Düsseldorf. Die Priorisierungsgruppe 3 gibt auch 1,9 Millionen Übergewichtigen in NRW Anspruch auf eine Corona-Impfung - aber noch nicht in Impfzentren.
Immer mehr Menschen in NRW sind nun zur Corona-Schutzimpfung berechtigt. Der Schritt in die Priorisierungsgruppe drei betrifft nicht nur Chronisch Kranke oder Angehörige bestimmter Berufsgruppen, wie Beschäftigten weiterführender Schulen oder in der Justiz, sondern auch Menschen mit Übergewicht. Der „BMI“ ist hier entscheidend.
So zählen seit Jüngstem auch Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 30 zur Gruppe der Impf-Berechtigten. In NRW sind nach vorliegenden Daten zufolge gut 1,9 Millionen erwachsene Frauen und Männer. „Der Anteil von Menschen mit einem BMI über 30 liegt in NRW bei ungefähr 11 Prozent, sagt ein Sprecher der Krankenkasse Barmer; das Land NRW schätzt den Anteil auf sogar 16,6 Prozent.
BMI über 30: Keine Impfung in Impfzentren
Laut der Coronavirus-Impfverordnung des Bundes ist der Kreis der Übergewichtigten, die seit Jüngstem für eine Coronaschutz-Impfung in Frage kommen, nun stark erweitert. Bis dato galt die Regelung nur für „massiv adipöse“ Menschen mit einem BMI über 40. Das waren laut den vorliegenden Statistiken in NRW bis dato wohl um die 150.000 Personen.
Doch wo kann man sich impfen lassen? Laut NRW-Gesundheitsministerium gilt die Freigabe für die Impfung in den Impfzentren nur für Menschen mit BMI über 40. Menschen mit einem Body-Mass-Index zwischen 30 und 40 sind zwar jetzt auch impfberechtigt, jedoch nur in Arztpraxen, erklärte eine Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums auf Nachfrage.
Nur unklare Bevölkerungsdaten zum Übergewicht
Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV) erklärt, man weise "bei der Terminbuchung über die bekannten KV-Wege (...) im Rahmen des Prozesses mehrfach auf die derzeit anspruchsberechtigten Personenkreise hin." Inwieweit Menschen dann trotz Impftermins im Impfzentrum zurückgewiesen würden, wenn sie nicht zum Kreis der derzeit Berechtigten zählten, die sich dort tatsächlich impfen lassen können, wurde bei der KV auf Nachfrage nicht näher kommentiert.
Die bis dato jüngsten Zahlen der amtlichen NRW-Statistiken zum Thema Adipositas sind aus dem „Mikrozensus“ 2017, teilt eine Sprecherin des Landesamtes für Statistik (IT NRW) auf Anfrage mit. Die Daten seien deshalb ungenau, weil sie auf freiwilligen Angaben der Befragten basierten. Beim Robert-Koch-Institut (RKI) erklärt eine Sprecherin: „Meldedaten aus Deutschland gibt es nicht.“
Adipositas erhöht das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken
„Die Adipositas stellt ein schwerwiegendes Gesundheitsrisiko dar, vor allem bedingt durch die daraus resultierenden Folgeerkrankungen. Eine schwere Adipositas verringert die Lebenserwartung“, sagt Dr. Ursula Marschall, Leitende Medizinerin der Krankenkasse Barmer.
Kommt noch Covid-19 hinzu, steigt das Risiko für übergewichtige Menschen noch weiter: Starkes Übergewicht („Adipositas“) gilt als einer von mehreren Risikofaktoren für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankungen durch eine Corona-Infektion, teilt das RKI mit. „Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass Adipositas häufig mit weiteren Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen) einhergeht.“ Auch kann zuviel Fettmasse am Körper „die Atemfunktion beeinträchtigen“, sagt das RKI. Starkes Übergewicht beeinträchtige zudem „möglicherweise die Funktion des Immunsystems“ und erhöhe das Risiko für einen schweren Verlauf. „Relevante neuere Studien“ zum möglichen Zusammenhang von Übergewicht und Corona-Folgen sind dem RKI „nicht bekannt“, teilte eine Sprecherin mit.
