Gelsenkirchen. Haltestellen-Dächer begrünen: Klingt einfach, ist gut fürs Klima - aber es hat Gründe, warum nur zwei Gelsenkirchener Wartehäuser bepflanzt sind.

Die Begrünung von Haltestellen: Es ist eine harmlose, scheinbar unkomplizierte Maßnahme zum Klimaschutz, auf die sich eigentlich jeder einigen kann. Auch SPD und CDU haben in ihrem Koalitionsvertrag für Gelsenkirchen vereinbart, die Bepflanzung von Haltestellenhäuschen zu fördern, weil sie „einen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas leisten“ und „dem Klimawandel entgegenwirken“. Allerdings ist es nicht einfach so möglich, Wartehäuser zum Bienen-Paradies zu verwandeln – und mit reichlich Kosten verbunden.

Lediglich zwei Haltestellenhäuser mit begrüntem Dach gibt es nach Angaben der Stadt aktuell in Gelsenkirchen – am ZOB-Buer und am Musiktheater. Die Bogestra bestätigt auf Nachfrage, dass auch unter ihren 438 Haltestellen mit Fahrgastunterstand in Gelsenkirchen kein einziges begrüntes Exemplar dabei ist. Lediglich an der Ridderstraße in Wattenscheid hat der Verkehrsdienstleister in Zusammenarbeit mit dem Partnerunternehmen Ströer ein Dach bemoost und gleichzeitig mit einem Solarpanel ausgestattet.

Statik der Haltestellen-Häuser ist nicht für Dachbegrünung ausgelegt

Warum nicht über viel mehr Fahrgastköpfen eine lebendige Pflanzenwelt gedeiht, erklärt die Stadtverwaltung in einer Antwort auf die Anfrage der FDP-Fraktion im Verkehrsausschuss. Die Statik der vorhandenen Häuschen sei demnach überhaupt nicht dafür ausgelegt, eine zusätzliche Dachlast durch die Begrünung aufzunehmen. Und: Ein Umbau der Haltestellen sei nicht einfach so möglich.

Nachhaltige Projekte gesucht

Die Bogestra möchte 2021 das Thema Nachhaltigkeit weiter fördern und sucht acht Projektinitiatoren aus dem Betriebsgebiet, die zur Umsetzung ihrer Ideen rund um Energie, Wind, Wasser, Umweltschutz oder ähnliches noch finanzielle Unterstützung brauchen. Auch um Dachbegrünung kann es gehen. Unterstützt wird mit einer Startfinanzierung von 750 Euro.

Alle interessierten Personen oder Gruppen können sich mit ihrer Idee bis zum 30. April auf der Website wirbringendichhin.de für die “Bogestra-Herzenssache“ bewerben. Dort gibt es auch weitere Infos zu den Förderkriterien sowie das Anmeldeformular.

Das betont man auch bei der Vestischen, bei der man ebenfalls bislang kein einziges der firmeneigenen 46 Wartehäuser in Gelsenkirchen begrünt hat. „Eine Ausstattung mit einer Bepflanzung wäre nur bei Neuanlagen möglich“, sagt Sprecher Christoph van Bürk. Denn mit Erde und Pflanzen müssten die Häuser 60 Kilogramm pro Quadratmeter mehr tragen. „Dafür sind sie nicht gemacht.“

Würde man ein neugebautes Wartehäuschen mit etwas Grün ausstatten wollen, müsste man nach Angaben der Vestischen mit 2300 Euro Mehrkosten rechnen, für große Haltestellen wären es sogar 6000 Euro. Noch nicht mit einberechnet ist dabei allerdings die Pflege der Pflanzen. Von der Pilot-Haltestelle in Wattenscheid weiß Bogestra-Sprecherin Sandra Bruns, dass diese auch im Winter und Herbst, vor allem aber im trockenen Sommer mit Wasser versorgt werden musste. Fraglich sei dabei, welches Personal das bei einer flächendeckenden Bepflanzung leisten soll.

Duisburg lässt 30 Wartehäuschen begrünen. Warum Gelsenkirchen nicht?

„Eine Pflege der Begrünung ist kaum notwendig, da das Regenwasser hervorragend in den Dächern gespeichert wird“, meint hingegen Timo Stiehl, sachkundiger Bürger der FDP und Urheber der Anfrage zu den Haltestellen. Er findet den aktuellen Stand in Gelsenkirchen alles andere als zufriedenstellend, „desaströs“ sei es gar, wie dieses „sehr wichtige Thema“ in der Stadt gewichtet werde. „Unsere niederländischen Nachbarn, zum Beispiel in Utrecht, leben es uns grandios vor“, sagt Stiehl. Die Zahl der Dachbegrünung habe ihn dort sehr beeindruckt. „Nicht nur für das Stadtbild sehr ästhetisch, sondern natürlich auch umweltbedingt hervorragend.“

In Duisburg sind bereits mehrere Haltestellen bepflanzt worden. Insgesamt sollen 30 Wartehäuschen mit „10 Quadratmetern Großstadtdschungel“ ausgestattet werden.
In Duisburg sind bereits mehrere Haltestellen bepflanzt worden. Insgesamt sollen 30 Wartehäuschen mit „10 Quadratmetern Großstadtdschungel“ ausgestattet werden. © DVG | Andreas Kamps

In Duisburg scheint man Stiehls Ansicht zu teilen. Dort will die örtliche Verkehrsgesellschaft DVG, ebenfalls gemeinsam mit Ströer, rund 30 Wartehäuschen in je „zehn Quadratmeter Großstadtdschungel“ verwandeln. DVG-Sprecher Ingo Blazejewski erklärt auf Nachfrage, bei den Standorten handele es sich ausschließlich um neue Wartehäuser. Die robusten und winterharten sogenannten Sedum-Gewächse seien zudem sehr pflegeleicht. „Wenn wir jeden Tag mit der Gießkanne aufschlagen müssten, hätten wir es auch nicht gemacht“, sagt Blazejewski. „Allerdings sollte so ein Projekt in der Tat gut durchdacht sein.“ Einfach Erde mit Samen aufs Dach – von so einer Vorstellung müsse man sich verabschieden.