Gelsenkirchen. „Kaue“ in Gelsenkirchen droht das vorläufige Aus: Die Stadtwerke haben den Mietvertrag mit dem Inhaber gekündigt. Und das bereits zum 30. Juni.

Der „Kaue“ droht in wenigen Wochen das vorläufige Aus: Die Stadtwerke Gelsenkirchen haben den Mietvertrag für die traditionsreiche Spielstätte in Schalke bei der Vewo Wohnungsverwaltung, die Eigentümerin dieser Immobilie ist, zum 30. Juni 2021 gekündigt.

Wichtigster Grund für diese Entscheidung seien laut Harald Förster, seit 1. April der neue Geschäftsführer der Stadtwerke, die „Sparzwänge in unserem Hause“ gewesen. In Stein gemeißelt ist die Schließung nach WAZ-Informationen aber noch nicht: Derzeit suchen Stadtwerke und Stadt Gelsenkirchen wohl noch nach einer Lösung, wie der Spielbetrieb an der Wilhelminenstraße fortgesetzt werden könnte.

Umgebaute Heilig-Kreuz-Kirche in Ückendorf soll Ersatz-Spielstätte werden

Harald Förster, der Geschäftsführer der Gelsenkirchener Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GGW), führt seit dem 1. April 2021 auch die Stadtwerke.
Harald Förster, der Geschäftsführer der Gelsenkirchener Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GGW), führt seit dem 1. April 2021 auch die Stadtwerke. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-BÜning

„Wenn wir einen Weg fänden, die Kaue zu erhalten, ohne das Defizit der Emschertainment GmbH zu vergrößern, dann wäre ich sofort dabei“, erklärte Förster am Montag im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Emschertainment GmbH, ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der Stadtwerke, erwirtschafte als Kulturveranstalter und Betreiber der Kaue „eine sehr hohe sechsstellige Euro-Summe als jährliches Defizit“, erklärte Förster.

Allein für die Kaue fallen derzeit rund 100.000 Euro jährlich an Betriebs- und Mietkosten an. Richtig ins Kontor schlagen aber die Personalkosten. Mit der Heilig-Kreuz-Kirche in Ückendorf bekäme die Emschertainment GmbH neben der Kaue, dem Hans-Sachs-Haus und der Emscher-Lippe-Halle ab Herbst noch eine vierte zu betreuende Spielstätte hinzu. „Diesen zusätzlichen Aufwand könnte unser bisheriges Team mit zwölf hauptamtlichen Mitarbeitern gar nicht stemmen“, erklärte Professor Dr. Helmut Hasenkox, Geschäftsführer der Emschertainment GmbH. Vier weitere Kräfte seien dann nötig, sagt er.

Eigentümerin will die „Kaue“ am liebsten als Kultur-Spielstätte erhalten

Die Kaue an der Wilhelminentsraße in Schalke ist seit 1992 Kulturspielstätte. Seit 2011 ist sie nach einer Zwangsversteigerung in Besitz der Vewo Wohnungsverwaltung in Gelsenkirchen.
Die Kaue an der Wilhelminentsraße in Schalke ist seit 1992 Kulturspielstätte. Seit 2011 ist sie nach einer Zwangsversteigerung in Besitz der Vewo Wohnungsverwaltung in Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Das würde uns aber rund 300.000 Euro zusätzlich im Jahr kosten“, rechnet Stadtwerke-Chef Förster vor. Denn bei diesen Neueinstellungen würde es sich um gut bezahlte Fachkräfte aus dem Bereich Veranstaltungstechnik handeln. Würde man diese zusätzlichen Mitarbeiter engagieren, würden sich die Kosten und damit auch das zu erwartende Jahresdefizit nochmals erhöhen. Diese wirtschaftliche Betrachtung mache die Entscheidung seines Vorgängers, Ulrich Köllmann, den „Kaue“-Mietvertrag zu kündigen, somit erklärbar, sagt Förster.https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/keine-zeit-mehr-um-entscheidungen-weiter-aufzuschieben-id232200717.html

„Wir haben ein großes Interesse daran, die Kaue als Spielort zu erhalten“, erklärte Ute Trapp, Geschäftsführerin der „Kaue“-Eigentümerin Vewo. Das Haus sei aus technischer Sicht „in allerbestem Zustand“. Bereits für Februar sei dem Vermieter seitens der Stadt eine Lösung in Aussicht gestellt worden. „Seitdem sind wir aber nur immer wieder vertröstet worden – bis heute“, so Trapp.

