Gelsenkirchen. Das Homeschooling ist vorbei, Probleme bleiben: Was Gelsenkirchener Pädagogen über die Corona-Herausforderungen im Schulsektor sagen.
Die Corona-Pandemie wird den Bildungssektor in Gelsenkirchen wohl noch lange Zeit bestimmen. „Zwischen zehn und 20 Jahre werden uns die Folgen beschäftigen“, schätzt Lothar Jacksteit, Vorsitzender der hiesigen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Und dafür gibt es aus seiner Sicht mehrere Gründe.
Seit rund eineinhalb Jahren hat kein geregelter Schulbetrieb stattfinden können. Stattdessen gab es verschiedene Modelle, die sich abwechselten: Präsenzunterricht, Hybridunterricht, Distanzunterricht. Mancherorts führte gerade das Homeschooling dazu, dass Schüler von ihrer Schule nicht mehr erreicht werden konnten. Mittlerweile ist die Inzidenz in Gelsenkirchen gesunken und Vor-Ort-Unterricht wieder möglich.
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Damit alleine lösen sich noch keine Probleme. Drängende seien demnach, den ausgefallen Unterrichtsstoff nachzuholen, die psychischen Folgen des Dauer-Distanzunterrichts abzufedern sowie die soziale Kluft zwischen privilegierteren und sogenannten bildungsferneren Kindern zu schließen.
Unterrichtsausfall und Lehrermangel: Womit Gelsenkirchens Schulen zu kämpfen haben
Achim Elvert, Leiter der Gesamtschule Ückendorf (GSÜ), hofft nun, dass das kommende Schuljahr 2021/22 nicht unter Normalbedingungen gewertet wird. Der verlorene Stoff lasse sich nicht per Knopfdruck nacharbeiten. „Wir können keine zehnte, elfte oder zwölfte Unterrichtsstunde anbieten“, sagt Elvert. „Die Prüfungspläne für das neue Schuljahr müssen daher angepasst werden.“
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Eine weitere Idee lautet, den Unterrichtsstoff mithilfe von außerschulischen Angebote von Freien Trägern aufzuholen. Für Elvert ist das aber keine Ideallösung. „Es wäre effektiver, wenn Förderkräfte in der Schule tätig wären“, sagt er und wünscht sich sogenannte „Assistant Teacher“, die in den Schulen bedarfsgerecht helfen könnten. Doch taucht hier ein altbekanntes Gelsenkirchener Problem auf: der Lehrermangel.
Bis zu 100 Kräfte fehlen, sagt Jacksteit von der GEW: „Wir sind derzeit nicht in der Lage, den verfassungsmäßigen Auftrag zu erfüllen.“ Neue Lehrkräfte für die Stadt gewinnen, das kostet allerdings Geld. Was gebraucht werde, sei eine Kostenfolgeabschätzung, so Jacksteit und die GEW. Es solle berechnet werden, welche Summe genau benötigt wird, um die nächste Generation für die Zukunft zu gewinnen.
Dies sei das System den Schülerinnen und Schülern schuldig, so Jacksteit: „Sie haben unser aller Unterstützung verdient.“ Es müssten angemessene Zukunftschancen gewährleistet und gesellschaftliche Aspekte betrachtet werden. Die Demokratie ließe sich nur durch gebildete Generationen aufrechthalten, glaubt Jacksteit.
Der Bund will investieren
Der Bund hat ein Milliarden-Aufhol-Programm ins Leben gerufen. Bis Ende 2022 werden laut Ministerium 215 Millionen Euro aus den Bundesmitteln in NRW ankommen. Sie sollen gezielt die Lernrückstände beheben, wobei ein Eigenanteil in gleicher Höhe erwartet werde.
86 Euro kommen vom Bund für die gezielte Lernförderung bei 2,49 Millionen Schülerinnen und Schülern pro Kopf zusammen. Auch soll es über das Familienministerium Geld für Jugendfreizeitaktivitäten und Sozialarbeit geben, unter anderem mit Kräften des Freiwilligendienstes.
Geld allein reiche nicht. Junge Lehrerinnen und Lehrer sollen überzeugt werden, nach Gelsenkirchen zu kommen. Natürlich bringe ein Job an einer Schuler hier „besondere Bedingungen“ mit sich. Was Jacksteit meint: Eine Lehrkraft sei nicht mehr nur für das Vermitteln von Inhalten zuständig, sondern immer mehr als Sozialarbeiter gefragt. Das kann junge Lehramtsstudenten abschrecken.
Corona sorgt in Schulen für einen „Digitalisierungsschub“
Wenngleich die Pandemie ein Beschleuniger für viele Sorgen und Herausforderungen zu sein scheint, habe sie an Schulen gleichermaßen für einen „Digitalisierungsschub“ gesorgt. Diesen zumindest hat Elvert an seiner Gesamtschule registriert. Über 400 Tablets hat die Stadtverwaltung allein an die Bochumer Straße nach Ückendorf geschickt. Das mache vieles möglich.
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An der GSÜ gibt es deshalb Überlegungen, digitale Formate in die Nach-Corona-Zeit mitzunehmen. Programme zum gemeinsamen Arbeiten hätten beispielsweise den Schulalltag erleichtert, denkt Elvert, der deshalb nicht von einer verlorenen Generation spricht, die momentan die Schulbank drückt: „Manche Schüler erzielen sogar bessere Ergebnisse als vor Corona. Es ist einfach eine Generation, die andere Erfahrungen gemacht hat.“
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