreide, Gemüse aber auch Fleisch, Bienenwachs und Honig.

Das Baumodell von Schloss Horst ist ein Schmuckstück der Ausstellung im Museumskeller.
Das Baumodell von Schloss Horst ist ein Schmuckstück der Ausstellung im Museumskeller. © WAZ FotoPool | Franz MEINERT

Die Renaissance ist die Zeit, in der die Nutztierhaltung zum Zwecke der Fleischproduktion beginnt. Zuvor hat man Tiere erst nach ihrem Arbeitsleben geschlachtet. Das Fleisch ist entsprechend zäh, muss lange gekocht werden. „Dann wurde es zu einem Mus verarbeitet und wie verrückt gewürzt. Nicht, um es genießbar zu machen. Das dachte man lange, aber es stimmt wohl nicht. Gewürze sind in der Renaissance ein Ausdruck von Luxus.“ Und es gibt bereits viele. Da sind die vielen einheimischen Kräuter, dazu auch importierte mediterrane Kräuter. Aus arabischen und asiatischen Ländern gelangen über die großen Handelsrouten zudem viele Gewürze nach Horst. Pfeffer, Kardamom, Nelke und Zimt werden gern gegessen. Wer es sich leisten kann, würzt und färbt seine Speisen mit Safran.

Auch interessant

Vieles allerdings, was wir heute kennen und schätzen, gibt es damals nicht. Allem voran die Kartoffel. Ob Backkartoffel oder Kartoffelsalat, solches hat Rutgers Grillfest nicht zu bieten. „Es gibt keine Tomaten, keine Paprika, keinen Kaffee, keinen schwarzen Tee, keinen Kakao, keine Schokolade“, zählt Dörte Rotthauwe nur einiges auf, was erst viele Jahrzehnte und zum Teil Jahrhunderte später den Weg nach Deutschland findet. Aber was gibt es dann als Beilage zum Fleisch? „Es gab bereits Nudeln. Aber in der Hauptsache war das natürlich Getreide, vor allem Roggen und Gerste. Hafer und Hirse gab es auch. Weizen war nicht sehr verbreitet, weil er im Anbau anspruchsvoll ist.“

Der Luxus des Grillfestes war auch für Rutger von der Horst nicht alltäglich

Rutger (auch Rütger) von der Horst um 1553. Der niederrheinische Adelige (1519-1582) baute das Renaissanceschloss. 1578 war der Bau vollendet.
Rutger (auch Rütger) von der Horst um 1553. Der niederrheinische Adelige (1519-1582) baute das Renaissanceschloss. 1578 war der Bau vollendet. © WAZ | Thomas Schmidtke

Obwohl man in der Renaissance durchaus schmackhaft backen kann, Brot backt man in dem Maße noch nicht. „Das waren eher Fladenbrote, wie wir sie heute aus türkischen Bäckereien kennen.“ Denkbar ist auch, dass man Pfannenbrote backt. „Man wird auch den Treber vom Bierbrauen dafür verarbeitet haben.“ Denn etwas wegzuwerfen, das will und kann man sich nicht leisten. Ohnehin ist der Luxus des Grillfestes auch für Rutger von der Horst sicher nicht alltäglich. „Es ist durchaus denkbar, dass der Adel an Wochentagen ähnlich einfach gegessen hat, wie sein Personal.“ Das aber, so Dörte Rotthauwe, sei wenig beschrieben. „Wer will schon gern zugeben, dass er aufs Geld achten muss.“ Auch hier hat sich wenig verändert von damals zu heute.

Herrlich duftet das Fleisch, das sich am Spieß über dem Feuer dreht. Gleich ist es soweit, werden das Rindfleisch und das indische Huhn mit Füllung angeschnitten und serviert. Den Gästen läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Die Stimmung ist ausgelassen, die Musikanten spielen auf. Rutger von der Horst blickt auf die Vorburg und lächelt zufrieden. Diesen Ehrentag seines Sohnes werden die Bürger der Freiheit Horst noch lange in guter Erinnerung behalten.

• Grillen wie einst Rutger von der Horst, das können auch WAZ-Leser mit den beigefügten Rezepten. Sie sind einerseits authentisch, andererseits ein wenig überarbeitet und angepasst an die heutige Zeit. Einen Eindruck von einst vermitteln sie jedoch gut.

