Gelsenkirchen-Ückendorf. 13 Kandidaten bewerben sich um den Einzug in den Gelsenkirchener Integrationsrat. Erstmals stellt sich eine Gruppe syrischer Bürger dem Votum.
Der Fokus im Kommunalwahlkampf richtet sich naturgemäß auf den Wettstreit um das Amt des Stadtoberhauptes. Übersehen wird nicht selten, dass mit dem Integrationsrat auch ein Gremium gewählt wird, das ein wichtiger Bestandteil der politischen Arbeit ist. 13 Kandidaten stehen zur Wahl, eine bunte Mischung aus Einzelbewerbern, Wählerlisten und Parteien.
Freitagnachmittag stellten sich die Bewerber im Ückendorfer Wissenschaftspark bei der ersten von drei Informationsveranstaltungen quer durch das Stadtgebiet vor, am 1. September wird die Markuskirche in Hassel (Biele 3) und am 4. September das Begegnungszentrum an der Grenzstraße in Schalke weitere Station für die Kandidaten sein.
An den Ständen bilden sich Corona-konforme Gesprächsrunden mit Maske, Registrierung und Abstand, die Veranstaltung hat am Nachmittag gerade erst angefangen, dennoch dürften es gut 50 Besucher sein, die in der ersten Stunde nach und nach ins lichtdurchflutete Foyer strömen, um sich zu informieren, darunter viele jüngere Wähler.
Vielfalt, die sich auch auf dem Wahlzettel abbildet
Sichtlich angetan von dem Zuspruch ist Uwe Gerwin, der Leiter des Referates Zuwanderung und Integration kommt bei der Begrüßung denn auch gleich auf den Punkt: „In Gelsenkirchen dürfen über 70.000 Menschen den Integrationsrat wählen, die Zahl der Wahlberechtigten macht deutlich, wie wichtig dieses Votum ist.“ Er freue sich sehr „über die Vielfalt, die sich auch auf dem Wahlzettel abbildet“.
Gemeint ist damit das Spektrum von insgesamt 13 Kandidaten (siehe Grafik). Erstmals dabei sind die Bündnisgrünen und die AfD sowie parteilose Erstbewerber. Und, darauf ist Uwe Gerwin besonders stolz, auch ein Zusammenschluss von neuangekommenen Syrern, die, nachdem sie Fuß gefasst haben in Gelsenkirchen, sich für andere engagieren.
Da ist zum Beispiel Ryad Baker (32) vom „Hand in Hand für Integration und Toleranz“, die erwähnte syrische Bewerberliste, da sind Kasiani Kalaizidis, mit 22 Jahren eine der jüngsten Kandidatinnen und Michael Hegmann (47), ein weit gereister Niederländer, der sich 2014 hat einbürgern lassen, erstmals wählen durfte – und nun etwas zurückgeben will. Alle drei eint, Brücken in die Stadtgesellschaft bauen zu wollen. Ihr Hebel dabei ist die Bildung.
Ausbau des Ehrenamtes, angepasste Sprachkurse
Mathematiker Ryad Baker arbeitet noch recht frisch an der Gesamtschule Ückendorf. Der 32-Jährige möchte „das Ehrenamt ausbauen“, beispielsweise den zusätzlichen Unterricht für Kinder in Mathematik und Arabisch. Nachjustieren muss man ihm zufolge auch an den Deutschkursen für Flüchtlinge und Zuwanderer. „Sie müssen angepasst werden, Akademiker lernen anders und schneller als Menschen mit weniger und kürzerer Schulbildung“. Ein weiterer Punkt sei die Vermittlung von Regeln. „Nur wenn Neuankömmlinge verstehen, wie die Gesellschaft hier funktioniert“, ist eine Integration möglich – ohne Konflikte.“
Bürokratieabbau in den Behörden
Einzelbewerberin Kasiani Kalaizidis studiert in dualer Form Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Migration und Integration. Sie sieht in dem möglichen Einzug in den Integrationsrat eine „sinnvolle Ergänzung“ ihrer Arbeit. Bewusst hat sie sich entschieden, keiner Partei beizutreten, „ich will schließlich für alle da sein“, sagt die 22-Jährige mit griechischen Wurzeln. Sie arbeitet mit Jugendlichen, dass möchte sie im Erfolgsfall fortsetzen. Bürokratieabbau im Ausländerbüro ist ihr Stichwort. Für sie kann von Gleichheit keine Rede sein, „wenn deutsche Jugendliche innerhalb von ein paar Wochen einen Pass bekommen, Jugendliche aus Syrien bis zu anderthalb Jahre darauf warten müssen“.
Gleiche schulische Förderung
Michael Hegmanns war und ist als Ingenieur viel im Nahen Osten unterwegs. Die Offenheit und Aufgeschlossenheit, mit der er andernorts empfangen wurde, vermisst er hier. Und mit Blick auf seinen eigenen Werdegang will der 47-Jährige sich dafür einsetzen, dass jeder junge Mensch die gleichen Bildungschancen bekommt. „Mir wurde allenfalls die Realschule zugetraut“, blickt der Gelsenkirchener zurück. Vielleicht war es der Dialekt, die Sprache, die die Empfehlung für die weiterführende Schule negativ beeinflusst habe, sagt er, trotz durchweg guter Noten. Gezeigt hat er es allen Skeptikern über den zweiten Bildungsweg – „solche Umwege möchte ich der jungen Generation ersparen“, sagt der ebenfalls parteilose Einzelbewerber zu seinem Engagement.
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