Gelsenkirchen. Für Hausarztpraxen bedeutet die Organisation der Impftermine einen Riesenaufwand. In Gelsenkirchen ist deshalb die erste Praxis ausgestiegen.

In den Gelsenkirchener Hausarztpraxen steht seit dem Start der Covid-19-Impfungen das Telefon nicht mehr still. Nicht nur, weil Patienten fragen, ob und wann sie geimpft werden können. Den größten Aufwand bringt die Koordination der stets nur kurzfristig bekannten Menge der Impfstofflieferung, der Art des Impfstoffs und der entsprechend aktualisierten Impfterminierung. Das Verfahren ist so aufwendig, dass der erste Hausarzt bereits aussteigt.

Keine neuen Termine mehr, auch nicht für eigene Patienten

„Wir kommen nicht nach, den Patienten hinterher zu telefonieren. Wir haben 30 Portionen Impfstoff bestellt, bekommen aber nur 16. Dann müssen wir wieder Patienten abbestellen, die dann fragen, warum ausgerechnet sie denn nicht geimpft werden. Das ist zu aufwendig und zuviel Frust. Wir impfen jetzt noch alle, die bereits einen Termin vereinbart hatten, aber vereinbaren keine neuen mehr“, erklärt die Mitarbeiterin am Telefon der Praxis auf Anfrage.

Aktuell berechtigt, aber keine Chance auf Impfung

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WAZ-Leser Kurt Wisotzki (51 Jahre) hatte berichtet, dass sein Hausarzt aussteige und er nun fürchte, trotz seiner bescheinigten Berechtigung als Angehöriger der Priorisierungsgruppe 3 wegen einer Vorerkrankung nun keinen Termin anderswo zu bekommen. Bei der Impfhotline der Kassenärztlichen Vereinigung habe man ihm zudem gesagt, bis Ende Juni könnten keine Termine fürs Gelsenkirchener Impfzentrum mehr vergeben werden. Tatsächlich vergeben die meisten Hausärzte nur Impftermine an eigene Patienten und im Impfzentrum sind derzeit die Berufsgruppen aus der Prio-Gruppe 3 an der Reihe wie Lehrer an weiterführenden Schulen und Polizisten.

Kehrtwende bei Astrazeneca seit der Freigabe für alle

Den Ärger der niedergelassenen Kollegen verstehen kann auch Klaus Rembrink, selbst niedergelassener Facharzt, ärztlicher Leiter des Impfzentrums und Leiter der Bezirksstelle Gelsenkirchen der KVWL „Eigentlich bräuchten die Hausärzte jetzt auch ein Buchungsportal. Die Leute buchen Impftermine doppelt und dreifach, sagen aber nicht ab. Und es gibt Impfstoff-Picking, viele wollten kein Astrazeneca. Allerdings hat sich das durch die Freigabe des Impfstoffs ohne Altersbeschränkung geändert. Jetzt ist die Nachfrage auch hierfür sehr groß“.

Der Gelsenkirchener Orthopäde Mirko Kuhn überlegt ob des Andrang am Telefon, die Terminvergabe künftig über ein Portal zu kanalisieren, um Mitarbeiterkapazitäten nicht mehr langfristig zu binden. Für ihn kann „die Online-Terminvereinbarung aber erst dann eine Option sein, wenn die Priorisierung aufgehoben wird.“ Andernfalls seien zu viel Beratungsaufwand hinsichtlich der Eingruppierungen beziehungsweise fehlerhafte Terminreservierungen zu befürchten.

Was Rembrink vor allem ärgert, sind die nicht abgesagten Termine, die zu großem Aufwand führten, um keinen Impfstoff verfallen zu lassen. „Mit dem aktuellen Buchungsportal ist es kein Problem, einen Termin zu verändern oder auch zu stornieren“, versichert er. Dass bis Ende Juni kein Termin mehr frei sei im Impfzentrum, sei aber so nicht korrekt. Wie viel Impfstoff im Juni kommt, ist noch unklar. Derzeit wird im Zentrum übrigens auch Moderna verimpft.

Telefone in den Arztpraxen stehen praktisch nicht mehr still

Die gestiegene Nachfrage nach Astrazeneca der nun dafür freigegebenen Gruppen macht den telefonischen Aufwand in den Praxen noch größer. In der Gemeinschaftspraxis Tefett und Schulte-Huxel im Ärztehaus an der Ahstraße etwa ist das Telefon im Dauerbetrieb, sind seit Start in den Hausarztpraxen 737 Dosen verimpft worden.

„Aber es wird immer aufwendiger, wenn es um die Vergabe für die Gruppe der 70 und 80-Jährigen geht. Wir haben jetzt zwei Stunden telefoniert, um drei zu erreichen. Das geht nicht: Ich starte jetzt auch mit den über 60-Jährigen und den Verkäufern, die an der Front stehen“, erklärt Dr. Hans-Bernd Tefett. Auch bei ihm gab es schon manchen Senior, der Astrazeneca ablehnte.