Gelsenkirchen-Beckhausen. Noch bis zum Ende des Jahres laufen die Arbeiten am Lanferbach: Demnächst soll in der Gelsenkirchener „Köttelbecke“ wieder Fische schwimmen.

Bekommt Gelsenkirchen ein neues Wahrzeichen? Steht in Beckhausen bald so etwas wie ein zweiter Gasometer? Diese bange Frage stellen sich derzeit viele Beckhausener beim Blick auf den großen, grauen Betonzylinder, der neben dem Lanferbach an der Straßenecke Horster Straße/Bergstraße steht. „So groß, wie der ist, bleibt der doch bestimmt da stehen“, unkte kürzlich ein Leser. So viel sei verraten: Er bleibt dort nicht stehen. Aber hinter dem Betonungeheuer steckt eine spannende Geschichte.

Die Geschichte von einer Verwandlung nämlich, die man sich heute kaum vorstellen kann. Es geht um den Lanferbach, in Beckhausen und Umgebung besser unter dem etwas anrüchigen Namen „Köttelbecke“ bekannt, der sein Gesicht in den kommenden Jahren dramatisch verändern soll. Und da wiederum spielt der Betonzylinder eine große Rolle.

Auf vier Kilometern Länge fließt der Lanferbach durch Gelsenkirchens Westen

Bekanntlich läuft gerade im ganzen Ruhrgebiet das Mammutprogramm Emscher-Umbau. Ziel ist es, aus der Emscher, die viele Jahre den unrühmlichen Titel des am stärksten verschmutzen Flusses Deutschlands trug, wieder einen „richtigen“ Fluss zu machen, der nicht mehr dazu missbraucht wird, das Abwasser einer ganzen Region in sich aufzunehmen, sondern in den das Leben wieder zurückkehrt – und der im Sommer, wenn es warm wird, nicht mehr zum Himmel stinkt.

Herzstück der Maßnahme ist der Bau des Emscher-Abwasserkanals, das ist eine unterirdische Rohrleitung, die auf einer Länge von 51 Kilometern die Abwässer von rund 2,26 Millionen Einwohnern und umfangreiche Abwassermengen von Industrie und Gewerbe aufnehmen und sie der Kläranlage Bottrop und dem Klärwerk Emscher-Mündung zuleiten wird.

Soll wieder zu einem sauberen Bach werden: Der Lanferbach in Beckhausen.
Soll wieder zu einem sauberen Bach werden: Der Lanferbach in Beckhausen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Doch die Emscher ist nicht das einzige Gewässer, das in den vergangenen Jahrzehnten als Abwasserfluss missbraucht wurde. Auch die vielen Emscherzuläufe wie etwa der Lanferbach gehören dazu. Der gut vier Kilometer lange Bach hat sein Quellgebiet am Fuß der Halde Rungenberg und mündet in Sutum in die Emscher. Sein Lauf ist begradigt worden, das Wasser fließt zwischen Spundwänden und einem Betonbecken daher, es hat meist eine schmutzig graue, trübe Farbe, vor allem im Sommer stinkt es.

Die Rohre werden im „Maulwurfsprinzip“ gegraben

Doch damit soll es bald vorbei sein. Genau wie die Emscher bekommt auch der Lanferbach einen unterirdischen Kanal an die Seite gelegt, in den künftig sämtliche Abwässer eingeleitet werden sollen, die bislang noch in den Bach fließen. Die Bauarbeiten laufen zurzeit und sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein, bestätigte Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft.

Der Bau erfolgt im unterirdischen Rohrvortrieb – „quasi nach dem Maulwurfsprinzip“, erklärt Abawi. Dazu wird zunächst eine senkrechte Startgrube ausgehoben, unten angekommen, gräbt sich eine Maschine dann waagerecht durchs Erdreich, ohne, dass man überirdisch etwas davon mitbekommt. Dann werden Rohre nachgeschoben, so dass nach und nach eine unterirdische Rohrleitung entsteht. Im Fall des Lanferbachs haben die Rohre einen Innendurchmesser von 1,60 bis 2 Meter.

So soll es am Lanferbach später einmal aussehen

Wasser fließt mit 4 km/h

Der Spatenstich für den Abwasserkanal Emscher erfolgte im September 2009. Auf 51 Kilometern führt er von Dortmund bis nach Dinslaken. Der Abwasserkanal besteht aus Stahlbeton-Kanalrohren mit Innendurchmessern zwischen 1,60 und 2,80 Meter.

In zehn bis 40 Metern Tiefe fließt das Abwasser mit einer Geschwindigkeit von vier Kilometern in der Stunde. Der Abwasserkanal trennt was nicht zusammen gehört: Sauberes Fluss- und Regenwasser fließt offen in und durch die Emscher, das Abwasser dagegen wird unterirdisch im Kanal transportiert.

An der Straßenecke Horster Straße/Bergstraße entsteht zurzeit eine „Zielgrube“: Hier kommen die Bohrmaschinen an. Und der große Betonzylinder? Der stellt die Innenverschalung der Grube da, wird also, wenn diese ausgehoben ist, in sie abgesenkt und ist dann nicht mehr zu sehen. Ende des Jahres soll der Abwasserkanal seinen Betrieb aufnehmen. Bis März, sagt Ilias Abawi, seien voraussichtlich auch die „Aufräumarbeiten“ abgeschlossen.

„Dann werden auch die zurzeit gesperrten Fahrrad- und Fußwege entlang des Lanferbachs wieder geöffnet sein“, sagt der Sprecher, „und die provisorischen Baustraßen, die entlang der Flustraße und Ekhofstraße angelegt sind, werden wieder abgebaut.“

Der Lanferbach selbst soll dann in den kommenden Jahren renaturiert werden. „Wir entfernen die Betonverschalung, machen die Böschung weniger steil und wollen dort, wo Platz ist, den Bach ,entgeradigen’, ihm also seine Kurven zurückgeben“, so Abawi. Dann fließt das Wasser weniger schnell, dann können sich dort Fische wie die Emschergroppe ansiedeln, dann kann dort eine Auenlandschaft entstehen. Für viele Beckhausener, die den Lanferbach nur als „Köttelbecke“ kennen, ist das eine nahezu aberwitzige Vorstellung.