Schwerer Corona-Verlauf: Risiko steigt ab 50 Jahren
Das Risiko eines schweren Corona-Erkrankungsverlaufes steigt ab 50 bis 60 Jahren stetig mit dem Alter an. Auch verschiedene Grunderkrankungen wie z. B. Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Erkrankungen des Atmungssystems, der Leber, der Niere, Krebserkrankungen oder Faktoren wie Adipositas und Rauchen scheinen das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zu erhöhen“, heißt es bei der Barmer. „Dabei ist die Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme auf einer Intensivstation und für eine invasive Beatmung erhöht und nimmt mit steigendem Alter und der Anzahl an Begleiterkrankungen weiter zu.“
Der Body-Mass-Index bezeichnet das Verhältnis von Körpergröße zu Gewicht. Dabei wird das Körpergewicht in Kilogramm durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat geteilt. Als „normal“ und damit gesund gilt ein BMI zwischen 18,5 bis 24,9, sagt etwa die Barmer, die als gesetzliche Krankenkasse in NRW etwa 2,2 Millionen Versicherte hat. „Ab einem BMI von 30 spricht man von Adipositas“, schreibt das Gesundheitsportal des Bundes „gesund.bund.de“ (externer Link).
Übergewicht: Bei Frauen steigt der Anteil ab 65 Jahren
Laut dem NRW-Mikrozensus ist der Anteil der Menschen mit Adipositas sowohl bei Frauen als auch bei Männern in den Altersgruppen von 45 Jahren aufwärts überdurchschnittlich ansteigend, besonders stark ist er bei Frauen ab 65 Jahren (20,0 Prozent) und bei Männern ab 55 Jahren (23,9 Prozent). Aber auch in der Gruppe zwischen 35 und 45 gaben knapp 13 Prozent der für die Statistik befragten Frauen und knapp über 18 Prozent der befragten Männer an, einen BMI über 30 zu haben.
Zur Lage in den Impfzentren teilt die KV Nordrhein mit: "Nach Auskunft unserer Fachabteilung sind momentan für einige Impfzentrum im Rheinland für den Mai momentan alle Termine vergriffen." Termine sind an die zugesagten Liefermengen von Impfstoff gekoppelt, heißt es auch bei der KV Westfalen-Lippe. "Die vom Land NRW den Kommunen zur Verfügung gestellten Kontingente an Impfstoffen, die wir als buchbare Termine in unsere Systeme einstellen, sind für die kommenden Wochen bereits verplant", teilt die KV Nordrhein mit. Auch Hausärzte beklagen, es gebe bis dato zu wenig Impfstoff.
Biontech/Pfizer: Impfstoff-Mengen sind weiterhin begrenzt
"Für die 19. Kalenderwoche (10. bis 16. Mai) wird der Bund für das Impfen in den Praxen in Summe genauso viel Impfstoff bereitstellen wie in der vergangenen Woche – insgesamt 1,6 Millionen Impfdosen von Biontech/Pfizer und 1,3 Millionen von Astrazeneca", berichtet die KV Nordrhein. "Die tatsächliche Liefermenge pro Arzt hängt von der Anzahl der bestellenden Ärzte insgesamt ab", erläuterte die KV. Es solle jedoch sichergestellt sein, dass jede Arztpraxis mindestens 18 bis 24 Dosen von Biontech/Pfizer erhält, berichtete die KV Nordrhein in einer Mitteilung von Anfang Mai.
Für die 20. Kalenderwoche (17. - 23. Mai) wird der Bund laut KV Nordrhein rund 2,6 Millionen Impfstoffdosen für die Arztpraxen bereitstellen, davon 1,6 Millionen von Biontech/Pfizer und etwa eine Million Dosen von Astrazeneca. In der letzten Mai-Woche bleibe die Biontech-Impfstoffmenge noch unverändert, heißt es. "Da die Impfstoffmenge von Biontech/Pfizer noch begrenzt ist, gleichzeitig aber die ersten Wiederholungsimpfungen mit dem Vakzin in den Praxen anstehen, sollen Vertragsärztinnen und -ärzte den Impfstoff von Biontech/Pfizer in den letzten zwei Maiwochen vorrangig für Zweitimpfungen nutzen", rät die KV Nordrhein.