Gelsenkirchen. Der Integrationsrat sollte entscheiden, ob der islamische Gebetsruf in Gelsenkirchen erlaubt wird. Ein Thema mit hohem Streitpotenzial.

Kontrovers, mitunter hitzig, laut und emotional wurde über Zulassung des islamischen Gebetsrufes einmal pro Woche während der Corona-Pandemie und zum Freitagsgebet nach der Krise in der Sitzung des Gelsenkirchener Integrationsrates gestritten. Das hatten die Grüne Liste im Integrationsrat und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt. Uneinigkeit herrschte vor allem darüber, ob das Gremium darüber schon entscheiden sollte und überhaupt darüber diskutieren sollte.

Integrationsrat beschließt mit knapper Mehrheit, Prüfung der Stadt abzuwarten

Mit auch einer hauchdünnen Mehrheit von 14:13 Stimmen nach namentlicher Abstimmung wurde entschieden, die bereits laufende Prüfung dieses Antrages durch die Stadt abzuwarten und eine Entscheidung des Integrationsrates dazu zu verschieben. Dazu sollen auch die anderen kommunalen Gremien eingebunden werden.

Denn der Antrag hat das Potenzial, „Stadtgesellschaft zu spalten“, wie es Sascha Kurth in Vertretung seines CDU-Kollegen Malte Stuckmann formulierte. Rückhalt bekam die Union für diese Vorgehensweise vom Koalitionspartner SPD durch Ralf Hauk. Es gab bei den Genossen aber auch Abweichler. Bündnisgrüne (Ilayda Bostancieri, Derya Halici), FDP (Fabian Urbeinczyk) sowie WIN (Bayram Coskun) und auch die AfD (Enxhi Seli-Zacharias) drängten dagegen auf Abstimmung über den Antrag.

Für die namentliche Abstimmung, ein Antrag von WIN, reichte bereits die Zustimmung von einem Fünftel der 27 Mitglieder.

AfD: Muezzin-Ruf in Gelsenkirchen ist eine Nötigung für die Bürger

Anne Heselhaus, Beigeordnete für den Vorstandsbereich Kultur, Bildung, Jugend, Sport und Integration, hatte zuvor das Gremium darüber informiert, dass der Interkulturelle Arbeitskreis nach dem Treffen am 8. Dezember die Verwaltung bereits mit der Prüfung eines solchen Vorhabens beauftragt hat. Seit Eingang am 18. Januar läuft die Prüfung. Getragen wird der Antrag von den evangelischen, katholischen Kirchen sowie von der Jüdischen Gemeinde vor Ort.

Bündnisgrüne und WIN argumentierten vor allem mit der gesetzlichen verbrieften Religionsfreiheit und daraus resultierenden Toleranz zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften. „Auch der Islam ist von Religionsfreiheit geschützt. Wenn der Beschluss kommt, müssen sich die Bürger den Muezzinruf eben anhören“, sagte Ilayda Bostancieri. Die AfD konterte erwartungsgemäß scharf, für Enxhi Seli-Zacharias „grenzt der Antrag an Perfidie“. Sie sprach von einer „Nötigung für die Bürger“ und „Wählerfischerei im Superwahljahr“.

Zuwanderung EU-Ost: Zahlen haben sich mehr als verdoppelt in Gelsenkirchen

Der von den Bündnisgrünen beantragte Sachstandsbericht zur Integration von Roma-Zuwanderern in den Stadtteilen Schalke/Schalke-Nord, Ückendorf und Hassel/Scholven fiel kurz aus. Uwe Gerwin, der Leiter des Referates „Zuwanderung und Integration“ betonte, dass die Verwaltung nicht die Ethnie sondern nur die Nationalität erfasse. „Die Bevölkerungsgruppe der Rumänen und Bulgaren macht 3,57 Prozent der Stadtgesellschaft aus“, sagte Gerwin. Das sind in absoluten Zahlen 9446 Menschen.

Die Zuwanderung hat sich ihm zufolge von Ende 2014 bis Ende 2020 in Gelsenkirchen „mehr als verdoppelt“, zugleich unterliegt der Menschenstrom „einer großen Fluktuation“. Bei den Ende 2019 8400 erfassten Zuwanderern hat es 2300 Zuzüge und 1800 Wegzüge gegeben. „2019 hat sich also gut ein Viertel dieser Bewohner ausgetauscht.“ Gemessen an der Bevölkerung sind Ückendorf-Nord (5,6 Prozent) und Schalke-Nord (13,5 Prozent) die Stadtteile, mit dem dem höchsten prozentualen Anteilen an Menschen aus Rumänien und Bulgarien.

Stadt will künftig stärker in die Quartiere mit hoher Zuwanderung gehen

Gerwin listete eine ganze Reihe von Projekten auf, über die Hilfe zur Integration geleistet wird, gab aber zu, „dass wir noch mehr tun können in der Fläche“. Der Referatsleiter warnte vor einer Pauschalverurteilung Zugewanderter und kündigte an, dass die Stadt gerade daran arbeite, stärker in die Quartiere zu gehen und den städtischen Gremien bald darüber berichten werde. Wie viel Geld die Stadt für Integrationsprojekte von Sprechstunden, Arbeitsvermittlung über Hausbesuche und Regelvermittlung bis hin zum Aufkauf von Schrottimmobilien aufgewendet hat, welche Förderungen dabei zum Tragen kamen - das will die Stadt nachliefern.

In der anschließenden Debatte standen sich die politischen Lager unversöhnlich gegenüber. Die AfD setzte die Zuwanderung in Zusammenhang mit „Kinderpornografie, Sozialbetrug und Schrottimmobilien als Hinterlassenschaft“. Was SPD-Mann Thomas Klasmann allein als „Stigmatisierung“ abkanzelte.

Zu dem warf die AfD die Frage auf, wie viele Fälle es gegeben hat, von der Möglichkeit, die Freizügigkeit zu entziehen, Gebrauch zu machen. Dazu wie viele Schrotthäuser für welche Gesamtsumme aufgekauft wurden. Gerwin: „Diese Zahlen kann ich nicht liefern. Dafür sind Ausländerbehörde und die Abteilung Bauen und Wohnen die richtigen Ansprechpartner.“