Angebot: Stadt bräuchte zunächst nur die Nebenkosten zu bezahlen

Im März 2020 trat der beliebte Ruhrpott-Barde Stoppok in der Gelsenkirchener „Kaue“ auf. Solche Rock-Konzerte wären in der geplanten Ersatz-Spielstätte, der Heilig-Kreuz-Kirche in Ückendorf, künftig nur als deutlich leiseres Akustik-Set möglich.
Im März 2020 trat der beliebte Ruhrpott-Barde Stoppok in der Gelsenkirchener „Kaue“ auf. Solche Rock-Konzerte wären in der geplanten Ersatz-Spielstätte, der Heilig-Kreuz-Kirche in Ückendorf, künftig nur als deutlich leiseres Akustik-Set möglich. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Ihre Wunschlösung sehe so aus, betont Trapp, dass die Stadt das Gebäude künftig anmietet, die Emschertainment GmbH den Veranstaltungsbetrieb aufrechterhält und die Stadt die insgesamt vier Säle mit addiert rund 1100 Quadratmetern Nutzfläche in der „Kaue“ abseits der Kulturveranstaltungen auch für ihre Zwecke nutzt – etwa für Tagungen oder Sitzungen.

Doch die Zeit drängt. Ein neuer Mietvertrag müsste ab 1. Juli greifen. „Wir haben der Stadt auch schon angeboten, dass sie zunächst nur die Nebenkosten übernehmen müsste. Wichtig ist für uns, dass die grundsätzliche Betriebsfähigkeit der Kaue erhalten bleibt“, so Trapp. Und dafür brauche es eine regelmäßige technische Überprüfung, die bislang auch von der Emschertainment GmbH geleistet wurde.

„Es tut mir in der Seele weh, wenn die Kaue geschlossen würde“

Professor Dr. Helmut Hasenkox ist Geschäftsführer der Emschertainment GmbH und hat die „Kaue“ in Gelsenkirchen als Kulturspielstätte mit aufgebaut.
Professor Dr. Helmut Hasenkox ist Geschäftsführer der Emschertainment GmbH und hat die „Kaue“ in Gelsenkirchen als Kulturspielstätte mit aufgebaut. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-B ning

Deren Geschäftsführer Helmut Hasenkox spürt zwei Herzen in seiner Brust schlagen. Seine Meinung als Privatperson ist eindeutig: „Ich kenne diesen Laden jetzt seit über 30 Jahren und habe ihn mit zum dem gemacht, was er heute ist: nämlich eine überregional bekannte Bühne für Kleinkunst und Rockkonzerte. Es tut mir in der Seele weh und ist wirklich die Hölle, wenn die Kaue geschlossen würde.“ Aus betriebswirtschaftlicher Sicht könne er die Kostenrechnung natürlich nachvollziehen.

Dennoch droht der Gelsenkirchener Kulturszene ein Verlust an Vielfalt. Denn eines steht fest: Das bisherige Veranstaltungsprofil der „Kaue“ kann nicht 1:1 auf die Heilig-Kreuz-Kirche als neue Spielstätte übertragen werden. „Wir werden dort zwar Kleinkunst und klassische Musik auf die Bühne bringen. Rock-, Blues- und Jazz-Konzerte, die immer zum Kaue-Profil gehörten, können aufgrund der Lautstärke aber nicht in dem Kirchenraum stattfinden“, stellt Hasenkox klar. Höchstens Akustik-Konzerte ohne Verstärker seien von Bands aus diesen Musikrichtungen in der Heilig-Kreuz-Kirche möglich.

OB Karin Welge: „Mir ist daran gelegen, die Vielfalt zu erhalten“

„Natürlich sehen wir die wirtschaftlichen Zwänge der Stadtwerke und am Ende ist niemandem geholfen, wenn eine städtische Gesellschaft durch den Betrieb einer solchen Einrichtung noch weiter in Schieflage gerät. Aber wir sehen auch, dass die Kaue in und weit über Gelsenkirchen hinaus ein wichtiger Kulturort und ein Markenzeichen ist“, betont OB Karin Welge. „Mit ist sehr dran gelegen, die Vielfalt in unserem kulturellen Leben zu erhalten.“

Derzeit werde geprüft, in welcher Form ein Erhalt der kaue auch unter Vermittlung der städtischen Kulturverwaltung möglich wäre. Noch seien die Prüfungen nicht abgeschlossen. „Ich erwarte, dass wir mit gutem Willen aller Beteiligten zu einer konstruktiven Lösung kommen können“, so Welge.

Erste Reaktionen auch von den Parteien

Auch erste Parteienvertreterinnen haben sich verärgert zu Wort gemeldet. Annelie Hensel (CDU) und Adrianna Gorczyk (Grüne) kritisierten, dass bislang keine öffentliche Diskussion zur Zukunft der „Kaue“ geführt worden sei und die Stadtverwaltung es versäumt habe, in Gremien wie dem Kulturausschuss die Vertreter der Politik über den Sachstand zu informieren. „Die Kaue hat sich über viele Jahre hinweg in der Kulturszene etabliert. Für die Menschen in Heßler, Schalke und der Feldmark ist sie ferner ein starker Identifikationsfaktor“, sagte Hensel.