Gelsenkirchen. Schulkinder haben dringenden Aufholbedarf wegen des Lockdowns. So will Gelsenkirchen nicht nur fachlich, sondern auch die Lust am Lernen fördern.
Sie hatten monatelang Homeofficepflicht (länger als die Wirtschaft) ungeachtet ihrer Möglichkeiten, durften Freunde nicht sehen und müssen auf Freizeitfahrten mit Schule und Jugendgruppen verzichten: Schülerinnen und Schüler standen in der Pandemie immer wieder hintenan mit ihren Interessen. Ein Milliarden-Aufhol-Programm des Bundes soll es nun richten helfen, bis Ende 2022.
In NRW werden laut Ministerium 215 Millionen Euro aus den Bundesmitteln ankommen zur gezielten Behebung der Lernrückstände, wobei ein Eigenanteil in gleicher Höhe erwartet werde. Pro Kopf bedeutet das: 86 Euro kommen vom Bund für die gezielte Lernförderung bei 2,49 Millionen Schülerinnen und Schülern. Zudem soll es über das Familienministerium Geld für Jugendfreizeitaktivitäten und Sozialarbeit geben, unter anderem mit Kräften des Freiwilligendienstes. Zu Förderrichtlinien gibt es noch keinerlei Informationen vom Land, dennoch wird in Gelsenkirchen bereits geplant.
Das Problem: qualifiziertes Zusatzpersonal finden
Peanuts für die Bildung statt echter Corona-Aufholjagd„Wir wollen es vom Kind her denken und ganzheitlich angehen. Es darf nicht nur um kognitive Defizite gehen, sondern auch um Beziehungsabbrüche und die seelischen und sozialen Folgen, jenseits von Lernlücken“, betont Bildungsdezernentin Anne Heselhaus bei der Frage nach den Plänen für die nahe Zukunft. „Es wird ein Marathon, der nicht 2022 beendet sein kann.“
Sie hat daher alle Fachbereiche, die dabei helfen können, einbezogen. Das größte Problem bei allen Maßnahmen: der Personalmangel. Das sei alles sehr personalintensiv. Und nicht jeder, der seine Dienste als Externer anbiete, sei dafür auch wirklich qualifiziert. Darauf werde man aber achten, verspricht Anne Heselhaus.
Kitas: Vorschule mit Spaßfaktor in den Ferien
In der Frühförderung der Kitas gibt es schon Konzepte: in den ersten drei Wochen der Sommerferien, in denen traditionell Gekita-Betriebsferien sind, bleiben nicht nur sechs Kitas für Notbetreuung geöffnet. Vielmehr gibt es in fünf von ihnen (Brößweg, Diesterwegstraße, Franziskusstraße, Königstraße, Rotthauser Straße) ein Modellprojekt „Vorschule in den Ferien“ mit Sprachförderung durch Fachkräfte, Bewegung und Spiel. Auch in den Familienzentren wird die Arbeit wieder hochgefahren.
Integration: Ferien-Intensivkurs „Fit in Deutsch“
Das Referat Zuwanderung und Integration hat einen Intensivkurs „Fit in Deutsch“ für Erst- und Zweitklässler an zehn Grundschulen gemeinsam mit den OGS-Trägern der Schulen organisiert. 14 Tage Stadtteilerholung inklusive Sprachförderung mit qualifizierten Sprachbegleitern soll es im Sommer geben, für die Herbstferien wird bereits der Bedarf an Schulen abgefragt.
Kultur: Internationales Kinder-Orchester
Das Referat Kultur bereitet mit der Musikschule die Gründung eines internationalen Orchesters mit Kindern ab Grundschulalter vor, um Teilhabe von Kindern mit Migrationshintergrund auch im kreativen Bereich zu stärken.
Jugend: Abgetauchte zurückholen, Familien stützen
Das Referat Jugend hat den Kontakt zu als problematisch bekannten Heranwachsenden und deren Familien zwar gehalten, zumindest digital. Aber jetzt könne man auch zunehmend wieder in Präsenz arbeiten, da immer mehr Mitarbeiter auch geimpft seien, ist Referatsleiter Wolfgang Schreck erleichtert. Hilfreich beim Kontakte knüpfen seien auch die vier zusätzlichen Familienzentren an Grundschulen, die im August die Arbeit aufnehmen.
