Gelsenkirchen-Altstadt. Nach den wütenden Protesten und Hasstiraden gegen Gelsenkirchener Juden ist Solidarität gefragt. So verlief die Mahnwache vor der Neuen Synagoge.
Mit Solidarität gegen Hass und Angst: Mittwoch war die Neue Synagoge Ort wütender Anti-Israel-Proteste, wurden Gelsenkirchener jüdischen Glaubens massiv verunglimpft und beschimpft. Freitag zeigten über 300 Frauen, Männer und Jugendliche genau an diesem Ort, dass Gelsenkirchen anders ist, dass jüdisches Leben, jüdische Kultur fest zu dieser Stadt gehören. Mit einer Mahnwache wurden Zeichen gegen Judenhass und Antisemitismus gesetzt.
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Die Teilnehmer der Mahnwache, eingeladen von der Initiative gegen Antisemitismus Gelsenkirchen und der Demokratischen Initiative, einem Bündnis von 23 Organisationen, Parteien, Jugend- und Wohlfahrtsverbänden, demonstrierten Freitag, dass sie an der Seite der jüdischen Gemeinde stehen. Starke Polizeikräfte sicherten die Veranstaltung, an den Zufahrtswegen standen Sperrgitter, ein Hubschrauber kreiste zwischenzeitlich über dem Bereich an der Georgstraße. Auch Mittwoch war die Polizei schließlich mit größerem Aufgebot zur Stelle und verhinderte nach Einschätzung der Rednerinnen und Redner, dass die Ausschreitungen weiter eskalieren konnten.
Etliche TV-Teams verfolgten die Kundgebung vor der Gelsenkirchener Synagoge
Der Platz vor der Synagoge füllte sich Freitag schon weit vor 17 Uhr, dem Beginn der Mahnwache, mit Demo-Teilnehmern - und zahlreichen Pressevertretern. Die Proteste haben großes mediales Echo ausgelöst, Gelsenkirchen unbeliebte Aufmerksamkeit beschert. Etliche TV-Teams verfolgten die Kundgebung.
Von den Rednerinnen und Rednern wurden die antisemitischen Proteste scharf verurteilt. Stadträtin Anne Heselhaus, die für die Demokratische Initiative auch im Namen der abwesenden Oberbürgermeisterin Karin Welge sprach, betonte: „Es ist nicht hinzunehmen, dass jüdische Menschen in Deutschland in Angst leben müssen.“ Parolen, wie sie am vergangenen Mittwoch an der Synagoge zu hören gewesen seien, hätten mit Kritik an israelischer Politik nichts zu tun - es handele sich um puren Antisemitismus. „Ich bin froh, dass sich heute so viele solidarisch zeigen und auf diese Weise zeigen, dass Gelsenkirchen, dass unsere Stadt anders ist.“
„Was hier in Gelsenkirchen passiert, ist ein Weckruf für die Gesellschaft“
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Für Fabian Schulz, einen der Demo-Organisatoren, steht fest: „Wir sind gehalten, uns alle kontinuierlich einzusetzen“ – es dürfe eben nicht nur bei „Nettigkeiten“ wie der Teilnahme an der Mahnwache bleiben, um den latenten und aktuellen Antisemitismus zu bekämpfen. Es müsse klar sein, „dass diese Normalität, die wir hier haben, eben keine Normalität ist, wenn jüdische Einrichtungen 24 Stunden täglich unter Polizeischutz“ stehen müssten. „Die Kräfte zu stärken, die sich in der arabischen Community gegen Antisemitismus einsetzen“, ist für GEW-Gewerkschafte Florian Beer wichtig, auch weil der sogenannte muslimische Antisemitismus in der Mehrheitsgesellschaft anschlussfähig sei. Als „Trittbrettfahrer“ geißelte er die AfD. Sie prangere muslimischen Antisemitismus an, schweige aber beharrlich zum Antisemitismus in den eigenen Reihen.
Antisemitismus in Deutschland verbreitet sich „massiv wie ein Gift“
Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen zeigte sich „überwältigt vom Zuspruch, den wir seit Mittwoch erfahren durften. Das tut gut“, betonte sie, stellte aber auch fest: „Was hier in Gelsenkirchen passiert, ist ein Weckruf für die Gesellschaft, denn es zerstört den Frieden, den wir so dringend brauchen.“ Was in der Situation „weiterhilft und zusammenhält“, appellierte Neuwald-Tasbach, „sind Begegnungen und das Gespräch. Die Gespräche dürfen nicht verstummen.“
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„Antisemitismus in Deutschland war nie weg“, erklärten mehrere Redner. Und er verbreite sich „massiv wie ein Gift“, so die grüne Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic. „Die Ereignisse geben massiv Anlass zur Sorge.“ Was sich bei den anti-israelischen Protesten gezeigt habe, sei „purer Hass. Und für diesen Hass darf es in unserer Stadt nicht den kleinsten Raum geben.“ Die Gesellschaft stehe in der Verantwortung, „jüdische Einrichtungen und Juden in Deutschland besser zu schützen“ – auch durch mehr Polizeipräsenz, wofür sich Mihalic nachhaltig stark macht.
„In Gelsenkirchen ist Platz für alle Religionen, alle Ethnien, alle Menschen - nicht aber für die, die andere herabwürdigen, bedrohen oder gar angreifen“, postuliert die Demokratische Initiative. Und auch die Initiative gegen Antisemitismus macht deutlich: „Wir möchten ein Zeichen setzen, dass wir diese antisemitischen Bedrohungen nicht hinnehmen und alle Energie dafür einsetzen, Antisemitismus zurückzuweisen um den Platz der Jüdischen Gemeinschaft in der Mitte unserer Stadtgesellschaft in Sicherheit zu bewahren.“
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