Gelsenkirchen hat einen virtuellen Zwilling. Das künstliche Abbild ist ein Meilenstein bei der digitalen Transformation. Das steckt dahinter.
Für die Entwicklung einer vernetzten Stadt geht kein Weg vorbei an einem „digitalen Zwilling“. Für die digitale Transformation in Deutschland spielen diese virtuellen Abbilder eines materiellen oder immateriellen Objekts aus der realen Welt eine immer relevantere Rolle – ein Meilenstein, um (Arbeits-) Prozesse effektiver, also zeitsparender und kostengünstiger, zu gestalten. Die Einsatzmöglichkeiten dieses wachsenden Datenpools sind überaus vielfältig, auch Stadtplanung und Verwaltung in Gelsenkirchenkönnen so nachhaltiger werden.
Im Sommer sind die ersten Bild- und Laserdatenscans von Gelsenkirchen entstanden
Gelsenkirchen verfügt als Leitkommune der digitalen Modellregion Emscher-Lippe seit kurzem über einen eben solchen digitalen Zwilling. Dafür waren im vergangenen Sommer spezielle Vermessungsfahrzeuge mit 360°-Kameras in der gesamten Emscher-Lippe-Region und in Gelsenkirchen unterwegs. Die Autos haben, ähnlich, aber dabei weitaus genauer als bei Google Street View, mit Hilfe von Bild- und Laserdatenscans datenschutzkonform ein digitales Abbild des realen Stadtgebiets erstellt. „Und das in einer Exaktheit, die es bis dato nicht gegeben hat“, sagte Stadtsprecher Martin Schulmann. „Millimetergenau.“
Bräuchte das Musiktheater beispielsweise neue Fenster, so lieferte die Datenbank des digitalen Zwillings die exakte Anzahl der zu ersetzenden Fenster, könnten vorab passgenau Maße jedes einzelnen Bauteils genommen werden. Eine enorme Aufwandsersparnis, weil sich städtische Mitarbeiter vom Schreibtisch aus ein Bild der Situation vor Ort machen können. Besonders in Zeiten der Corona-Pandemie lassen sich so durch die virtuellen Begehungen viele Kontakte reduzieren und involvierte Menschen schützen.
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Anschaulicher wird es beim Blick auf den geplanten Umbau des Stadtteils Schake-Nord. Eine virtuelle Fahrt durchs Quartier gibt den Planern bequem „exakte Angaben über zu beseitigende Schrottimmobilien oder umzubauende Verkehrswege“, so der Stadtsprecher weiter. Ins digitale Modell ließen sich Neubauten einsetzen und die zukünftige Gestaltung des Quartiers so vielfach modifizieren. Vermessungstechniker vor Ort werden dadurch zwar nicht obsolet, so Schulmann weiter, aber die Vorarbeiten zur Umgestaltung erhielten dadurch mehr Tempo.
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Für den Umbau der Heilig-Kreuz-Kirche in Ückendorf in ein Veranstaltungszentrum wurden vorab per Drohne die inneren Räume vermessen. „Die Technik ist so exakt, dass man keinen Zollstock mehr braucht“, schwärmt die Verwaltung von der Effektivität des digitalen Zwillings.
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Daten dienen der internen Nutzung
Bei der Erfassung der Bilddaten wurde laut Stadt die Allgemeine Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beachtet. Gesichter und Kfz-Kennzeichen seien datenschutzkonform unkenntlich gemacht worden. Die Nutzung der Bilddaten „dient ausschließlich internen dienstlichen Zwecken“.
Die digitale Modellregion Emscher-Lippe mit der Leitkommune Gelsenkirchen ist eine von insgesamt fünf digitalen Modellregionen in NRW (Aachen, Gelsenkirchen, Paderborn, Soest und Wuppertal). Das Förderprogramm wurde durch das Wirtschafts- und Digitalministerium ins Leben gerufen, um die landesweite Digitalisierung voranzutreiben.
Ziel des Förderprogramms ist die Entwicklung von übertragbaren Lösungen und innovativen Anwendungen in den Bereichen digitale Verwaltung (E-Government) und digitale Stadtentwicklung (Smart City).
„Ich freue mich, dass wir mit diesem innovativen Tool nicht nur der Verwaltung viele Arbeitsprozesse erleichtern können“, sagte auch Stadtrat Dr. Christopher Schmitt. „Die Einwohnerinnen und Einwohner können in Zukunft von der schnellen Abwicklung von Verwaltungsprozessen und dem damit nachhaltig verbesserten Bürgerservice profitieren.“ Im Blick stehen dabei beispielsweise Bauanträge.
Auch Professor Nobert Pohlmann, IT-Sicherheitsexperte von der Westfälischen Hochschule sieht im digitalen Zwilling „jede Menge Potenzial“. Jüngst noch hatte sich die Hochschule mit Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ausgetauscht. Dabei ging es um ein virtuelles Abbild von Smartphones. Millionenfach verkauft, beinhalten sie beispielsweise seltene und sehr teure Metalle. „Anhand der Beschreibung des Gerätes eröffnen sich gute Chancen zum Verkauf von Altgeräten und für die Rückführung von Rohstoffen in den Kreislauf der Wiederverwertung“, so Pohlmann.
Ein weiteres praktisches Beispiel des digitalen Zwillings ist auch das Baumkataster, in dem alle städtischen Bäume, immerhin mehr als 68.000, erfasst sind. Ihr Gedeihen lässt sich anhand hinterlegter Daten ebenso ablesen wie die Pflege in der Breite effektiver organisieren. Stichwort: Baum-App. „Gieß-Patenschaften aus der Bürgerschaft erleichterten schon 2020 den Mitarbeitern von Gelsendienste in Hitze-Perioden die Arbeit“, zeigte die Stadt Synergieeffekte dank des Engagements von mehreren hundert Anwohnern auf. Zuletzt war die Datenbank ebenso hilfreich für einen Artikel über Gelsenkirchens höchste Bauten.
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Einsatzmöglichkeiten in der Industrie, der Kultur oder auch in der Medizin
Die Einsatzmöglichkeiten des digitalen Abbildes sind vielfältig. Vor allem die Industrie setzt stark darauf. So können z.B. Maschinen virtuell in Betrieb genommen werden, um auf Basis der gewonnenen Daten die reale Produktion zu starten. Oder die Produktion neuentwickelter Produkte erfolgt im ersten Schritt rein virtuell, damit jede Änderung und Variante am digitalen Zwilling vor der endgültigen Fertigung getestet werden kann.
Während des Lockdowns 2020 konnten zudem zahlreiche digitale Vermittlungsformen den Museumsbesuch ersetzen. Digitale Touren oder virtuelle Objektpräsentationen zeigten, wie man ohne den analogen Zugang die Besucher leiten oder das Wissen von Webseitenbesuchern auch außerhalb des Museums erweitern kann. Das gilt auch für das Kunstmuseum Gelsenkirchen.
Auch Medizinprodukte können in Form eines Digitalen Zwillings nachgebildet werden und in Kombination mit dem virtuellen Abbild eines Patienten an dessen Besonderheiten und Bedürfnisse angepasst werden.
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