Länger unterstützt und begleitet werden sollen künftig junge Eltern mit Hausbesuchen vom Team über das Babypaket hinaus. „Beim Schulsozialdienst gibt es viel aufzuarbeiten. Wir bekommen seit der Schulöffnung täglich Meldungen zu Kindern, die im Lockdown abgetaucht sind. Das sind deutlich mehr als sonst“, schildert Schreck.
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Gelsensport: Schwimmen, Radfahren und Jugend-Extras
Gelsensport will mit Vereinen und DLRG so schnell wie möglich das Kinderschwimmen verstärkt starten. Es soll Ferienkurse, auch im Herbst, geben, zudem Fahrradkurse. Geplant ist auch ein dreiwöchiges bewegtes Sommerprogramm in Bulmke und auf Consol mit der Knappenschmiede mit Basketball, Fußball und Skateboard.
Jugendliche ab 15 Jahren will ein offenes Angebot ab 21. Juni an der Offenen Tür am Berger See und auf Consol mit Air-Badminton und Selbstverteidigungskursen erreichen. Und an den Sporthallen soll der „Open Sunday“ mit Bewegungsangeboten für die ganze Familie ausgebaut werden.
Bildungsentwicklung: Nicht nur Mathe, sondern Spaß am Leben und Lernen fördern
Bernd Zenker-Broekmann vom Bildungsreferat setzt auf Kontinuität bei der Lernförderung mit bekannten Trägern und auf perspektivisches Denken. „Wir haben einen Marathon vor uns. Und es kann nicht allein um fachliches Lernen gehen. Die Schulformsprecher haben alle betont, wie wichtig Lebensmotivation ist, Förderung von Spaß am Lernen, nicht nur von Mathe und Deutsch.“
Ein Aufhol-Marathon
Von einem „Aufhol-Marathon“ spricht auch Schulamtsdirektorin Petra Bommert, die in Koordination zwischen Kommune und Bund-Land Programme zur Behebung der Lernlücken begleitet. Diagnose der Lücken und Förderung sollen dabei Hand in Hand gehen. Material dafür, das auch außerhalb des Unterrichts genutzt werden kann, sei angekündigt, aber noch nicht angekommen. Das größte Problem dabei ist die personelle Situation. Lehrkräfte im Ruhestand, Mitarbeiter der OGS (Offenen Ganztagsschule) und Studierende sollen dabei einbezogen werden.
Ein eigenes Projekt hat die Bezirksregierung Münster bereits für einige Städte gestartet. Für „Ais“, „Anschluss individuell schaffen“geben Studierende an zwölf Gelsenkirchener Schulen derzeit noch bis 25. Juni zweimal je Woche gezielten Fach-Förderunterricht. Die 36 Millionen Euro für alle Schüler in NRW aus dem Extra-Zeit-Programm des Landes zum Abbau der Rückstände werde kaum reichen, fürchtet Bommert.
Förder-Maßnahmen sollen vor allem in Ferien und an Wochenenden laufen statt an den Schulunterricht angehängt, außerschulische Lernorte verstärkt genutzt werden. Referatsleiter Klaus Rostek hofft, dass Bund und Land schnell die Verträge unterschreiben und die Förderrichtlinien veröffentlich wird, damit konkret geplant werden kann. „Aber die Förderprogramme müssen länger laufen. Bis 2022 reicht nicht“, ist er sicher.
Extra-Zeit-Paket in Arbeit
Konkret geplant und in Abstimmung mit den Schulen werden derzeit Möglichkeiten, die Gelder aus dem Extra-Zeit-Programm des Landes zu nutzen. Hier geht es konkret um individuelle Förderung bei Lerndefiziten. Bewerbungen von Trägern gibt es bereits, auch private Anbieter können eingebunden werden. Entschieden wird aber erst nach Klärung der Bedarfe von Schulen.
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