Die Rezepte aus Rutgers Küche:

Pute mit Himbeeren

Zutaten (für 8 Personen):

1 Pute (oder 2 Hühner)

200 g Puten- oder Hühnerbrust

Für die Füllung:

100 g Speck

100 g Kalbfleisch

4 Eier

1 TL Salz

1 Msp Pfeffer

1 Msp Nelkenpulver

1 EL Kapern

Für die Sauce:

2 l Hühnerbrühe

1 Rosmarinzweig

1 Thymianzweig

4 Salbeiblätter

4 EL getrocknete Steinpilze

200 g Speckwürfel

4 EL Mehl

1 EL Kräuteressig

1 TL Zitronensaft

Salz und Pfeffer

Zum Garnieren:

200 g Himbeeren

Zubereitung:

Das indische oder indianische Huhn, wie die Pute zunächst heißt, ist einer der Lieblingsbraten der Renaissance. Ein solcher Braten dürfte an Feiertagen oftmals auf den Tischen gestanden haben:

Putenbrust oder Hühnerbrust, Speck und Kalbfleisch hacken. Die Eier hartkochen, das Eigelb trennen, zerquetschen und hinzugeben. Salz, Pfeffer, Nelkenpulver und Kapern untermischen. Damit die gesäuberte Pute füllen. Die Pute am Drehspieß auf dem Gartengrill oder im Ofen bei 220 Grad eine Stunde im eigenen Saft unter Beigabe von etwas Wasser von beiden Seiten garen. Dabei die Hitze allmählich auf 200 Grad reduzieren.

Anschaulich zeigt das Schlossmuseum wie die einfachen Menschen im 16. Jahrhundert tafelten.
Anschaulich zeigt das Schlossmuseum wie die einfachen Menschen im 16. Jahrhundert tafelten. © WAZ FotoPool | Thomas Schmidtke

Die Hühnerbrühe aufkochen, die Kräuter und Pilze zugeben und alles zehn Minuten kochen lassen. Den Speck auslassen und im Fett das Mehl anbräunen und mit der abgesiebten Hühnerbrühe ablöschen. Essig, und Zitronensaft beigeben und alles mit Salz und Pfeffer abschmecken. Kurz vor dem Servieren wird die Pute mit den Himbeeren garniert.

Blumenkohlsalat

Zutaten:

1 Blumenkohl

½ l Gemüsebrühe

1 EL Butter

6 EL Olivenöl

3 EL Weißweinessig

Salz, Pfeffer

Zubereitung: Den Blumenkohl in einzelne Röschen zerpflücken und zehn Minuten in der Gemüsebrühe halb weich kochen. Abgießen, Butterflocken draufsetzen und in den Backofen schieben, bis die Butter geschmolzen ist. Aus Olivenöl, Weißweinessig, Salz und Pfeffer eine Salatsauce zubereiten und über den Kohl gießen. Vor dem Servieren muss der Salat eine Stunde lang ziehen.

Erbsenmus

Zutaten:

600 g frische Erbsen

3 dl Gemüsebrühe

1 Msp Safran

½ TL Ingwer

½ TL Zimt

1 EL Zucker

Zubereitung: Die Erbsen in der Gemüsebrühe 15 Minuten kochen. Abgießen, mit Safran, Ingwer und Zimt würzen und pürieren. Erkalten lassen und vor dem Servieren mit Zucker bestreuen.

Rinderrücken auf venezianische Art

Ein Rezept nach Bartolomeo Scappi, einem berühmten italienischen Koch der Renaissance

Zutaten:

Für den Rinderrücken:

1 kg Hochrippe

8 große Scheiben durchwachsenen Speck

5 EL Weinessig

1 TL schwarzer Pfeffer

1 EL Zimt

1 EL Salz

2 EL Koriandersamen

5 EL Wasser

Für die Sauce:

6 EL Weinessig

2 EL Zucker

2 EL Zimt

2 Gewürznelken

½ TL Muskat

Hierfür nimmt man einen Rinder- oder Ochsenrücken mit genügend Fett und gut gereift. Von diesem teilt man Rippe für Rippe ab. Dann empfiehlt der Meister: Man „schlage das Fleisch mit dem Messerrücken von einer Seite auf die andere. Dies tut man, damit das Fleisch mürbe und weich wird“. Dann mit rosa Essig beträufeln und fest mit Pfeffer, Zimt, zerstoßenem Salz, Fenchelkörnern oder Koriandersamen einreiben. „Hernach Scheibe um Scheibe eng zusammenpressen und sechs Stunden stehenlassen.“ Am besten geht das in einer Schüssel im Kühlschrank.

Die Stücke Fleisch werden nun mit je einer Scheibe Speck eingewickelt. Jener wird mit einem Faden oder Zahnstocher befestigt. Die Stücke werden nun in einer heißen Pfanne oder, noch besser, auf dem Grill angebraten. Achtung: Die Hitze darf nicht zu groß sein. Beim Garen sollte das Fleisch hin und wieder gedreht werden. Schon nach einer guten halben Stunde ist das Fleisch fertig.

Während der Garzeit (oder auch schon zuvor) eine süß-saure Sauce aus Essig, Zucker, Zimt, Gewürznelken und Muskatnuß zubereiten und köcheln lassen. Sie wird zum Fleisch serviert.

Das Rezept eignet sich auch für Hammelrücken oder trockenes Rindfleisch.

Wer noch mehr erfahren will über das Leben im Hause Rutgers, kann das Museum im Schloss Horst, Turfstraße 21, besuchen. Die Öffnungszeiten: montags bis freitags von 15 bis 18 Uhr, dazu sonntags von 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 3 Euro.