Düsseldorf. Immer mehr Menschen lassen ihre Impf-Termine einfach verfallen. Das stellt die zähe Impfkampagne in NRW vor neue Probleme.
Für seine Behauptung, in NRW laufe die Impfkampagne jetzt „wie in den USA“ erntete NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Mittwoch Kritik und Spott im Landtag. Denn beim Impfen läuft an Rhein und Ruhr längst noch nicht alles rund. Zum Beispiel nehmen offenbar immer mehr Bürger ihre Termine in den Impfzentren nicht wahr.
Wie kann es sein, dass Impfdosen liegenbleiben?
Betreiber von Impfzentren in Köln, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim und zahlreichen anderen NRW-Städten berichten, dass viele bereits gebuchte Impftermine derzeit nicht wahrgenommen werden, weil sich Bürger parallel beim Hausarzt angemeldet haben und sich dort impfen lassen. In Gelsenkirchen blieben zum Beispiel am Montag 150 von 1000 Termininhabern dem Impfzentrum fern. In Köln wurden zuletzt tausende Termine abgesagt, andere Impfkandidaten informieren die Impfzentren gar nicht erst darüber, dass sie eine Alternative gefunden haben.
Und so steigt das Risiko, dass wertvolle Impfdosen am Ende verfallen. Die Landesregierung bestätigt auf Nachfrage, dass es diese Probleme gibt: „Aufgrund des zunehmenden Impfgeschehens in den Arztpraxen ist die Nachfrage der über 70-Jährigen nach Impfterminen in Impfzentren teilweise geringer als erwartet und mitunter werden vereinbarte Termine in den Impfzentren nicht wahrgenommen.“
Wie reagiert die Landesregierung darauf?
NRW lässt jetzt „Überbuchungen“ bei den Impfterminen von zehn Prozent zu. Sollte die Überbuchung örtlich zu einem Mehrbedarf führen, dann könnten die Impfzentren eine ihnen zugeteilte Reserve an „Moderna“-Impfstoff nutzen, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Darüber hinaus versuche NRW bestimmten Personengruppen mehr Impfangebote zu machen, zum Beispiel Menschen mit schweren Vorerkrankungen und Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen oder Schwangeren. Auch Feuerwehrleute, Polizisten und Lehrer an weiterführenden Schulen hätten nun vereinzelt mehr Chancen auf einen Impftermin.
Sollte dennoch die Gefahr bestehen, dass Impfdosen verfallen, könnten die Impfzentren vor Ort über die Verwendung des Impfstoffes entscheiden. „Dies ist dem Verwurf von Impfdosen grundsätzlich vorzuziehen“, so das Gesundheitsministerium.
Wie lange gilt beim Impfen noch die Priorisierung?
Erst im Juni könne man die Priorisierung aufheben und jedem eine Terminvereinbarung ermöglichen, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Mittwoch im Landtag. Die Verwaltung des Impfstoffmangels wird also noch wochenlang weiter gehen, das Nebeneinander von Immunisierungen in Impfzentren und Arztpraxen sowieso.
Noch immer warten viele Angehörige von Berufsgruppen auf die ihnen in Aussicht gestellte Impfung, zum Beispiel Polizisten und Lehrer an weiterführenden Schulen. Termine werden in den Impfzentren derzeit vor allem an über 70-Jährige und an chronisch Kranke vergeben. Diese „Chroniker“ benötigen aber ein ärztliches Attest. Der Hausärzteverband kritisiert dies: Betroffene sollten sich besser gleich beim Hausarzt immunisieren lassen können.
"Bald", so die Landesregierung, sollen die Impfungen der 3. Prioritätsgruppe starten. Diese beinhaltet unter anderem auch Verkäuferinnen und Verkäufer in Lebensmittelfachgeschäften sowie Busfahrerinnen und Busfahrer.
Menschen im mittleren Lebensalter und Jüngere, die keiner speziellen Berufsgruppe angehören, haben derzeit noch keine Aussicht auf eine Impfung in NRW. Hausärzte dürfen im Moment nur Risikogruppen impfen, entscheiden aber selbst, wer die Impfung besonders nötig hat.
Wird in „ärmeren“ Stadtteilen bald bevorzugt geimpft?
Die Idee gibt es, aber auch dafür müsste erst einmal genügend Impfstoff her. Armin Laschet kündigte am Mittwoch angesichts hoher Corona-Infektionen in einigen Kölner Stadtteilen Schwerpunktaktionen für soziale Brennpunkte an: Es wäre gut, besonders dort zu impfen, wo die Menschen eng zusammenleben. „Wenn die ganze Gesellschaft zusammenhalten soll in dieser Frage, darf es nicht von der Postleitzahl abhängen, wo die Inzidenzen hoch sind“, sagte Laschet. Die Stadt Köln, aber auch Kommunen im Ruhrgebiet haben Interesse an diesem Vorgehen.
Wann bekommen Geimpfte Privilegien?
In Bayern, Hessen, Niedersachsen und Berlin jetzt schon. Dort werden vollständig Geimpfte so behandelt wie negativ auf das Coronavirus Getestete. NRW geht diesen Weg allerdings nicht mit und wartet auf Vorschläge des Bundes. Ministerpräsident Laschet äußert sich bei diesem Thema nur vage: Grundrechtseingriffe sollten für alle Bürger „so schnell wie möglich“ abgeschafft werden. NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty meinte, die Impfung an sich sei schon ein Privileg. Die Angst, dass nicht Geimpfte Privilegien für Geimpfte als ungerecht empfinden könnten, ist in der NRW-Politik sehr ausgeprägt, vor allem bei SPD und CDU.