Gelsenkirchen. In einigen muslimischen Gemeinden besteht der Wunsch nach einem Muezzin-Ruf. Das würde die Toleranz unserer Gesellschaft überstrapazieren.
Ja, Gelsenkirchen ist eine Stadt, die in besonderem Maße vom Zusammenleben vieler Menschen verschiedener Nationen, Kulturen und Religionen geprägt ist.
Und ja, grundsätzlich macht es unsere Gesellschaft auch bunter und liebenswerter, wenn Menschen ihre Sitten und Brauchtümer pflegen. Längst ist daraus in Gelsenkirchen und im Ruhrgebiet eine neue Kultur gewachsen.
Die türkische, griechische, italienische, asiatische und inzwischen auch die arabische Küche sind Teil unserer Lebenswirklichkeit, so wie der bis auf den letzten Platz gefüllte serbische Gottesdienst in der sonst eher leeren deutschen Kirche, längst ist es Normalität, dass der polnisch geprägte Fußballverein FC Zirinski dem türkisch geprägtem Firtinaspor gegenübersteht, dass in Kleingartenanlagen Rezepte für russisches Schaschlik gegen das für die beste Currysoße getauscht werden. Viele verschiedene Menschen haben sich Gelsenkirchen zu ihrer Heimat gemacht.
Und das ist auch gut so. Wenngleich das heutige Gelsenkirchen nicht jedem gefällt und auch nicht gefallen muss.
Auch der Pluralismus hat seine Grenzen
So spannend derart vielseitige Subkulturen sein können, so fragil ist dieses Gebilde auch - denn es verlangt gegenseitige Rücksichtnahme. Denn gerade auch der Pluralismus hat seine Grenzen, seine Regeln. Toleranz, Verständnis und Respekt sind keine Einbahnstraßen.
Schon jetzt wird dieser einfache Grundsatz zu oft missachtet. Zu oft zwingen Egoisten ihren Mitmenschen ihre Unsitten auf, ballern beispielsweise Halbstarke im Hochzeitskonvoi mit Gaswaffen in die Luft, wo sie mit traditionellen Tänzen und extravaganten Kleidern einen so viel besseren Eindruck machen könnten. Zu oft hinterlassen Asoziale ihren Müll, zu oft pfeifen rückwärtsgewandte Jugendliche auf unsere Gesellschaft, die ihre Eltern mit aufgebaut haben. . .
Viele Gelsenkirchener sind zurecht von solchen Auswüchsen genervt, das friedvolle Zusammenleben in dieser neuen Gesellschaftskultur wird davon massiv bedroht.
Und man stellt die Belastbarkeit dieser ohnehin bereits ausgedehnten Toleranz mutwillig bis fahrlässig auf die Probe, indem man den Ruf des Muezzins erlauben will. Denn der wird im Umfeld wahrscheinlich nicht nur als Lärmbelästigung, sondern auch als provokant empfunden. Und am Ende könnte das der Schritt zuviel sein, der dazu führt, dass vielen Menschen ihre Heimat doch zu fremd wird.
Lesen Sie hier das Pro von WAZ-Redakteur Gordon Wüllner-Adomako: Muezzin-Ruf in Gelsenkirchen: Debatte mit Offenheit führen